14Os92/94(14Os98/94) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1994 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hermann K***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31.Jänner 1994, GZ 3 d Vr 1.091/93-326, sowie über seine Beschwerde (§ 494 a Abs 4 StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr.Mühl zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und gemäß § 43 a Abs 4 StPO ein Teil der Freiheitsstrafe von 24 (vierundzwanzig) Monaten für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung sowie der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann K***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 11.Jänner 1993 in Baden die ihm durch den mit Josef St***** am 7.August 1992 in Wien abgeschlossenen Garantievertrag, sohin durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen, nämlich die Garantiesumme von 2,5 Mio Schilling zu verfügen, wissentlich durch deren Abrufung mißbraucht und dadurch dem Josef St***** einen Vermögensnachteil in der genannten Höhe zugefügt hat.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der indes keine Berechtigung zukommt.
Die zur Mängelrüge (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) undifferenziert vorgetragenen Einwände sind nicht stichhältig. Sie gehen zum Teil schon deshalb ins Leere, weil sie den erstgerichtlichen Entscheidungsgründen einen Inhalt unterstellen, der darin nicht zum Ausdruck kommt. Das angefochtene Urteil enthält weder die Feststellung, der Angeklagte habe "schon am 6.November 1992 gewußt, daß der Wert der Trafik nur dem Wert des Inventars entspräche" (siehe US 11, 15, 34/35); noch daß "die Vorgangsweise der A***** T*****werke im Interesse der behinderten Menschen verdienstvoll sei" (siehe US 36); noch daß der Angeklagte "die Verlängerung der Laufzeit der Bankgarantie nur betrieben habe, um eine Zugriffsmöglichkeit auf den Betrag zur Befriedigung andrängender Gläubiger zu haben". Insofern sprach das Erstgericht keineswegs von einem ausschließlichen Motiv des Angeklagten oder von einer "Betreibung" der Garantieverlängerung, sondern befaßte sich bloß mit einem Einverständnis des Angeklagten zu einer solchen Verlängerung (siehe US 21und 39). Im übrigen käme den erwähnten Umständen auch gar keine entscheidende Bedeutung zu.
Mit dem gegen die Annahme eines Unrechtsbewußtseins des Angeklagten in tatsächlicher Hinsicht ankämpfenden Beschwerdehinweis, wonach Dr.Brigitte W***** ohnehin vom Zeugen Heinz B***** über die "Problematik hinsichtlich der Erfüllung des Grundgeschäftes" informiert gewesen sei und dennoch die Behebung der Garantiesumme empfohlen habe, wird keine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe aufgezeigt. Denn der Informationsstand anderer Personen ist keine taugliche Grundlage für Schlußfolgerungen auf innere Vorgänge beim Angeklagten. Im übrigen kann sich der Beschwerdeführer auf die Richtigkeit des anwaltlichen Rates auch deshalb nicht berufen, weil er selbst Dr.W***** maßgebliche Verhandlungsergebnisse mit den A***** T*****werken verschwiegen hatte (US 25, 40/41).
Die Beschwerdedarlegungen über die Notwendigkeit der Garantiebeanspruchung schließlich und über Vorgangsweisen, die dem Angeklagten und Josef St***** angeblich offengestanden wären, übergehen jene Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte die Bemühungen des Josef St***** und der Waltraud H***** um eine Auflösung des Kaufvertrages abgelehnt hat (US 17). Den zur Unmöglichkeit einer vertragsgemäßen Übergabe der Trafik geäußerten Behauptungen samt den daran geknüpften Hypothesen kann wiederum nur erwidert werden, daß solcherart weder ein Begründungsmangel (Z 5) dargetan wird, noch daraus gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erhebliche Bedenken (Z 5 a) abgeleitet werden können.
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt. Mit ihr bestreitet der Beschwerdeführer zunächst, bei Inanspruchnahme der Bankgarantie eine ihm von Josef St***** eingeräumte Befugnis ausgeübt zu haben. Alle diesbezüglichen Einwände sind jedoch unbegründet.
Die Bank A***** hatte am 7.August 1992 über Auftrag ihres Kunden Josef St***** eine Garantieverpflichtung gegenüber dem Angeklagten erklärt und versprochen, auf dessen erste Aufforderung hin ohne Prüfung des Rechtsgrundes und unter Verzicht auf jedwede Einwendungen eine Zahlung bis zur Höhe von 2,5 Mio Schilling zu leisten (Band II, Beilage zu ON 48). Diese Bankgarantie stand in einer Zweckbeziehung zu einem Vertrag zwischen dem Angeklagten und Josef St*****, mit welchem der Letztgenannte eine Trafik um 2,5 Mio Schilling kaufte. Durch die Garantie sollte sichergestellt werden, daß der Angeklagte bei vertragsgemäßer Übergabe des Geschäftes den vereinbarten Kaufpreis erhalte (US 12). Demgemäß sollte die Bankgarantie - wie zwischen dem Angeklagten und St***** ausbedungen wurde - nur im Falle der tatsächlichen Übergabe der Trafik mit der uneingeschränkten Möglichkeit, die Trafik auch rechtmäßig zu betreiben (= Garantiefall), in Anspruch genommen werden dürfen (US 12, 13).
Dem einleitenden Beschwerdeargument, der "Garantievertrag" sei vom Angeklagten - entgegen dem Urteilstenor - nicht mit Josef St***** sondern mit der Bank A***** abgeschlossen worden, weshalb eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Machthaberbefugnis dem St***** gegenüber gar nicht bestanden habe, ist zu entgegnen, daß damit bloß eine belanglose sprachliche Unschärfe der Formulierung des Schuldspruchs, nicht aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Urteilssachverhaltes aufgezeigt wird. Die den Urteilsspruch erläuternden Entscheidungsgründe lassen keinen Zweifel darüber offen, daß das der inkriminierten Vermögensverfügung zugrundeliegende Rechtsgeschäft nicht nur (schriftlich) zwischen St***** und der Bank, sondern dem Wesen des den Garantievertrag bestimmenden dreipersonalen Vertragsverhältnisses zufolge auch unter Einbeziehung des Angeklagten als der aus diesem Vertrag begünstigten Person zustandegekommen ist. Gleichviel ob der Angeklagte, dem die Bankgarantie ausschließlich zum Vorteil gereichte, unter Heranziehung der Bestimmung des § 881 ABGB (Vertrag zugunsten Dritter) oder durch Stillschweigen auf die Übergabe der Bankgarantie entsprechend der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) oder durch Willensbetätigung bei deren Inanspruchnahme (§ 864 ABGB) konkludent Vertragspartei wurde, wurde ihm als Begünstigten jedenfalls - mit seinem Willen - die Verfügungsmacht über fremdes Vermögen übertragen (zu den Rechtsverhältnissen zwischen Garantieauftraggeber, Bank und Begünstigtem siehe Avancini-Iro-Koziol Bankvertragsrecht II Rz 3/48 ff, 3/53 ff, 3/66 ff).
Ob es sich dabei um das Vermögen der Bank oder, wovon das Erstgericht primär ausgeht, um jenes des der Bank gegenüber unmittelbar zur Deckung verpflichteten Schuldners handelt, kann dahingestellt bleiben, wurde der Angeklagte doch aufgrund des nach dem Vorgesagten auch von ihm geschlossenen Vertrages sowohl von der Bank wie auch vom Schuldner mit der Befugnis ausgestattet, über die Garantiesumme nach Maßgabe des Eintrittes des Garantiefalles zu verfügen. Ruft ein solcher Machthaber die Garantiesumme demnach mit der bewußt wahrheitswidrigen Behauptung ab, der Garantiefall sei eingetreten, mißbraucht er die ihm eingeräumte Befugnis und verantwortet in strafrechtlicher Hinsicht Untreue nach § 153 StGB (vgl Tschulik in WK § 153 Rz 11 f; Fuchs, StPG 12, 67 f). Dabei ist es, sofern nur einer der beiden Machtgeber geschädigt ist, unbeachtlich, wer von ihnen letztlich den Schaden zu tragen hat. Insofern kommt daher auch der Frage, ob die Bank gegenüber St***** ihren Rückgriffsanspruch verloren hat, keine Relevanz zu.
Das übrige Beschwerdevorbringen wird den Bedingungen gesetzmäßiger Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe nicht gerecht. Es ist unrichtig, daß das Erstgericht keine Feststellung über die Höhe des Schadens getroffen hat (siehe hiezu US 26, 51). In gleicher Weise urteilsfremd ist die Behauptung, daß eine konkludente Abänderung der Vereinbarung vom 7.August 1992 den Angeklagten dazu ermächtigt habe, bei Unterbleiben der Verlängerung der Bankgarantie die garantierte Summe auch ohne Übergabe des Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Alle Argumente, mit denen eine Urteilsfeststellung verschwiegen oder ein im Urteil nicht festgestellter Sachverhalt als gegeben angenommen wird, verfehlen aber den gebotenen Vergleich der Entscheidungstatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz und müssen mangels prozeßordnungsgemäßer Ausführung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes unbeachtet bleiben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die Schadenshöhe von 2,5 Mio S, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Begehung der Untreue zum Nachteil eines Schwerstbehinderten unter Ausnützung von dessen Gutgläubigkeit als erschwerend; als mildernd hingegen den bislang ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten. Es verurteilte Hermann K***** nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB - gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.Februar 1993, GZ 3 d E Vr 9.155/92-23, mit dem über ihn wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB eine für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von vier Wochen verhängt worden war - zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 35 Monaten und widerrief die ihm seinerzeit gewährte bedingte Strafnachsicht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO aus dem Grunde des § 55 Abs 1 StGB.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Gewährung einer zumindest teilbedingten Strafnachsicht anstrebt, kommt nur in eingeschränktem Umfang Berechtigung zu.
Den für die Verurteilung wegen des Vergehens der Unterschlagung maßgeblichen Milderungsgründen wurde bereits bei Ausmessung der hiefür verhängten (früheren) Strafe Rechnung getragen. Deren abermalige Berücksichtigung bei Ausmessung der Zusatzstrafe kommt nicht in Betracht, weshalb ihre (neuerliche) Anführung im angefochtenen Urteil mit Recht unterblieben ist. Zusätzliche Milderungsgründe vermochte die Berufung nicht aufzuzeigen. Dazu sind weder die fragwürdigen Bemühungen des Angeklagten um eine Übergabe der Trafik an St***** geeignet noch der Umstand, daß er zur Erlangung der Garantiesumme die Dienste einer Rechtsanwaltskanzlei in Anspruch nahm. Mit dem Einwand aber, daß ein Schaden von 2,5 Mio S nicht eingetreten sei, setzt sich der Berufungswerber über die gegenteiligen Urteilsfeststellungen hinweg, zu denen die zur Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg führenden Erwägungen keineswegs in Widerspruch stehen. Zutreffend maß das Schöffengericht auch den opferbezogenen Schadensfaktoren erhöhtes Gewicht bei, während es den Mangel jeglicher Schuldeinsicht gar nicht als erschwerend wertete. Zu einer Reduzierung der Strafhöhe bestand demnach kein Anlaß.
Dagegen konnte sich der Oberste Gerichtshof der Tatsache nicht verschließen, daß der Angeklagte durch Umstände, die außerhalb seiner Ingerenz standen, nämlich durch die nachträgliche Änderung der Vergabemodalitäten von Tabaktrafiken, in jene Situation geriet, die ihn zur Begehung der aktuellen Untreuehandlung bewog. Mit Rücksicht darauf sowie angesichts seines früheren ordentlichen Lebenswandels und seiner bisherigen Bewährung in Freiheit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß er unter dem Eindruck dieses Strafverfahrens und der bereits erlittenen, über ein Jahr währenden Untersuchungshaft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, weshalb unter Anwendung des § 43 a Abs 4 StGB ein mit 24 Monaten bestimmter Teil der Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte.
Die Widerrufsvoraussetzungen des § 55 Abs 1 StGB wurden hingegen zutreffend bejaht, sodaß der gegen den Widerrufsbeschluß erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.