4Ob40/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "L*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 60.000, gemäß § 7 RATG S 300.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 17.August 1992, GZ 6 R 160/92-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 15.Juni 1992, GZ 5 Cg 186/92-4, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.247,20 (darin enthalten S 2.041,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt in zahlreichen Filialen in ganz Österreich ua den Handel mit Schallplatten und CDs. Die Beklagte betreibt in mehreren Standorten in Österreich den Handel mit Geräten der Unterhaltungselektronik und ebenfalls mit Schallplatten und CDs.
Am 15.5.1992 warb die Beklagte in einem Zeitungsinserat neben verschiedenen Geräten auch für CDs mit den Titeln "25 Years of Rock" und "Media's digitaler Soundcheck" mit dem graphisch besonders hervorgehobenen Preis von S 69 sowie für CDs mit den Titeln "Sisters of Mercy", "ABBA" und "Your Sexy Thing" mit dem graphisch besonders hervorgehobenen Preis von S 99. Zwischen den Abbildungen der CDs der verschiedenen Preisgruppen war folgende Information abgedruckt.
"ab 3 Stück pro Titel + 40 %
ab 10 Stück pro Titel + 50 %
ab 15 Stück pro Titel + 60 %
ab 20 Stück pro Titel + 70 %"
Zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, die Abgabe von CDs je Käufer mengenmäßig zu beschränken oder die Preise für CDs in der Weise zu staffeln, daß beim Kauf einer größeren Anzahl der gleichen CD ein höherer Stückpreis zu zahlen ist;
in eventu, die Preise für CDs in der Weise zu staffeln, daß beim Kauf einer größeren Anzahl der gleichen CD ein höherer Stückpreis zu zahlen ist.
Die Beklagte kündige durch diese Vorgangsweise eine unzulässige mengenmäßige Beschränkung im Sinne des § 9 b UWG an; zumindest aber wolle sie damit das Verbot des § 9 b UWG umgehen. Sie verstoße damit insbesondere gegen § 9 b UWG oder § 1 UWG.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Andere als mengenmäßige Beschränkungen würden von § 9 b UWG nicht erfaßt. Die im Gesetz genannte Beschränkung habe die Beklagte mit ihrem Inserat vom 15.5.1992 nicht angekündigt. Damit entfalle auch der wegen einer Umgehung dieser Bestimmung erhobene Sittenwidrigkeitsvorwurf.
Das Erstgericht wies das Sicherungshauptbegehren ab, erließ jedoch eine einstweilige Verfügung im Sinne des Eventualantrages. Die Beklagte verstoße gegen § 9 b Z 1 und 2 UWG. Einerseits beschränke sie durch ihre Ankündigung den Verkauf um den angegebenen günstigen Preis auf zwei Stück, andererseits erwecke sie auch den Anschein eines besonders günstigen Angebotes, beschränke dieses dann aber tatsächlich mengenmäßig auf zwei Stück je Käufer. Sollte aber mit der angekündigten Preisstaffelung keine mengenmäßige Beschränkung verbunden sein, dann verstoße das Verhalten der Beklagten gegen § 1 UWG, weil damit der gleiche Effekt erzielt werde wie mit einer mengenmäßigen Beschränkung. Das Hauptbegehren sei jedoch zu weit gefaßt, weil keine mengenmäßige Beschränkung je Käufer vorgenommen werde; daher könne eine einstweilige Verfügung nur im Sinne des Eventualantrages erlassen werden.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 9 b Z 1 UWG richte sich nur gegen die öffentliche Werbung mit einer mengenmäßigen Abgabebeschränkung; § 9 b Z 2 UWG diene dagegen - entgegen der Auffassung, daß damit in verfassungskonformer Weise ein Ersatz für § 3 a NVG geschaffen worden sei - dem Schutz des umworbenen Käufers gegen die Gefahr einer besondern Irreführung. Mit ihrer Werbeeinschaltung habe die Beklagte zwar den Anschein eines besonders günstigen Angebotes hervorgerufen; wenn sie dann aber beim Kauf einer größeren Anzahl desselben Titels prozentuelle Aufschläge vornehme, sei damit keine Irreführung verbunden, weil die Beschränkung der Abgabe zu dem besonders günstigen Preis der Erwartungshaltung von Käufern im Einzelhandel entspreche. Eine Irreführung scheide aber schon deshalb aus, weil die Beklagte schon in ihrer Werbeankündigung auf diese Beschränkung hingewiesen habe. Ein Verstoß gegen § 9 b Z 2 UWG sei somit nicht gegeben. Die Werbeankündigung verstoße aber auch nicht gegen § 9 b Z 1 UWG, weil mit einer grundsätzlichen Beschränkung der Abgabemengen nicht geworben worden sei. Ein Verstoß gegen die guten Sitten komme im Hinblick darauf, daß das Verhalten der Beklagten nicht den Grundwertungen des § 9 b UWG zuwiderlaufe, nicht in Betracht.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Mit Beschluß vom 9.3.1993, 4 Ob 102/92, hat der erkennende Senat beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 9 b UWG als verfassungswidrig aufzuheben und ausgesprochen, daß mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten wird. Mit dem auch diese Anfechtung betreffenden Erkenntnis G 67/93-17 ua vom 5.3.1994 hat der Verfassungsgerichtshof § 9 b UWG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß diese Aufhebung mit Ablauf des 31.12.1994 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG sind die Gerichte an einen solchen Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden; auf den Anlaßfall ist das aufgehobene Gesetz auch dann nicht mehr anzuwenden, wenn der Verfassungsgerichtshof eine Frist für dessen Außerkrafttreten gesetzt hat.
Auf § 9 b UWG kann daher der behauptete Wettbewebsverstoß nicht mehr gestützt werden. Aber auch ein - aus den Grundwertungen dieser Bestimmung abgeleiteter - Verstoß gegen § 1 UWG kommt nicht mehr in Frage. § 1 UWG ist im Verhältnis zu den Sondertatbeständen des UWG nur dann subsidiär anzuwenden, wenn ein gesetzliches Merkmal eines solchen Sondertatbestandes fehlt (JBl 1936, 280 uva) und anstelle des fehlenden Tatbestandsmerkmals ein anderer Umstand tritt, der die Sittenwidrigkeit begründet (ÖBl 1975, 65 ua). Bei Umgehungshandlungen, die zwar nicht formal eine andere wettbewerbsregelnde Norm verletzen, kommt § 1 UWG nur dann in Frage, wenn sie in ihrer Wirkung einem solchen Verstoß gleichkommen (ÖBl 1979, 66 ua).
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.