14Os186/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Jänner 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Otto T***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 6 b Vr 5.029/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über Beschwerden (ON 34 und ON 40) des Verurteilten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 31. März 1994, AZ 22 Bs 123/94 (= ON 30), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem sogleich in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 14. Oktober 1992 (ON 16) wurde Otto T***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem wurde die bedingte Nachsicht einer mit Urteil desselben Gerichtes vom 23. September 1987 wegen der gleichen Delikte verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr widerrufen (§ 53 Abs 1 StGB, § 494 a Abs 1 Z 4 StPO) und dem Verurteilten hinsichtlich beider Freiheitsstrafen gemäß § 23 a Abs 1 SGG zur Ermöglichung der notwendigen ärztlichen Behandlung ein Strafaufschub bis 14. Oktober 1994 mit der Weisung gewährt, den Beginn der Behandlung binnen einem Monat und deren Fortsetzung alle zwei Monate dem Gericht nachzuweisen (ON 18).
Nachdem der Verurteilte dieser Weisung nicht vollständig nachgekommen war, wurde der Aufschub mit Beschluß vom 5. Jänner 1994 gemäß § 6 Abs 4 Z 1 StVG widerrufen (ON 27). Einer dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 31. März 1994, AZ 22 Bs 123/94 (= ON 30), nicht Folge.
Gegen diese Entscheidung erhob der Verurteilte am 23. Juni 1994 "Beschwerde" (ON 34), die der Vorsitzende des Schöffensenates mit Beschluß vom 24. Juni 1994 (ON 36) als unzulässig zurückwies.
Daraufhin stellte der Verurteilte am 2. August 1994 einen neuerlichen Antrag auf Gewährung eines (weiteren) Strafaufschubes (ON 37), der jedoch mit Beschluß vom 30. September 1994 (ON 39) abgewiesen wurde. Innerhalb der Beschwerdefrist (am 20. Oktober 1994) langte bei Gericht ein mit 18. Oktober 1994 datiertes Schreiben des Verurteilten ein (ON 40), dessen Inhalt lautet:
"Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.3.1994, 22 Bs 123/94, möchte ich nochmals Einspruch erheben. Bitte gewähren Sie mir einen neuerlichen Strafaufschub, damit ich weiterhin meinen Resozialisierungsprozeß unter ärztlicher Aufsicht vollziehen kann.
Als Begründung möchte ich anführen, daß meine Lebensgefährtin ein Kind von mir erwartet, daß ich seit meiner Verurteilung keine Straftaten begangen habe und eine Haftstrafe für mein berufliches Weiterkommen eine Katastrophe wäre."
Dieses Schreiben legte das Erstgericht dem Oberlandesgericht Wien als Beschwerde gegen den abweislichen Beschluß vom 30. September 1994 (ON 39) vor.
Wegen der ausdrücklichen Anführung des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 31. März 1994, AZ 22 Bs 123/94 (= ON 30), sah jedoch das Oberlandesgericht das Schreiben als Beschwerde gegen diesen (seinen eigenen) Beschluß an. Darüber hinaus nahm es als Gebrechen des Verfahrens gemäß § 114 Abs 4 StPO wahr, daß der Vorsitzende die frühere Beschwerde (ON 34) gegen diesen Beschluß selbst zurückgewiesen hatte, kassierte den Zurückweisungsbeschluß vom 24. Juni 1994 (ON 36) und trug dem Erstgericht auf, die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über beide Beschwerden (vom 23. Juni 1994, ON 34, und vom 18. Oktober 1994, ON 40) vorzulegen.
Diesem Auftrag ist das Erstgericht nachgekommen, wobei es allerdings im Vorlagebericht als angefochtene Entscheidung abermals seinen Beschluß vom 30. September 1994 (ON 39) und nicht die vom Oberlandesgericht Wien gemeinte Beschwerdeentscheidung vom 31. März 1994 (ON 30) anführte.
Rechtliche Beurteilung
Da gegen Beschwerdeentscheidungen der Gerichtshöfe zweiter Instanz indes ein weiterer Rechtszug im Gegenstand gesetzlich nicht vorgesehen ist, waren die beiden Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen.
Im gegebenen Zusammenhang sieht sich der Oberste Gerichtshof jedoch zu dem Hinweis veranlaßt, daß nach dem spezifischen Zweck der Sondervorschrift des § 23 a SGG dem Erfolg einer ärztlichen Behandlung (vgl EvBl 1989/155; 1992/182, 183; 13 Os 129/94) gegenüber der Einhaltung von Weisungen, die den Verurteilten zur Erreichung dieses Zieles nur unterstützen sollen, der Vorrang zukommt. Bei eingetretenem Behandlungserfolg - wofür sich hier aus den Akten konkrete Anhaltspunkte ergeben - stünden daher einem darnach gebotenen amtswegigen Vorgehen nach § 23 a Abs 2 SGG ein weisungswidriges Verhalten und selbst ein deshalb erfolgter Widerruf des Strafaufschubes nicht grundsätzlich entgegen.