JudikaturOGH

10ObS219/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmair und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Lohr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heimo J*****, Kellner, ***** vertreten durch Dr.Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistungen gemäß § 173 ASVG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Juli 1994, GZ 12 Rs 52/94-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Dezember 1993, GZ 19 Cgs 5/93-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war am 7.10.1990 in einem Hotel in Pörtschach am Wörthersee als Kellner beschäftigt. Er hatte von 8.00 bis 12.00 Uhr "Frühstücksdienst" und sollte den Dienst um 18.00 Uhr wieder antreten. Um die Mittagszeit half er mit, das Salatbuffet als Teil des Mittagsbuffets am Strand aufzubauen. Unterdessen kontrollierte sein direkter Vorgesetzter, der Oberkellnerstellvertreter Oliver Z***** (Z) die Strandbar. Kurz zuvor war der im selben Betrieb als Bootsfahrer beschäftigte Stefan E***** (E) mit dem Motorboot zur Anlagestelle des Hotels gefahren und hatte Z bei der Beseitigung einer Störung der elektrischen Anlage des Hotels geholfen. Der Bootsfahrer hatte den dienstlichen Auftrag, ein bananenförmiges Schlauchboot ("Fun-Gerät") (mit dem Motorboot) nach Pörtschach zu schleppen. Er bot Z an, ihn bei dieser Motorbootfahrt zu begleiten. Dieser willigte ein und fragte den Kläger, ob er mitfahren wolle. Er verstand diese Frage nicht als dienstlichen Auftrag, den Bootsfahrer zu begleiten. Z und der Kläger wollten E allein aus Freude am Motorbootfahren begleiten; ihr Mitfahrentschluß lag also allein in privaten Beweggründen. Beide hatten ihre Arbeit beim Einsteigen in das Boot bereits beendet und waren dienstfrei. E fuhr gegen 12.15 oder 12.30 Uhr in Begleitung der genannten Personen mit dem Motorboot nach Velden. Dort ging er mit Z an Land, um die "Banane" ins Wasser zu lassen. Währenddessen hielt der Kläger das Motorboot "in selbstverständlicher Hilfeleistung" etwa ein bis zwei Minuten an der Uferbefestigung. Dann stieg Z wieder zum Kläger, und E befestigte die "Banane" mit einen Seil am Motorboot. Dann lenkte er dieses zur Veldener Bucht. Während er in Velden ein dienstliches Telefonat führte, hielten der Kläger und Z das Boot gefälligkeitshalber etwa zehn bis vierzehn Minuten am Uferrand fest. Nach seiner Rückkehr fuhr E mit seinen beiden Fahrgästen weiter. Nach einer Fahrtdauer von etwa einer Minute riß das Zugseil, (mit dem die "Banane" am Motorboot befestigt war,) schnellte zurück und traf den Kläger mit Wucht im Bereich der Augen. Der Kläger erlitt dadurch schwere Verletzungen.

Auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen wies das Erstgericht das auf "Leistungen gemäß § 173 ASVG aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 7.10.1990" gerichtete Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß kein Arbeitsunfall vorliege, weil für die Mitfahrt des Klägers im Motorboot allein private Interessen maßgebend gewesen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in der rechtlichen Beurteilung im wesentlichen aus: Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß das Motorbootfahren, das in der Freizeit aus Freude an dieser Freizeitbeschäftigung aus persönlichen Gründen unternommen werde, dem privaten, unversicherten Interesse diene und zu den sogenannten eigenwirtschaftlichen Handlungen gehöre, die grundsätzlich nicht durch die Unfallversicherung geschützt würden. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht erzielen, wenn man darauf abstelle, ob die unfallverursachende Handlung Ausfluß der Ausübung der unselbständigen Erwerbstätigkeit des Klägers sei, ob also noch eine Ausübungshandlung seiner Berufstätigkeit vorliege. Dabei seien die Üblichkeit gewisser Verhaltensweisen und tatsächlich oder gutgläubig angenommene Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen zu berücksichtigen. Selbst wenn man von diesem weitgezogenen Schutzbereich ausgehe, liege kein Arbeitsunfall vor, weil nach den Feststellungen für den Kläger weder eine tatsächliche (objektive) noch eine gutgläubig angenommene (subjektive) Verpflichtung bestanden habe, während seiner Freizeit an der Motorbootfahrt teilzunehmen. Das Motorbootfahren zu privaten Zwecken in der Freizeit stelle keine Ausübungshandlung des Klägers in seiner Rolle als Erwerbstätiger dar. Deshalb komme auch ein Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nicht in Betracht, weil dieser eine hier fehlende betriebliche Tätigkeit voraussetze.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder die Urteile der Vorinstanzen allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Soweit sich die Rechtsrüge gegen die Verneinung eines Arbeitsunfalles nach § 175 ASVG richtet, geht sie nicht von den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz aus. Danach wurde der Kläger weder durch den Dienstgeber noch durch dessen Beauftragten zur Mitfahrt im Motorboot herangezogen, sondern fuhr während seiner Freizeit allein aus Freude am Motorbootsfahren mit. Diese Fahrt stand daher nur für den beim selben Dienstgeber beschäftigten Bootsfahrer im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dessen die Versicherung begründender Beschäftigung, weil sie für ihn keine Vergnügungs-, sondern eine Dienstfahrt war. Der Kläger war hingegen bei dieser Fahrt keinen Gefahren ausgesetzt, die mit seiner Rolle als Erwerbstätiger verbunden waren. Seine Mitfahrt im Motorboot war keine Ausübungshandlung seiner die Versicherung begründenden Beschäftigung als Kellner. Ob sie einem vernünftigen Menschen als Ausübung dieser Erwerbstätigkeit erscheinen mußte (objektive Bedingung), kann dahingestellt bleiben. Da sie nach den Feststellungen vom Kläger nicht in dieser Intention entfaltet, sondern ausschließlich aus Freude am Motorbootfahren unternommen wurde, fehlt jedenfalls die subjektive Bedingung einer Ausübungshandlung (Tomandl in Tomandl, SV-System 5.ErgLfg 279 mit Hinweisen auf Rsp und Literatur in FN 2). Der Unfall ereignete sich übrigens auch außerhalb der Betriebsstätte und während der Freizeit des Klägers (Tomandl aaO 7.ErgLfg 281). Er ist für ihn ebenso ein nicht geschützter Freizeitunfall, wie er dies für eine nicht im selben Hotel beschäftigte Person wäre, die der Bootsfahrer zur Mitfahrt eingeladen hätte.

Auf § 176 Abs 1 Z 6 ASVG kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil sich sein Unfall nicht während einer, wenn auch nur kurzfristigen Arbeitsleistung ereignet hat, die dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprach und für diesen von wirtschaftlicher Bedeutung war (Tomandl aaO 7.ErgLfg 292). Ob es sich beim Festhalten eines Motorbootes am Ufer überhaupt um eine typische Arbeitnehmertätigkeit handelt, kann dahingestellt bleiben, weil der Unfall nach den Feststellungen nicht während einer solchen Dienstleistung, sondern während der an diese anschließenden Fahrt des Motorbootes eintrat, während der der Kläger keine allenfalls als "betriebliche" zu wertende Tätigkeit ausübte.

Soweit im Rahmen der Rechtsrüge ein Angriff auf die vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen versucht wird, ist der bezeichnete Revisionsgrund nicht gesetzgemäß ausgeführt. Eine Beweisrüge ist nach der abschließenden Aufzählung der Revisionsgründe im § 503 ZPO unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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