JudikaturOGH

14Os111/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Reinhart als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan B***** wegen des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 25.April 1994, GZ 9 b Vr 974/93-9, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan B***** des Vergehens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 16.Juli 1993 in E***** außer den Fällen des § 201 StGB die Jasmin A***** mit Gewalt zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Geschlechtsverkehrs, zu nötigen versuchte, indem er sie festhielt, im Brust- und Bauchbereich abtastete und entkleiden wollte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der indes keine Berechtigung zukommt.

Vorauszuschicken ist, daß das Schöffengericht einem Rechtsirrtum unterliegt, wenn es die mit Gewalt erzwungene Duldung des Beischlafes dem Tatbestand des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 StGB unterstellt. Hiedurch wird vielmehr das mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedrohte Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB verwirklicht. Nur dann ist die Erzwingung des Beischlafes als das minder strafbedrohte Vergehen nach § 202 Abs 1 StGB zu beurteilen, wenn für die Erreichung dieses Zieles nicht Gewalt, sondern gefährliche Drohung (§ 74 Z 5 StGB) als Nötigungsmittel eingesetzt wird, die nicht die Qualität einer Drohung mit gegenwärtiger (schwerer) Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 201 (Abs 1 bzw Abs 2) StGB erreicht (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 202 RN 13).

Die schon von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift (ON 5) vorgenommene und von ihr unbekämpft gebliebene rechtsirrige Beurteilung des festgestellten Tatverhaltens als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung gereicht dem Angeklagten jedoch zum Vorteil. Davon ausgehend (§ 290 Abs 1 StPO) ist es aber nicht mehr entscheidend, ob der Vorsatz des Angeklagten auch darauf gerichtet war, die Duldung des Beischlafes zu erzwingen; vielmehr genügt es bereits, daß der Angeklagte das Tatopfer, nach den Feststellungen unter Anwendung von Gewalt, an den Brüsten erfaßte, diese drückte und seinen Geschlechtsteil am Gesäß des Mädchens rieb (US 6, 7). Schon die Erzwingung der Duldung dieser geschlechtlichen Handlungen begründet das Vergehen der - nicht nur etwa bloß versuchten, sondern bereits vollendeten - geschlechtlichen Nötigung. Daß der Angeklagte dessen ungeachtet - rechtsirrig - nur wegen Versuches schuldig erkannt wurde, gereicht ihm freilich abermals zum Vorteil.

Unter diesem Aspekt müssen sämtliche Beschwerdeeinwendungen, die den auf die Duldung des Beischlafes gerichteten Vorsatz des Angeklagten in Frage stellen, ins Leere gehen. Mangels Erheblichkeit versagt demnach die Verfahrensrüge (Z 4) wegen der Ablehnung eines Ortsaugenscheines ebenso wie die in diese Richtung zielende Mängelrüge (Z 5).

Da der Frage, ob Jasmin A***** durch die Tathandlungen verletzt wurde, ebenfalls keine Entscheidungsrelevanz zukommt, wurde der Angeklagte auch durch die Abweisung des Antrages auf Einvernahme des Kommandanten des Gendarmeriepostens E***** in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Es ist auch unbeachtlich, ob der Angeklagte mit dem Tatopfer in dem von ihm behaupteten - und durch die Zeugin Brigitte S***** zu erweisenden - intensiven Freundschaftskontakt gestanden war. Denn daß Jasmin A***** die Annäherung des Angeklagten jedenfalls mißbilligte, hätte diese Zeugin schon nach der Begründung des Beweisantrages nicht zu widerlegen vermocht, sodaß in der Abstandnahme von dieser Beweisaufnahme abermals kein Verfahrensmangel (Z 4) zu erblicken ist.

Als nicht stichhältig erweist sich auch das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a), vermag doch der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf gewisse Unsicherheiten der Darstellung des Opfers in unwesentlichen Detailbereichen des Tatgeschehens erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen nicht zu erwecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) schließlich, mit der der Beschwerdeführer den Straflosigkeitsgrund des § 42 StGB für sich reklamiert, gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, geht doch der Angeklagte auf jene Konstatierungen zur Schuldfrage, die die Beurteilung als geringfügig ausschließen, überhaupt nicht ein, weshalb sich sein Einwand einer sachbezogenen Erörterung entzieht. Darauf aber, daß er das Unrecht seiner Tat wegen eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB) nicht erkannt oder einen Sachverhalt angenommen hätte, der die Rechtswidrigkeit seiner Tathandlung ausschließen würde (§ 8 StGB), hat sich der Angeklagte in seiner Verantwortung nicht berufen. Auch in der Beschwerde werden keine Verfahrensergebnisse aufgezeigt, wonach ein Erlaubnistatbestands- oder Rechtsirrtum indiziert wäre. Indem der Beschwerdeführer sein Tatverhalten als bloß "körperliche Kontaktaufnahme" beschönigt, bestreitet er vielmehr in einer im gegebenen Rahmen unzulässigen Weise in Wahrheit nur die festgestellte tatbestandsmäßige Gewaltanwendung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als zum Teil offenbar unbegründet, im übrigen aber als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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