JudikaturOGH

14Os74/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juli 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Witold Ko***** und Zbigniew Ku***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Februar 1994, GZ 7 c Vr 7.249/93-88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen Teilfreispruch enthält (B/1 bis 3) - wurden die Angeklagten Witold Ko***** (zu A/I/1 und 2) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, (zu A/I/3) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, (zu A/II und C) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und (zu D) des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB; Zbiegniew Ku***** (zu A/I/1 und 2) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, (zu A/I/3) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, (zu A/II) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, (zu E/1 und 3) des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und § 15 StGB und (zu E/2) des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB schuldig erkannt und zu 2 1/2 Jahren (Ko*****) bzw 3 1/2 Jahren (Ku*****) Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach haben sie in Wien

A

Witold Ko***** und Zbigniew Ku***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

I. Nachgenannte durch gefährliche Drohung zu Handlungen oder Unterlassungen, und zwar

1. am 18.Mai 1993 die Michaela B***** durch die Äußerung, wenn sie jemanden insbesondere von der zu Punkt A/II/1 beschriebenen Tat verständigte, würde sie Dariusz G***** nicht mehr lebend wiedersehen, wobei Ku***** mit einem Klappmesser das Durchschneiden der Kehle andeutete, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Verständigung Dritter, insbesondere der Polizei, zu nötigen versucht;

2. in der Nacht vom 17. auf 18.Mai 1993 die Agnieszka P***** durch die Äußerung, sie würden sie umbringen, wenn sie den Führerschein und den Reisepaß des Ko***** nicht herausgebe, wobei ihr Zbigniew Ku***** ein Messer am Hals anhielt, sohin durch Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe der genannten Urkunden zu nötigen versucht;

3. am 18.Mai 1993 den Dariusz G***** durch die Äußerung, wenn er nicht wahrheitsgemäß bekanntgebe, wo sich Tadeusz K***** aufhalte, werde er etwas erleben, wobei Ku***** ein Klappmesser gegen ihn richtete, mithin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper, zu einer Handlung, nämlich zur Bekanntgabe des Aufenthaltsortes des K***** zu nötigen versucht;

II. Nachgenannte widerrechtlich gefangengehalten, und zwar

1. am 18.Mai 1993 den Dariusz G***** dadurch, daß sie ihn in ihrer Wohnung in W*****, einsperrten;

2. am 17.Mai und 18.Mai 1993 die Edyta S***** und die Danuta T***** dadurch, daß sie sie mehrfach für einen jeweils nicht mehr festzustellenden Zeitraum in ihrer unter A/II/1 näher bezeichneten Wohnung einsperrten;

C

Witold Ko***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem bisher noch nicht ausgeforschten unbekannten Täter ("Marek") in der Nacht vom 17. auf 18.Mai 1993 die Agnieszka P***** dadurch, daß er die Genannte für mehrere Stunden in der Wohnung in W*****, einsperrte, widerrechtlich gefangengehalten;

Witold Ko***** allein am 16.Mai 1993 die Edyta S***** dadurch, daß er sie auf dem Bett festhielt, sie entkleidete und ihre Beine gegen ihren Willen spreizte, sohin mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht;

E

Zbigniew Ku***** allein

1. in der Nacht vom 17. auf 18.Mai 1993 die Agnieszka P***** durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch die Äußerung, daß er sie beim Fenster hinunterwerfen werde, sie mit einer Rasierklinge schneiden oder mit dem Messer stechen werde, zur Vornahme eines Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht und zur Duldung des Beischlafes genötigt;

2. in der Nacht vom 17. auf 18.Mai 1993 die Agnieszka P***** durch gefährliche Drohung und durch Gewalt, indem er die Knöpfe ihrer Bluse mit einem Messer abschnitt und äußerte, er werde sie am ganzen Körper zerschneiden, wenn sie sich nicht ausziehe, und sie in der Folge am Bett festhielt, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich der mehrfachen Einführung eines erhitzten Lockenstabes in ihren After, genötigt, wobei sie durch die Tat in besonderer Weise erniedrigt wurde;

3. am 16.Mai 1993 die Danuta T***** durch mehrfache gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, indem er äußerte, er werde sie zusammenschlagen und anschließend aus dem Fenster werfen, weiters würde ihr noch "Schlimmeres" drohen, falls sie ihm nicht zu Willen sei, zur Duldung des Beischlafes genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde, die Witold Ko***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 (und damit im Zusammenhang der Sache nach auch auf Z 3), Z 5 und 9 lit b; Zbigniew Ku***** auf jene der Z 3, 4 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO stützt. Den Strafausspruch fechten sie mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerden versagen.

Zu § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO

(Ko***** und Ku*****)

Beide Angeklagten machen als Verletzung von Verteidigungsrechten (Z 4) geltend, daß das Erstgericht ihren Anträgen (S 209/II iVm S 63/II) auf Ladung der Zeugen Edyta S*****, Jerzy K*****, Piotr S*****, Andrzej G*****, Dariusz G*****, Michaela B*****, Agnieszka P***** sowie Wladyslaw P***** und auf deren unmittelbare Vernehmung vor dem erkennenden Senat nicht entsprochen (S 209/II), vielmehr ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 252 Abs 1 StPO deren frühere Aussagen verlesen hat (Z 3).

Diesen Einwendungen zuwider wurden alle genannten Zeugen unter ihren aktenkundigen inländischen oder (im Rechtshilfeweg) unter ihren ausländischen Anschriften geladen, doch ist keiner von ihnen zur Hauptverhandlung erschienen. Soweit inländische Ladungsanschriften überhaupt bekannt gewesen waren, waren diese in der Zwischenzeit überholt und die Adressaten entweder wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt oder überhaupt nunmehr unbekannten Aufenthaltes (siehe ON 81/II; ON 85/II; ON 78/II; ON 80/II; ON 83/II; ON 84 und 92 a/II; ON 92/II und ON 52,53/II). Nach der Aktenlage war in keinem Fall ein neuerlicher Ladungsversuch erfolgversprechend. Eine zwangsweise Vorführung von Zeugen aus dem Ausland kam nicht in Betracht (§ 72 Abs 1 ARHG). Demnach konnte ein persönliches Erscheinen der Zeugen wegen ihres entfernten (oder unbekannten) Aufenthaltes füglich nicht bewerkstelligt werden. Die vorgenommenen Verlesungen (S 209 ff/II) waren daher gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO zulässig.

Ergänzend sei noch vermerkt, daß eine Vernehmung im internationalen Rechtshilfeweg in keinem Fall beantragt wurde, und daß es bei den vom Angeklagten Ku***** zitierten Entscheidungen (zu § 252 Abs 1 Z 1 StPO) darum gegangen ist, ob wegen entfernten Aufenthaltes eines Zeugen nicht schon von vornherein ein Ladungsversuch ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben darf.

Zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO

(Ko*****)

Diesem Beschwerdevorbringen zuwider ist der Ausspruch über den Vergewaltigungsversuch des Angeklagten Ko***** an Edyta S***** (Faktum D) keineswegs unvollständig geblieben, denn aus der Aussage der Zeugin (S 90, 91 in ON 8/I) ergibt sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer die Ausführung des Verbrechens nicht freiwillig, sondern deshalb aufgegeben hat, weil eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung nur wegen der besonderen physischen Beschaffenheit des Tatopfers nicht möglich war (US 11).

Mit den Abweichungen in den Aussagen der Zeugin Danuta T***** vor der Polizei (S 93 in ON 8/I) und in der Hauptverhandlung (S 60/II) betreffend die Freiheitsentziehung zum Nachteil des Dariusz G***** (Faktum A/II/1) haben sich die Tatrichter zureichend auseinandergesetzt (US 31). Der diesbezügliche Beschwerdeeinwand stellt einen im gegebenen Rahmen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung dar.

Ähnliches gilt für die vom Schöffensenat angestellten Überlegungen zur Aussage der genannten Zeugin im Zusammenhang mit dem an ihr und ihrer Freundin Edyta S***** begangenen Vergehen der Freiheitsentziehung (A/II/2). Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß ein Festgehaltener unter den vom Erstgericht angenommenen besonderen Zwangsumständen (US 20) eine Fluchtmöglichkeit ungenützt vorübergehen läßt und sich wieder in den Machtbereich des Täters zurückbegibt.

Zu § 281 Abs 1 Z 5 a StPO

(Ku*****)

Nach Überprüfung des Beschwerdevorbringens an Hand der Akten haben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.

Zu § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO

(Ko*****)

Die auf die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (Faktum D) abzielende Rechtsrüge dieses Angeklagten verfehlt ihre gesetzmäßige Darstellung, denn mit der Behauptung, das Erstgericht hätte es unterlassen, nach der Aussage der Zeugin S***** indizierte Feststellungen zur Frage der Freiwilligkeit seiner Abstandnahme von der weiteren Tatausführung zu treffen, setzt sich der Beschwerdeführer über die Urteilsannahme hinweg, daß ihm ein Einführen seines Gliedes in die Scheide des Mädchens - aus den bereits oben erwähnten anatomischen Gegebenenheiten beim Tatopfer (vgl S 91 in ON 8/I) - nicht gelungen ist (US 11).

Somit waren die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über ihre Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Rechtsmittelwerber ist in § 390 a StPO begründet.

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