JudikaturOGH

4Ob59/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Preslmayr Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) R***** Gesellschaft mbH Co KG; 2) R***** Gesellschaft mbH, beide in *****, beide vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung des sich daraus ergebenden Entgelts (Streitwert im Provisorialverfahren: 450.000 S), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 24.März 1994, GZ 1 R 3/94-17, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25.November 1993, GZ 15 Cg 240/93-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin entschieden, daß der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Dem Kostenrekurs der beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben; der erstgerichtliche Kostenausspruch wird dahin abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 40.155,13 S bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens (darin enthalten 6.692,53 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.659 S bestimmten Kosten des Kostenrekurses (darin enthalten 443,16 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 59.893,65 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 9.982,27 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Erzeugung und der Vertrieb von Beleuchtungskörpern; sie ist Inhaberin der zu Nr.3.215 und 6.983 des Österreichischen Patentamtes jeweils mit der Priorität des Anmeldetages 6.2.1992 am 20.9.1992 bzw 20.6.1993 registrierten und jeweils am Tag der Registrierung im Österreichischen Musteranzeiger veröffentlichten Muster für die Klasse 26-05 des Warenverzeichnisses ("Lampe").

Das Muster Nr.3.215 ist durch nachstehende fünf Musterabbildungen (verkleinert) geoffenbart:

Das Muster Nr.6.983 ist durch nachstehende Musterabbildung (verkleinert) geoffenbart:

Die Klägerin erzeugt und vertreibt seit April 1992 unter der Bezeichnung "ANDANTE" eine Serie von Beleuchtungskörpern, deren Kopf den mustergeschützten Lampen entspricht. Seit Juni 1992 wurde für die Leuchtenserie "ANDANTE" von zahlreichen österreichischen Handelsunternehmen geworben, die sie "gelistet", also in ihr Vertriebsprogramm aufgenommen hatten.

Die Erstbeklagte vertreibt Beleuchtungskörper; ihre persönlich haftende Gesellschafterin ist die Zweitbeklagte. Seit Juni 1993 vertreibt die Erstbeklagte in Österreich unter der Bezeichnung "RIO" eine Serie von Beleuchtungskörpern, welche gleichfalls in einigen Baumärkten, zB bei "B*****", "gelistet" ist.

Der Lampenkopf der Serie "RIO" hat nachstehendes Aussehen (verkleinert):

Nebeneinander gestellt ergeben die Lampen der Serien "RIO" und "ANDANTE" folgendes Bild (verkleinert).

Das Aussehen der Muster der Klägerin (und ihrer Lampenserie "ANDANTE") wird durch eine in Messing oder sonstigen Farben gestaltete Metallhalterung bestimmt, welche die Lampenfassung samt Glühbirne umschließt. Die Halterung besteht aus zwei länglichen Bügeln, die von einem Drehteil am Metallgelenk ausgehend bis über die Glühlampe führen und durch insgesamt vier Zierringe verbunden sind. Die beiden länglichen Bügel sind Träger einer Acrylscheibe, welche an den Bügelenden mit zweifarbigen Muttern befestigt ist.

Das Aussehen der Beleuchtungskörper "RIO" der Erstbeklagten wird gleichfalls durch eine messing- oder andersfarbige Metallhalterung bestimmt, welche die Lampenfassung samt Glühbirne umschließt. Auch sie besteht aus zwei länglichen Bügeln, die von einem Drehteil am Metallgelenk ausgehend bis über die Glühbirne führen. Die zwei länglichen Bügel sind Träger einer Acrylscheibe. Den Acrylscheiben beider Lampenserien ist gemeinsam, daß sie in der Mitte etwa über die Breite der Glühbirne offen sind. Während die längsseitigen Bügel bei den Lampen der Klägerin durch vier Zierringe gehalten werden, geschieht dies bei den Lampen der Erstbeklagten mittels einer durchgehenden Metallspirale.

Die L***** s.r.l. mit dem Sitz in N***** hat bereits im Sommer 1991 einen den Lampen der Serie "RIO" entsprechenden Beleuchtungskörper als Muster hergestellt, welcher damals von Interessenten in einem frei zugänglichen Musterraum besichtigt worden ist.

Mit der Behauptung, die Erstbeklagte verletze durch den Vertrieb der verwechselbar ähnlichen Lampenserie "RIO" das ihr als Musterinhaberin zustehende Ausschließungsrecht, sie verstoße aber zugleich auch gegen § 9 Abs 3 UWG, weil die mustergeschützten Lampen aufgrund des extensiven Werbeaufwandes in weiten Teilen der angesprochenen Verkehrskreise als Zeichen eines bestimmten Unternehmens Geltung erlangt hätten, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung den Vertrieb von Beleuchtungskörpern mit einem Design laut Dauerbeilagen P 1 bis P 3 oder von sonstigen Beleuchtungskörpern, die den unter der Bezeichnung "ANDANTE" vertriebenen oder den zu MU 382/92 (= Muster Nr.3215) und MU 347/92 (= Muster Nr.6983) des Österreichischen Patentamtes musterrechtlich geschützten Beleuchtungskörpern verwechselbar ähnlich sind, sowie das Inverkehrbringen von Werbematerial, das der Förderung des Vertriebes solcher Beleuchungskörper dient, zu untersagen und den Beklagten zu gebieten, bereits in Verkehr befindliche Beleuchtungskörper und Werbemittel der genannten Art - soweit dies rechtlich möglich ist - unverzüglich, spätestens innerhalb von 10 Tagen zurückzuholen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie seien keine Lampenproduzenten; die Erstbeklagte beziehe die beanstandete Leuchtenserie "RIO" aus Italien. Diese Lampen seien dem mustergeschützten Vorbild der Klägerin nicht verwechselbar ähnlich, vermittle doch die Spirale der Halterung gegenüber den vier waagrechten Zierringen des Musters einen gänzlich anderen Eindruck. Ein Eingriff in das Musterrecht der Klägerin liege auch dann nicht vor, wenn die verwechselbare Ähnlichkeit bejaht werden sollte, fehle doch den Mustern durch eine vor dem Prioritätstag liegende Veröffentlichung in Italien die Neuheit: Die L***** s.r.l. habe bereits im Sommer 1991 einen der Serie "RIO" entsprechenden Beleuchtungskörper erzeugt, welcher als Muster ausgestellt und von Interessenten in einem frei zugänglichen Musterraum gesehen worden sei. Ein Ausstattungsschutz gemäß § 9 Abs 3 UWG komme für die Leuchtenserie "ANDANTE" der Klägerin schon deshalb nicht in Betracht, weil Unternehmenskennzeichen nur die Ausstattung von Waren, ihrer Verpackung oder Umhüllung sein könne, nicht aber die Ware selbst.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Die Lampen der Beleuchtungsserie "RIO" seien zwar den Mustern der Klägerin verwechselbar ähnlich, die Muster seien aber im Hinblick auf die als bescheinigt angenommene Vorbenützung in Italien mangels Neuheit nichtig. Die "Öffentlichkeit" im Sinne des § 2 Abs 1 MuSchG beschränke sich nicht auf Österreich. Ungeachtet eines (entsprechenden) Aufwandes der Klägerin für die Entwicklung und Placierung der Beleuchungskörper "ANDANTE" liege auch keine Wettbewerbsverletzung vor, stehe einer solchen doch gleichermaßen die Vorbenützung in Italien entgegen.

Das Rekursgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Entgegen der Meinung der Beklagten habe das Erstgericht zutreffend erkannt, daß die beanstandeten Lampen den mustergeschützten Vorbildern der Klägerin verwechselbar ähnlich sind. Hiebei komme es - wie im Wettbewerbsrecht - auf den Gesamteindruck an, den ein Durchschnittsbetrachter in der Eile des Geschäftsverkehrs beim Vergleich mit einem flüchtigen Erinnerungsbild gewinnen könne. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten dagegen, daß § 4 MuSchG den Musterschutz nunmehr ausdrücklich auch auf verwechselbar ähnliche Erzeugnisse erstrecke, könne das Rekursgericht nicht teilen. Da der Gesetzgeber des MuSchG - ebenso wie jener der PatRNov 1984 - von einem absoluten Neuheitsbegriff ausgehe, gelte ein Muster auch dann nicht als "neu" im Sinne des § 2 Abs 1 MuSchG, wenn ein mit seinem Aussehen übereinstimmender oder diesem verwechselbar ähnlicher Gegenstand vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit im Ausland zugänglich gewesen ist. Darunter sei nur zu verstehen, daß eine nicht beschränkte Anzahl von Personen vom Aussehen dieses Gegenstandes Kenntnis erlangt haben oder erlangen konnten; entscheidend sei die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Eine solche habe aber im Sommer 1991 bei der italienischen Lampenherstellerin bestanden, habe doch dort damals die Vorlage für die Lampenserie "RIO" in einem frei zugänglichen Musterraum besichtigt werden können. Infolge dieser Veröffentlichung in Italien fehle demnach den Mustern der Klägerin die Neuheit, so daß die §§ 4, 34 MuSchG als Grundlage für den Unterlassung- und Beseitigungsanspruch nicht mehr in Betracht kämen.

Die Klägerin habe aber ihre Ansprüche auch noch auf einen Verstoß der Erstbeklagten gegen § 9 Abs 3 UWG gestützt und dazu vorgebracht, daß sie durch den Vertrieb der ihren Mustern entsprechenden Beleuchtungskörper der Serie "ANDANTE" in Österreich für ihr Unternehmen Verkehrsgeltung erlangt habe. Da das Vorbild laut Muster nicht das Wesen der Ware (Lampe) selbst betreffe, sondern über bloß funktionelle, notwendige Elemente hinausgehe, könne auch die unterscheidungskräftige körperliche Lampenform selbst bei Verkehrsgeltung zum Unternehmenskennzeichen für die Klägerin geworden sein. Das Erstgericht habe jedoch in der rechtsirrigen Annahme, daß die Vorbenützung in Italien auch einem Unterlassungsanspruch nach § 9 UWG entgegenstehe, jegliche Bescheinigungsannahme zur behaupteten Verkehrsgeltung unterlassen; es werde daher im fortgesetzten Provisorialverfahren die hiefür angebotenen Bescheinigungsmittel aufzunehmen haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Parteien gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes sind berechtigt, weil die Streitsache bereits zur Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des den Sicherungsantrag abweisenden Beschlusses des Erstgerichtes reif ist; das gilt auch für den Rekurs der Klägerin, welchem allerdings insoferne nur ein Formalerfolg beschieden sein kann:

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, daß das Rekursgericht zu Unrecht einen absoluten objektiven Neuheitsbegriff angenommen habe, obwohl die Lehre und Rechtsprechung zum deutschen Geschmacksmustergesetz (GeschmMG) bei vergleichbarer Rechtslage seit der "Rüschenhauben"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 50, 340 = GRUR 1969, 90) einen relativen objektiven Neuheitsbegriff zugrundelege. Danach würde aber die Neuheit der Muster der Klägerin durch die Offenbarung in einer italienischen Kleinstadt nicht beeinträchtigt, sei es doch den inländischen Fachkreisen nicht zumutbar, sich über jede mögliche Neuerung in sämtlichen Kleinstädten Europas und möglicherweise darüber hinaus zu informieren. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Ein Musterschutz kann nach § 1 Abs 2 MuSchG 1990 (ua) nur für "neue" Muster erworben werden. Eine Prüfung auf Neuheit erfolgt jedoch im Anmeldeverfahren nicht (§ 16 Abs 1, Satz 2, MuSchG). Da nunmehr die Gerichte auch über Musterrechtsverletzungen zu entscheiden haben, ist von ihnen die Gültigkeit oder Wirksamkeit des Musterrechtes als Vorfrage zu beurteilen (vgl § 36 MuSchG). Dies gilt insbesondere für die Nichtigkeit eines Musters mangels Neuheit, ordnet doch § 34 MuSchG nur die sinngemäße Anwendung der §§ 147 bis 154 PatG, nicht aber auch diejenige des § 156 Abs 3 PatG an.

Vor Eingehen auf die Frage der Neuheit der Muster der Klägerin ist noch klarzustellen, daß die Vorinstanzen entgegen der Meinung der Beklagten zutreffend die verwechselbare Ähnlichkeit der beanstandeten Lampen der Erstbeklagten mit den Mustern der Klägerin bejaht haben:

Schon die EB zum MuSchG 1990 (abgedruckt in Knittel/Kucsko, MuSchG FN 10 zu § 4 und 10 zu § 2; Loibl/Pruckner, MuSchG, 42 und 34 sowie Rz 10 zu § 2) weisen darauf hin, daß die Regelung des § 4 MuSchG einerseits im Einklang mit der bisherigen Judikatur zum MustG 1970 steht, welche den Begriff der "Nachbildung" (§ 24 MuSchG 1970) im Sinne "verwechselbarer Ähnlichkeit" auslegte (ÖBl 1990, 53 mwN) und daß andererseits damit an § 14 MSchG angeknüpft werden sollte. Maßgeblich ist auch nach dem MuSchG der Gesamteindruck und nicht eine zergliedernde Betrachtung (vgl ÖBl 1990, 53). Danach kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß die Durchschnittsinteressenten, welche die charakteristische Gestaltung der Metalldrahtfassung des Körpers der Muster mit den vier Zierringen und der in der Mitte offenen Acrylscheibe in der Eile des Geschäftsverkehrs mit der Metallspirale der von der Erstbeklagten vertriebenen Lampen und deren Acrylscheibe anhand eines Erinnerungsbildes nur flüchtig vergleichen werden (vgl ÖBl 1992, 224 - Österreich-Auto mwN), die beanstandeten Lampen mit den Mustern verwechseln, ist doch die Spirale schon deshalb auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennbar, weil sowohl deren relativ flacher Beginn als auch der obere Auslauf jeweils den Eindruck zweier nebeneinander liegender Zierringe vermitteln. Wieso aber der Musterschutz gegen verwechselbar ähnliche Gestaltung eines Erzeugnisses verfassungswidrig sein soll, vermag der erkennende Senat nicht zu sehen. Bliebe nämlich der Musterschutz nur auf übereinstimmende Erzeugnisse, also auf völlig identische Nachbildungen des Musters beschränkt, wäre er von vornherein wirkungslos, weil ihn schon die geringste Abweichung zunichte machte. Daher hat schon die Rspr zum MustG 1970 den Schutz auch gegen Erzeugnisse gewahrt, die dem Muster verwechslungsfähig ähnlich sind (EB bei Knittel/Kucsko FN 10 zu § 4). Abgesehen davon, daß Musterrechte und Urheberrechte an ganz verschiedene Voraussetzungen gebunden sind und auch durchaus nebeneinander bestehen können (Knittel/Kucsko aaO FN 4 vor § 1), ist auch der Urheber im Plagiatstreit vor verwechselbar ähnlichen Nachschöpfungen geschützt, bedürfen doch sogar Bearbeitungen seines Werkes der vorherigen Zustimmung (§ 14 Abs 2 UrhG). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, der Anregung der Beklagten, gemäß Art 89 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, die Worte "oder diesem verwechselbar ähnlich sind" in § 4 MuSchG 1990 aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit aufzuheben, auch nur näher zu treten.

Gemäß § 2 Abs 1 MuSchG 1990 gilt ein Muster nicht als neu, wenn es mit dem Aussehen eines Gegenstandes, der der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Musters (hier: der Anmeldetag der Muster gemäß § 19 MuSchG) zugänglich gewesen ist, übereinstimmt oder diesem verwechselbar ähnlich ist und es naheliegt, dieses Aussehen auf die im Warenverzeichnis des Musters enthaltenen Erzeugnisse zu übertragen. Mit dieser Formulierung lehnt sich der Gesetzgeber bewußt an das Vorbild des § 3 Abs 1 PatG idF der PatRNov 1984 an (EB bei Knittel/Kucsko aaO FN 6 zu § 2 und Loibl/Pruckner aaO 33). Daraus wurde gefolgert, daß nicht bloß die "inländische Öffentlichkeit" gemeint ist, sondern das Prinzip der "absoluten objektiven Neuheit". Es komme nicht darauf an, ob das Aussehen der Öffentlichkeit im Inland zugänglich gewesen ist, sondern es genüge, daß der Gegenstand irgendwo auf der Welt der Öffentlichkeit zugänglich war (Kucsko, ÖBl 1986, 35; derselbe in Raffeiner, Patente, Marken, Muster, Märkte (1993) 98; Knittel/Kucsko aaO FN 4 zu § 2; dieselben, GRURInt 1991, 626 f; Loibl/Pruckner aaO Rz 3 zu § 2). Demgegenüber meint F.Prunbauer (in MR 1990, 167), daß die herrschende Ansicht und Praxis in der Bundesrepublik Deutschland, die den objektiven Neuheitsbegriff relativ auslege, "am interessen- und praxisgerechtesten zu sein" scheine: Entscheidend sei die Kenntnis inländischer Fachleute, und ob diese im Zeitpunkt der Anmeldung das Muster neu einstufen.

Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber der PatRNov 1984 im Hinblick auf Art 54 Abs 1 und 2 EPÜ jedenfalls von einem absoluten Neuheitsbegriff ausgegangen ist (vgl die EB, abgedruckt in Schönherr, Patentrecht [ErgBd] 22 Anm a)) und dem Art 54 EPÜ ein objektiv-absoluter Neuheitsbegriff zugrunde liegt (Singer, EPÜ Rz 1, 3 und 5 zu Art 54), demgegenüber aber dem GeschmMG eine dem § 2 MuSchG 1990 entsprechende Regelung überhaupt fehlt, geht die deutsche Lehre und Rechtsprechung seit der "Rüschenhauben"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 50, 340 = GRUR 1969, 90) von einem relativen objektiven Neuheitsbegriff aus: Die Offenbarung mag zwar wo immer, also auch im Ausland, erfolgt sein, entscheidend ist, daß sie den einschlägigen inländischen Fachkreisen (berufsmäßigen Mustergestaltern, daneben aber auch den Herstellern und Händlern, von denen ein Überblick über den vorbekannten Formenschatz erwartet werden darf: Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG Rz 16 zu § 1; von Gamm, GeschmMG2 Rz 50 f zu § 1), bekannt war oder bei zumutbarer Betrachtung bekannt sein konnte (Eichmann/von Falckenstein aaO; von Gamm aaO; Furler, GeschmMG4 Rz 23 zu § 1).

Die Frage muß aber hier nicht abschließend entschieden werden, sind doch die Muster der Klägerin auch bei Anwendung des relativ-objektiven Neuheitsbegriffes von der als bescheinigt angenommenen prioritätsälteren Offenbarung in Italien neuheitsschädlich betroffen: Die Darbietung von gewerblichen Erzeugnissen in einem für Interessenten frei zugänglichen Musterraum des Produzenten ist jedenfalls der Öffentlichkeit zugänglich. Entgegen der Meinung der Klägerin ist es auch den einschlägigen inländischen Fachkreisen durchaus zumutbar, daß sie zumindest die einschlägige Produktpalette der Konkurrenz in den unmittelbar angrenzenden Nachbarländern im Auge behalten; im besonderen muß dies für den oberitalienischen Raum gelten, kommt diesem doch auf dem Gebiet des Produktdesigns im allgemeinen, im speziellen auch beim Design von Beleuchtungskörpern, eine bedeutende Stellung zu.

Da die im Sommer 1991 in einem für Interessenten frei zugänglichen Musterraum zu besichtigende, dem Aussehen der Muster der Klägerin verwechselbar ähnliche Lampe bereits ein dem Warenverzeichnis der Muster entsprechendes Erzeugnis betraf, sind nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 MuSchG 1990 jedenfalls erfüllt. Die Muster der Klägerin gelten demnach nicht als neu, weshalb im Provisorialverfahren nicht von der Gültigkeit oder Wirksamkeit ihrer Musterrechte ausgegangen werden kann. Ihr Rekurs ist im Ergebnis nur deshalb berechtigt, weil sich die Streitsache im Sinne der Rechtsmittelausführungen der Beklagten bereits als entscheidungsreif erweist.

Die Beklagten wenden sich nämlich gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes im wesentlichen mit der hier aus folgenden Gründen zutreffenden Begründung, daß die Ware selbst niemals Unternehmenskennzeichen werden und damit auch keinen Ausstattungsschutz im Sinne des § 9 Abs 3 UWG genießen könne:

§ 9 Abs 3 UWG gewährt unter der Voraussetzung der Verkehrsgeltung auch "Ausstattungen von Waren, ihrer Verpackung oder Umhüllung" den Schutz als Unternehmenskennzeichen. Unter "Ausstattung von Waren" versteht man die eigenartige äußere Form oder Aufmachung, in der ein Unternehmer seine Waren in den Verkehr bringt oder für sie wirbt, um sie von gleichen oder gleichartigen Erzeugnissen anderen Ursprungs zu unterscheiden (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 151). Daraus wurde gefolgert, daß die Ausstattung - wie die Marke - etwas vom Wesen der Ware verschiedenes ausmachen muß (Friedl, Der gesetzliche Schutz von Werbemaßnahmen und Werbemitteln nach österreichischem Recht, ÖBl 1965, 55 ff [57]; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 144; Baumbach-Hefermehl, WZG12 Rz 5 ff zu § 25; ÖBl 1961, 11). "Zeichen" in diesem Sinne könne somit schon begrifflich nur etwas sein, was an der Ware (oder ihrer Umhüllung, Verpackung odgl) sinnlich wahrnehmbar ist und für sich genommen keine funktionelle Bedeutung hat, so daß Elemente, die den Gebrauchs- oder Verkehrswert der Ware bestimmen, von vornherein nicht die Funktion eines unterscheidenden "Unternehmenskennzeichens" im Sinne des § 9 Abs 3 UWG haben können (Koppensteiner aaO; ÖBl 1988, 41 - Easy Rider): Zur Schutzfähigkeit körperlicher Marken, die in der Form der Ware bestehen (ÖBl 1980, 38 - Profilstein mwN; ÖBl 1987, 63 - Komfortverschluß mwN). Was zum Wesen der Ware selbst gehört, also bloß deren Bestandteil, nicht aber eine willkürliche Zutat und damit ein unterscheidendes Kennzeichen ist, kann als Ausstattung nicht geschützt werden (Friedl aaO; s aber ÖBl 1983, 70 - Spielkarten).

Die bestimmte Form einer Ware kann demnach die Funktion eines unterscheidenden "Unternehmenskennzeichens" im Sinne des § 9 Abs 3 UWG jedenfalls dann nicht erfüllen, wenn ihr ausschließlich oder doch überwiegend rein technisch-funktionelle Bedeutung zukommt (Friedl aaO; ÖBl 1980, 38 - Profilstein mwN; ÖBl 1988, 41 - Easy Rider mwN), was auch auf eine sich zwangsläufig aus dem Produktionsablauf ergebende zweckmäßigste Form der Ware zutrifft (Friedl aaO; SZ 49/65- Schwedenbomben).

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht entgegen der Meinung der Beklagten zutreffend erkannt, daß die Formgebung der Lampenserie "ANDANTE" der Klägerin keineswegs ausschließlich oder doch überwiegend rein technisch-funktionell bedingt ist. Vielmehr überwiegen bei der Formgebung des Metalldrahtkorbes und der Acrylscheibe ästhetische Gesichtspunkte, welche für die Eigenart des Aussehens der Lampen bestimmend sind. Beleuchtungskörper gehören aber auch zu denjenigen Waren, deren Formgebung in erster Linie den Geschmack des Publikums anspricht und deshalb auch wechselnden "Moden" unterliegt. Die Eigenart eines Beleuchtungskörpers und damit auch sein Wert, werden in aller Regel durch das Aussehen ("Design"), also von ästhetischen Elementen bestimmt, welche daher das Wesen der Ware "Lampe" oder "Leuchte" prägen. Derartige ästhetische Formelemente einer Ware, die nicht weggedacht werden können, ohne daß sich auch das Wesen (die Eigenart) der Ware ändert, sind aber nicht ausstattungsfähig, machen sie doch für den Verkehr gerade das Wesen der Ware oder ihren Wert aus, weshalb sie nicht den Charakter eines "Zeichens" haben können (Koppensteiner aaO 145; Baumbach-Hefermehl aaO Rz 28, 30 zu § 25 s aber ÖBl 1983, 70 - Spielkarten). Würde man bei Waren, deren Wert sich gerade durch die vom Geschmack der Interessenten abhängige ästhetische Formgebung bestimmt, auch diesem charakteristischen, das Wesen der Ware prägenden Design die Eignung zusprechen, als unterscheidendes Unternehmenskennzeichen für die betriebliche Herkunft der Ware dienen zu können, wäre der Musterschutz für derartige Waren überflüssig; er könnte zudem über die maximale Schutzdauer von 15 Jahren hinaus im Wege des § 9 Abs 3 UWG perpetuiert werden. Ästhetische Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, sind demnach nur urheber- und musterrechtlich schützbar (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 29 zu § 25).

Im vorliegenden Fall ist die konkrete Formgebung der Lampenserie "ANDANTE" der Klägerin von der Ware selbst begrifflich nicht trennbar; sie wird vom Verkehr als zum Wesen der Ware gehörend aufgefaßt und kann demnach die Funktion eines unterscheidenden "Unternehmenskennzeichens" im Sinne des § 9 Abs 3 UWG nicht erfüllen. Es kommt daher auf die vom Rekursgericht als wesentlich erachteten fehlenden Bescheinigungsannahmen zur behaupteten Verkehrsgeltung nicht mehr an; vielmehr ist der Sicherungsantrag der Klägerin im Sinne einer Abweisung entscheidungsreif.

Über die Rekurse war demnach in der Sache selbst zu erkennen, weil die Streitsache zur Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des den Sicherungsantrag abweisenden erstgerichtlichen Beschlusses reif ist; darin liegt in bezug auf den Rekurs der Klägerin auch kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Fasching, ZPR2 Rz 1823).

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO und §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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