10ObS144/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Erich Deutsch und Dr. Robert Prohaska (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarete L*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kinderzuschuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. März 1994, GZ 13 Rs 26/94-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. November 1993, GZ 14 Cgs 212/93s-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Ehemann der Klägerin bezieht seit 1.2.1988 eine Erwerbsunfähigkeitspension, die Klägerin bezieht seit 1.7.1990 eine vorzeitige Alterspension von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Zu diesen Pensionen erhielten sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann für den am 17.10.1972 geborenen Sohn Reinhard je einen Kinderzuschuß. Der Sohn maturierte im Juli 1992 und absolvierte in der Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 31. Juli 1993 den Zivildienst. Für diesen Zeitraum erhielt die Klägerin weder Kinderbeihilfe noch Kinderzuschuß. Ab Oktober 1993 studierte der Sohn an der Universität Graz Medizin.
Mit Bescheid vom 27.11.1992 hatte die Beklagte ausgesprochen, daß der Kinderzuschuß für den Sohn Reinhard zur Pension der Klägerin mit Ablauf des Kalendermonates Oktober 1992 wegfalle. Als Rechtsgrundlage wurden die §§ 60 Abs 2, 119 Abs 2 Z 1 und 135 BSVG angeführt. Zur Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß der Sohn die Schul- bzw. Berufsausbildung wegen Erfüllung der Wehr(Zivildienst)pflicht unterbrochen habe, so daß der Kinderzuschuß wegfalle. Der Klägerin wurde die Mitteilung erstattet, daß nach Erfüllung der Wehr(Zivildienst)pflicht die Möglichkeit bestehe, einen neuerlichen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses wegen Ausbildung zu stellen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Am 13.7.1993 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weitergewährung des Kinderzuschusses für ihren Sohn. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6.9.1993 mit der Begründung ab, daß der Kinderzuschuß bereits zur Pension des Ehemannes der Klägerin ausbezahlt werde und für die Dauer dieses Anspruchs für ein und dasselbe Kind kein weiterer Kinderzuschuß gebühre.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Klage mit dem Antrag, den Kinderzuschuß in gesetzlicher Höhe auch ab 1.8.1993 zu zahlen. Nach der Übergangsbestimmung des § 247 Abs 11 BSVG gelte die Neuregelung, daß der Kinderzuschuß für dasselbe Kind nur einmal gebühre, nur für die nach dem 30.6.1993 angefallene Leistungen. Da der Kinderzuschuß in ihrem Fall bereits am 1.7.1990 angefallen sei, gebühre ihr daher der Kinderzuschuß für ihren Sohn nach Absolvierung des Zivildienstes in der Zeit vom 1.10.1992 bis 31.7.1993 weiter, da der Sohn jetzt Medizin studiere.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Anspruch auf Kinderzuschuß sei durch Verlust der Kindeseigenschaft infolge Absolvierung des Zivildienstes weggefallen und wäre erst wieder ab 1.8.1993 angefallen. Da jedoch bereits der Ehemann der Klägerin den Kinderzuschuß beziehe, habe sie nach der ab 1.7.1993 geltenden Fassung des § 135 BSVG keinen Anspruch.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Da die Klägerin den Kinderzuschuß bereits ab 1.7.1990 erhalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß er erst mit 1.8.1993 angefallen sei. Die Kindeseigenschaft ihres Sohnes sei für die Dauer des Zivildienstes nur unterbrochen gewesen und habe nach Absolvierung des Zivildienstes wieder aufgelebt. Es sei daher § 135 BSVG idF vor der 18. Novelle anzuwenden, so daß neben dem Ehemann der Klägerin auch ihr selbst der Kinderzuschuß gebühre.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der beklagten Partei im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 27.11.1992 die Pension der Klägerin mit Ablauf des Monats Oktober 1992 um den Kinderzuschuß herabgesetzt, weil der Sohn die Schul- bzw. Berufsausbildung wegen Erfüllung der Zivildienstpflicht unterbrochen habe. Schon im Bescheid sei mitgeteilt worden, daß nach Erfüllung der Zivildienstpflicht die Möglichkeit bestehe, einen neuerlichen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses wegen Ausbildung zu stellen. Dies entspreche § 135 Abs 1 BSVG sowohl in der Fassung vor als auch nach der 18. BSVG-Novelle, wonach der Kinderzuschuß über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus nur auf Antrag gewährt werde. Nach § 247 Abs 1 Z 6 BSVG sei § 135 BSVG idF BGBl. 1993/337 mit 1. Juli 1993 in Kraft getreten. Nach § 247 Abs 10 BSVG (idF der 18. Nov) bleibe ein am 30.6.1993 bestandener Anspruch auf Kinderzuschuß gemäß § 135 BSVG in der am 30.6.1993 geltenden Fassung auch über diesen Zeitpunkt hinaus so lange weiter bestehen, als die Voraussetzungen für den Anspruch nach der am 30.6.1993 geltenden Rechtslage gegeben sei. Die bis 30.6.1993 den Kinderzuschuß betreffenden Bestimmungen seien dabei weiter anzuwenden. Nach § 247 Abs 11 BSVG sei § 135 BSVG idF der 18. Novelle nur auf Leistungen anzuwenden, die nach dem 30.6.1993 anfallen. Da die Klägerin an diesem Tag keinen Anspruch auf Kinderzuschuß für ihren Sohn gehabt habe, sei auf den von ihr am 13.7.1993 gestellten Antrag § 135 BSVG idF der 18.Novelle anzuwenden. Danach habe sie aber keinen Anspruch auf Kinderzuschuß, weil für ein und dasselbe Kind Kinderzuschuß nur einmal gebühre und dieser Kinderzuschuß bereits vom Ehemann bezogen werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kinderzuschuß (§ 262 ASVG, § 144 GSVG, § 135 BSVG) wurde durch das SRÄG 1993 (51. ASVGNov), die 19. GSVGNov und die 18. BSVGNov grundlegend geändert. Bis zum 1. Juli 1993 war dieser Zuschuß von der Bemessungsgrundlage abhängig und betrug zwischen 289 S und 650 S (Werte für 1993). Seit 1. Juli 1993 ist der Kinderzuschuß der einzige Zuschuß zur Pension, da der Hilflosenzuschuß durch das ebenfalls ab 1. Juli 1993 geltende BPGG abgeschafft und durch das Pflegegeld ersetzt worden (Teschner/Widlar, ASVG MGA 56. ErgLfg 1358 Anm 1 zu § 262). Die Materialien (932 BlgNR 18. GP 48) führen dazu aus: "Mit 1. Jänner 1993 tritt im Bereich des Steuerrechtes das neue Familienpaket in Kraft, das gestaffelt für jedes Kind, beginnend mit 350 S für das erste Kind, einen Zuschlag zur Familienbeihilfe vorsieht. Im Hinblick auf diese Verbesserung zugunsten der Familie erscheint die Aufrechterhaltung des vergleichbaren Kinderzuschusses in der Pensionsversicherung in voller Höhe nicht mehr gerechtfertigt. Der Kinderzuschuß soll in Hinkunft einheitlich 300 S betragen und für ein und dasselbe Kind nur einmal gewährt werden. In den Fällen, in denen am 30. Juni 1993 ein Anspruch auf Kinderzuschuß zu einer Pension besteht, bleibt dieser Anspruch weiterhin bestehen, solange die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben sind."
Richtig ist, daß der Begriff "Kinder" im § 119 BSVG definiert ist, der auch bei der den Kinderzuschuß betreffenden Bestimmung des § 135 BSVG Berücksichtigung findet. Die Kindeseigenschaft besteht auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes, solange sich das Kind in einer Schul- und Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Die Klägerin vertritt dazu die Rechtsauffassung, daß die Kindeseigenschaft während der üblichen Unterbrechungen (Schul-, Semesterferien) aufrecht bleibe, was auch für die Ableistung des Präsenz- bzw. Zivildienstes gelte. Daraus folge, daß die Kindeseigenschaft während der Ableistung des Zivildienstes nicht verlorengehe, sondern ruhe. Aus diesen Gründen habe der Anspruch auf Kinderzuschuß bereits am 30.6.1993 bestanden, weshalb im Sinne der mehrfach zitierten Übergangsbestimmung § 135 BSVG in der alten Fassung Anwendung finde. Der Wille des Gesetzgebers könne nicht darin bestehen, daß der Sohn durch die Ableistung des Zivildienstes einen Nachteil erleide. Im übrigen werde auf die Bestimmungen des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes verwiesen, wonach Wehr- und Zivildienstpflichtigen arbeits- und sozialrechtlicher Schutz nach Beendigung ihrer Wehr- bzw. Zivildienstpflicht eingeräumt werde.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Ob die Kindeseigenschaft während der üblichen Unterbrechungen des Schul- oder Studienjahres durch Schul- oder Semesterferien aufrecht bleibe (vgl SSV-NR 5/64), braucht hier nicht beantwortet zu werden. Die Klägerin übersieht die Tatsache, daß sie am 30. Juni 1993 als dem nach der 18. BSVG-Novelle maßgeblichen Stichtag jedenfalls keinen Anspruch auf Kinderzuschuß hatte, weil ihr dieser mit rechtskräftigem Bescheid der Beklagten vom 27.11.1992 wegen Unterbrechung der Schul- bzw. Berufsausbildung entzogen worden war. Wurde aber diese Leistung mit rechtskräftigem Bescheid entzogen, dann verbietet sich eine Annahme dahin, daß die Klägerin dennoch Anspruch auf diese Leistung gehabt hätte (vgl auch Teschner/Widlar aaO 1359 Anm 6 zu § 262). Wäre umgekehrt die Kindeseigenschaft während des Zivildienstes tatsächlich aufrecht geblieben, dann hätte ja die Klägerin auch während dieser Zeit Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt. Mit Beendigung des Zivildienstes lebte der Kinderzuschuß nicht wieder auf, sondern die Klägerin hatte, wie sich dies auch der dem Bescheid angeschlossenen Mitteilung ergibt, einen neuerlichen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschusses wegen (Fortsetzung der) Ausbildung zu stellen. Diesen Antrag stellte sie am 13.7.1993, also nach dem genannten Stichtag der 18. BSVG-Novelle. Wurde zu einer Pension bereits ein Kinderzuschuß gewährt, der vor dem 1. Juli 1993 weggefallen ist, sind auch im Falle einer späteren neuerlichen Gewährung nach dem 30. Juni 1993 die geänderten Rechtsvorschriften anzuwenden. Aus diesem Grund erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes als zutreffend, während die Revisionsausführungen nicht zu überzeugen vermögen. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Ausführungen von Radner/Steingruber/Windhager/Engl, BSVG2 7.Lfg. § 119 Anm. 11 stützen: Dort wird lediglich die Auffassung vertreten, daß die Kindeseigenschaft während der üblichen Unterbrechungen (Schul-, Semesterferien, Urlaub) nicht verloren gehe. Da es sich beim Kinderzuschuß um eine dem Pensionisten gebührende Leistung handelt, geht auch das Argument fehl, daß der Sohn durch die Ableistung des Zivildienstes keinen Nachteil erleiden solle. Die Bestimmungen des APSG, insbes. dessen § 4, wonach das Arbeitsverhältnis durch die Einberufung (Zuweisung) zum Präsenz(Zivil)dienst unberührt bleibt und während der Zeit des Präsenz(Zivil)dienstes die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ruhen, sind auf den hier strittigen Anspruch weder unmittelbar noch analg anwendbar.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.