JudikaturOGH

11Os129/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Joachim F***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24.Juli 1992, GZ 34 b Vr 852/92-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Essenther, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem das Anklagefaktum C (Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB) betreffenden Freispruch (Punkt 2.2 des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Joachim F***** ist schuldig, er hat am 30.März 1992 in Linz vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er im Strafverfahren gegen Peter K***** angab: "Nach Vorhalt der Aussage K*****s sowie der Zeugin Astrid M***** gebe ich an, daß das völlig falsch ist. Ich kenne weder einen Hermann T*****, noch eine Astrid M*****, noch war ich jemals mit anderen Personen als Peter K***** und Gabriele R***** in K*****s Wohnung an der Oberen Donaulände. Bei meinem Besuch und bei K***** wurde auch kein Rauschgift konsumiert. Ich möchte noch angeben, daß ich über allfällige Rauschgiftgeschäfte K*****s überhaupt nichts aussagen kann, da ich überhaupt keinen Kontakte mehr zu ihm habe."

Er hat hiedurch das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG und das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG, nach § 28 Abs 1 StGB und § 12 Abs 1 erster Strafsatz SGG zu 15 Monaten Freiheitsstrafe und gemäß § 13 Abs 2 SGG zu einer Wertersatzstrafe von 40.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 4 Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 StGB wird die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 16. März 1992, 10.10 Uhr, bis 17.März 1992, 11.45 Uhr, und vom 4.Mai 1992, 10.15 Uhr, bis 24.Juli 1992, 17.40 Uhr, auf die Strafen angerechnet.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil (in der Fassung des Angleichungsbeschlusses vom 16.Februar 1994, ON 72) wurde Joachim F***** (1.1) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG und (1.2) des Vergehens nach § 16 Abs 1 vierter und fünfter Fall SGG schuldig erkannt. Demnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - (1.1) Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er am 27. Februar 1992 in Linz 500 Gramm Haschisch (über Vermittlung des abgesondert verfolgten Peter K*****) an Hermann T***** verkaufte und im Frühjahr 1992 in Tumeltsham sowie an anderen Orten mindestens 100 Gramm Haschisch unbekannten Personen überließ, und ferner (1.2) in der Zeit von Dezember 1991 bis 4.Mai 1992 in Tumeltsham und an anderen Orten außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG Suchtgift, nämlich Haschisch, Marihuana und Heroin in unbekannter Menge, für den Eigenverbrauch erworben und besessen.

Von den weiteren Anklagevorwürfen, (2.1) Anfang 1992 weiteres Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt und (auch) dadurch das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG begangen sowie (2.2) am 30.März 1992 in Linz als Zeuge vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes in der Strafsache gegen Peter K***** bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache in mehreren Punkten falsch ausgesagt und dadurch das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB begangen zu haben, wurde Joachim F***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt teilweise Berechtigung zu.

Da die im Rahmen der Mängelrüge relevierten Unschlüssigkeiten hinsichtlich einzelner vom Schuld- bzw Teilfreispruch nach dem Suchtgiftgesetz betroffenen Haschischmengen durch den nachträglichen Beschluß auf Angleichung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils an den mündlich verkündeten Inhalt beseitigt und dem Beschwerdestandpunkt insoweit voll Rechnung getragen wurde, entfällt in diesem Umfang jedwedes Beschwerdeinteresse.

Davon unberührt bleibt hingegen jene zutreffende Rechtsargumentation (Z 9 lit b), die sich gegen den das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht betreffenden Teilfreispruch richtet. Dazu stellte das Erstgericht aufgrund der geständigen Verantwortung des Angeklagten ausdrücklich fest, daß dessen inkriminierte Zeugenaussage subjektiv wie auch objektiv tatsachenwidrig war, bejahte aber ungeachtet der Täterkenntnis von der Möglichkeit einer Zeugnisbefreiung gemäß § 153 StPO die Voraussetzungen entschuldigenden Aussagenotstands gemäß § 290 Abs 1 Z 2 StGB (317 f).

Im Sinn der Beschwerdeauffassung trifft es zu, daß die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht mit dem Gesetz nicht im Einklang steht. Gemäß § 290 Abs 2 Z 2 StGB ist (ua) straflos, wer eine falsche Beweisaussage ablegt, um von sich die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abzuwenden, wenn er von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses hätte befreit werden können und den Befreiungsgrund nicht geoffenbart hat, um die schon aus der Offenbarung drohenden Folgen der bezeichneten Art (hier: Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung) abzuwenden. Derartige Konsequenzen als Folge der Offenbarung hatte der Angeklagte im konkreten Fall aber nicht zu befürchten, weil er im Zeitpunkt seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz am 30.März 1992 nach ausdrücklicher Belehrung über das ihm gemäß § 153 StPO (in der damals geltenden Fassung) zustehende Recht auf Zeugnisverweigerung bereits davon in Kenntnis war, daß seine Suchtgiftdelinquenz betreffende Verdachtsgrundlagen schon aktenkundig waren. Der Angeklagte war nämlich bereits am 16.März 1992 nach einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung festgenommen und als des Suchtgifthandels Verdächtiger polizeilich einvernommen worden (53 ff, 73 f). Davon ausgehend war ihm jedoch anläßlich der hier inkriminierten Vernehmung die Möglichkeit eröffnet, seine weitere Befragung mit dem bloßen Hinweis auf den aktenkundigen Erhebungsvorgang hintanzuhalten. Da der - gemäß § 153 StPO belehrte - Angeklagte solcherart über sein Recht unterrichtet war, das Zeugnis im Hinblick auf das gegen ihn anhängige Strafverfahren zu verweigern, er aber dessen ungeachtet - nach eigenen Angaben in der Hoffnung, daß seine jede Beteiligung am inkriminierten Suchtgiftgeschäft leugnende Darstellung "durchgehe" (280) - von seinem Entschlagungsrecht nicht Gebrauch machte und so aus gezielt prozeßtaktischen Überlegungen einer falschen Beweisaussage den Vorzug gab, kommt ihm nach Maßgabe der in § 290 StGB normierten Voraussetzungen Aussagenotstand nicht zustatten.

In Stattgebung der gegen diesen Punkt des Teilfreispruchs gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde war daher mit partieller Urteilsaufhebung und im Umfang der Aufhebung - auf der Grundlage der eine abschließende Tatbeurteilung gestattenden mängelfreien tatrichterlichen Feststellungen zu diesem Faktum - spruchgemäß reformatorisch zu erkennen.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall nach Verbüßung einer empfindlichen Freiheitsstrafe erschwerend, mildernd hingegen die im wesentlichen geständige Verantwortung des Angeklagten.

Auf der Grundlage dieser Strafzumessungsgründe trägt die ausgesprochene Freiheitsstrafe (in der Dauer von 15 Monaten) den hier aktuellen präventiven Anliegen und sonst für die Erreichung des Strafzwecks bestimmenden Kriterien in angemessener Weise Rechnung.

Im übrigen sind die gemäß § 13 Abs 2 SGG dem Sinne nach anzuwendenden, in § 12 Abs 5 vierter Satz SGG normierten Voraussetzungen für die Anwendung der sogenannten Härteklausel im konkreten Fall nicht erfüllt. Tatsachengrundlagen, die eine schutzwürdige Bereitschaft des Angeklagten zu einer auf seine gesellschaftliche Wiedereingliederung ausgerichteten Suchtgiftabkehr auch nur im Ansatz erkennen ließen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es war daher - wie von der Staatsanwaltschaft in ihrer (Straf )Berufung begehrt - neben der Freiheitsstrafe gemäß § 13 Abs 2 SGG auf eine an den unbedenklichen Feststellungen über die Höhe des nicht mehr greifbaren Erlöses des vom Angeklagten verkauften Suchtgiftes orientierte Wertersatzsstrafe und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit auf die entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu erkennen.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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