6Ob32/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel und die Hofräte des OberstenGerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Abhandlung des Nachlasses nach dem am 4.Juni 1993 gestorbenen Anton T*****, zuletzt Bauernpensionist *****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft und abhandlungsgerichtlicher Genehmigung eines Pflichtteilbedeckungsübereinkommens, infolge der Revisionsrekurse der pflichtteilsberechtigten Nachkommen 1. Willibald T*****, vertreten durch Dr.Erich und Dr.Helmut Heiger, Rechtsanwälte in Wien, 2. Gabriele Z*****, 3. Alexander T*****, und 4. mj. Thomas T*****, Schüler, in Obsorge seiner Mutter Gertrude T*****, die zu 2. bis 4. Genannten vertreten durch Dr.Kurt Schlosser und Dr.Wolfgang Raming, Rechtsanwälte in Waidhofen/Thaya, gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Zwettl vom 22.März 1994, GZ A 268/93-15, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Krems/Donau vom 15. September 1994, AZ 1 R 67,68/94 (ON 21), den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Enkelkinder des Erblassers Gabriele Z*****, Alexander T***** und mj.Thomas T***** wird stattgegeben, dem Revisionsrekurs des Sohnes des Erblassers Willibald T***** wird teilweise stattgegeben:
Die Entscheidung zu Punkt 5 des erstrichterlichen Beschlusses sowie deren rekursgerichtliche Bestätigung werden - ersatzlos - aufgehoben.
Im übrigen, also in Ansehung der Feststellung der Erbhofeigenschaft sowie der gerichtlichen Kenntnisnahme von der Einigung der Testamentserben gemäß § 8 Abs 5 AnerbenG, wird der Revisionsrekurs des Sohnes des Erblassers Wilhelm T***** zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Erblasser ist am 4.Juni 1993 im 85.Lebensjahr als Witwer gestorben.
In seinen Nachlaß fällt eine niederösterreichische Liegenschaft, zu deren Gutsbestand einerseits eine mehrere Grundstücke umfassende zusammenhängende Landfläche im Ausmaß von 5.060 m2 mit darauf errichteten, einem landwirtchaftlichen Betrieb gewidmeten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und andererseits landwirtschaftlich genutzte Flächen im Gesamtausmaß von mehr als 17,6 ha gehören; außerdem fällt in den Nachlaß eine weitere Liegenschaft mit Waldflächen im Gesamtausmaß von rund 5,3 ha und einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück im Ausmaß von 37,50 a. Nach einer vom Gerichtskommissär eingeholten Äußerung der niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer sei der landwirtschaftliche Betrieb "aufgrund seiner Größe und seiner Ertragsfähigkeit in der Lage, einen Durchschnittsertrag abzuwerfen, der zum angemessenen Erhalt von zwei erwachsenen Personen ausreicht".
Der Erblasser wurde von drei Söhnen und drei Enkelkindern, den Kindern eines vorverstorbenen Sohnes, überlebt, der im Januar 1973 geborenen Gabriele, dem im August 1974 geborenen - und in der Zwischenzeit volljährig gewordenen - Alexander und dem im November 1976 geborenen Thomas, der in der Obsorge seiner Mutter steht.
Mit dem in Dezember 1990, 5 3/4 Jahre nach dem Tod seiner Ehegattin, errichteten Testament berief der Erblasser seinen ältesten Sohn Erwin sowie eine Landwirtin (von der der Erblasser ausdrücklich festhielt, mit ihr weder verwandt noch verschwägert zu sein) zu gleichen Teilen zu Erben, ohne dabei über die Nachfolge in den landwirtschaftlichen Betrieb eine besondere Anordnung zu treffen.
Die beiden testamentarisch Berufenen gaben Erbserklärungen unter der Rechtswohltat des Inventars ab. Sie erklärten am 15.Oktober 1993 vor dem Gerichtskommissär nach Erörterung der Regelungen im Sinne des § 8 Abs 5 und der §§ 10 ff AnerbenG, "sich nicht dahingehend einigen zu wollen, daß einer von ihnen den landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers allein übernimmt. Sie übernehmen vielmehr alle zum Nachlaß gehörenden Gegenstände im Verhältnis der Erbquoten, somit je zur Hälfte, in ihr Miteigentum". Hierauf vereinbarten die beiden Testamentserben mit dem drittältesten Sohn des Erblassers, Willibald, ihm zur Bedeckung seiner Pflichtteilsansprüche 480.000 S in drei gleichen jeweils zum Jahresende 1994, 1995 und 1996 fälligen Teilbeträgen unter Vereinbarung von 12 % Verzugszinsen zu bezahlen. Mit der damals bereits volljährigen Enkeltochter des Erblassers Gabriele vereinbarten die beiden Testamentserben eine gleichartige Zahlung von 250.000 S. Mit den beiden damals noch minderjährigen, durch ihre Mutter vertretenen Enkelsöhnen des Erblassers Alexander und Thomas vereinbarten die beiden Testamentserben eine jeweils frühestens am Tag nach Vollendung des 19.Lebensjahres durch "Kündigung" fällig zu stellende, mit 5 % (im Jahr) zu verzinsende Pflichtteilsforderung von 270.000 S. In Ansehung aller Pflichtteilsforderungen wurde eine Wertsicherung vereinbart, zugunsten sämtlicher Pflichtteilsforderungen wurden die in den Nachlaß fallenden Liegenschaften zum Pfand bestellt.
Der zweitälteste Sohn des Erblassers, Anton, verzichtete schriftlich auf alle Pflichtteilsansprüche.
Neun Wochen nach Abschluß des Pflichtteilbedeckungsübereinkommens erklärten die beiden Testamentserben vor dem Gerichtskommissär ihre Einigung darauf, daß die Miterbin "Anerbin sein soll (§ 8 Abs 5 Anerbengesetz)". Im Anschluß daran beantragten die beiden Testamentserben die Feststellung, "ob der landwirtschaftliche Betrieb des Erblassers ein Erbhof ist" und beantragten für diesen Fall die Einholung des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger über die Höhe des Übernahmspreises.
Hierauf erkannte das Abhandlungsgericht mit seinem Beschluß vom 22. März 1994 sowohl die Erklärung der Testamentserben vom 15.Oktober 1993, sich nicht auf die Übernahme des in den Nachlaß fallenden landwirtschaftlichen Betriebes durch einen von ihnen einigen zu wollen, als auch die gegenteilige Erklärung vom 7.Dezember 1993, daß die Miterbin Anerbin sein solle, zur Kenntnis zu nehmen (Punkt 4). Weiters sprach das Abhandlungsgericht aus, dem Pflichtteilbedeckungsübereinkommen "die abhandlungsbehördliche Genehmigung" zu versagen (Punkt 5). Letztlich stellte das Abhandlungsgericht fest, daß die beiden in den Nachlaß gefallenen Liegenschaften "ein Erbhof im Sinne des § 1 Anerbengesetz seien.
Die Feststellung der Erbhofeigenschaft gründete das Abhandlungsgericht auf die erwähnte Stellungnahme der Landeslandwirtschaftskammer. Im übrigen wertete das Abhandlungsgericht die Erklärung der Miterben, sich nicht im Sinne des § 8 Abs 5 AnerbenG auf die Hofübernahme durch einen von ihnen einigen zu wollen, als eine bis zur Beendigung der Abhandlung frei widerrufliche (reine) Verfahrenserklärung und die Regelung des § 17 AnerbenG - auch gegenüber einer abweichenden Einigung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten - als zwingend.
Die Enkelkinder des Erblassers erhoben gegen die Versagung der abhandlungsgerichtlichen Genehmigung des Pflichtteilbedeckungsübereinkommens vom 15.Oktober 1993 (Punkt 5) Rekurs mit einem auf Erteilung der versagten Genehmigung zielenden Abänderungsantrag. Der drittälteste Sohn des Erblassers erhob nicht nur gegen die Versagung der abhandlungsgerichtlichen Genehmigung des Pflichtteilbedeckungsübereinkommens vom 15.Oktober 1993 (Punkt 5), sondern auch gegen die Feststellung der Erbhofeigenschaft (Punkt 6) sowie gegen die Kenntnisnahme der Einigung der Testamentserben auf die alleinige Hofübernahme durch die Miterbin (Punkt 4 zweiter Teil) Rekurs mit dem Abänderungsantrag, die letztgenannte Erklärung der Erben nicht zur Kenntnis zu nehmen, das Pflichtteilbedeckungsübereinkommen abhandlungsbehördlich zu genehmigen und die Feststellung der Erbhofeigenschaft ersatzlos aufzuheben.
Das Rekursgericht bestätigte die angefochtenen Teile des erstinstanzlichen Beschlusses. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt; weiters sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vorliege.
Das Rekursgericht befand die Äußerung der Landeslandwirtschaftskammer als taugliche Beurteilungsgrundlage zur Feststellung der Erbhofeigenschaft, erachtete die Erbteilungsvorschriften (einschließlich des § 17 AnerbenG) im volkswirtschaftlichen Interesse als zwingend (auch gegenüber einer Einigung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten) und teilte die erstrichterliche Ansicht über die Widerruflichkeit einer Erklärung der Erben, sich nicht auf einen von ihnen als Anerben einigen zu wollen.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich die Revisionsrekurse der Pflichtteilsberechtigten gegen die Bestätigung der Versagung der abhandlungsgerichtlichen Genehmigung des sogenannten Pflichtteilbedeckungsübereinkommens wenden (Punkt 5 des erstinstanzlichen Beschlusses), sind sie zulässig und auch berechtigt:
Die Erbteilungsvorschriften des Anerbengesetzes schließen abweichende Vereinbarungen der Beteiligten nicht aus. Eine gerichtliche Bestimmung des - auch für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche zugrundezulegenden - Übernahmspreises ist gemäß § 11 AnerbenG einer Bestimmung dieser Berechnungsgröße durch die Beteiligten ausdrücklich nachgeordnet. Der Anerbe ist nicht verbunden, die sich aus den anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften ergebenden Begünstigungen in Anspruch zu nehmen. Der Anerbe kann sich als Pflichtteilsschuldner mit jedem einzelnen Pflichteilsberechtigten über dessen Pflichtteilsansprüche einigen. Eine derartige Parteienvereinbarung unterliegt - außerhalb des Anwendungsbereiches des § 162 AußStrG (§ 27) - keiner wie immer gearteten Nachprüfung durch das Abhandlungsgericht. Das Abhandlungsgericht hatte also unter dem von ihm alleine geprüften Gesichtspunkt der anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften keinen Anlaß, das sogenannte Pflichtteilsbedeckungsübereinkommen inhaltlich zu prüfen und über eine abhandlungsgerichtliche Genehmigung oder Versagung einer solchen Vereinbarung zu entscheiden. Insofern waren die Entscheidungen beider Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.
Mit einer rechtswirksamen Einigung über seine Pflichtteilsansprüche verliert der Pflichtteilsberechtigte jedes weitere Interesse an einer Beteiligung im Abhandlungsverfahren. Die hypothetische Möglichkeit einer Anfechtung des Vertrages über die Erfüllung des Pflichtteilsanspruches reicht zur Aufrechterhaltung der Beteiligtenstellung eines Pflichtteilsberechtigten nicht hin. Aus diesem Grund fehlt dem drittältesten Sohn des Erblassers im nunmehrigen Verfahrensstadium eine aufrechte Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis zur Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen über die Erbhofeigenschaft des in den Nachlaß gefallenen landwirtschaftlichen Betriebes. Insoweit ist der Rekurs des Pflichtteilsberechtigten zurückzuweisen.
In Ansehung des nach wie vor minderjährigen pflichtteilsberechtigten Enkelsohnes Thomas wird sich das Abhandlungsgericht der bisher von ihm noch nicht vorgenommenen Prüfung im Sinne des § 162 AußStrG (§ 27) zu unterziehen haben.