JudikaturOGH

9ObA19/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Andreas W*****, Arbeiter, ***** 2. Maria R*****, Arbeiterin, ***** 3. Norbert K*****, Arbeiter, ***** 4. Barbara V*****, Arbeiterin, ***** alle vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 3.444,50 S sA (Revisionsstreitwert 2.761,60 S), infolge Revision der zweit- bis viertklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Oktober 1993, GZ 13 Ra 40/93-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.März 1993, GZ 17 Cga 163/92m-6, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweit- bis viertklagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.084,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 347,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar die Zweitklägerin 354,34 S, der Drittkläger 1.271,46 S und die Viertklägerin 458,56 S.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Frühjahr 1992 waren die Kläger Mitglieder des Betriebsrates der beklagten Partei; der Erstkläger war Vorsitzender, die Zweitklägerin seine Stellvertreterin. Die Kollektivvertragsverhandlungen für die holzverarbeitende Industrie gestalteten sich damals äußerst schwierig. Die Gewerkschaft Bau-Holz berief für den 16.April 1992 in Brunn am Gebirge eine Betriebsrätekonferenz ein, zu der Betriebsräte aus ganz Österreich eingeladen wurden. Da der Erstkläger krank war, delegierte er zu dieser Betriebsrätekonferenz die Zweitklägerin und den Drittkläger. Nur die Zweitklägerin erhielt für die Teilnahme an dieser Betriebsrätekonferenz von der beklagten Partei Entgeltfortzahlung. Bei dieser Betriebsrätekonferenz wurde über das Anbot der Arbeitgeberseite berichtet, insbesondere über die vorgeschlagene Erhöhung der Ist- und Mindestlöhne sowie eine neue flexible Arbeitszeitregelung. Kurz danach zog die Arbeitgeberseite ihr Anbot zurück und präsentierte ein für die Arbeitnehmerseite ungünstigeres Anbot, das wieder Lohnerhöhungen und eine flexible Arbeitszeitregelung vorsah. Daraufhin berief die Gewerkschaft Bau-Holz für den 30.April 1992 neuerlich eine Betriebsrätekonferenz nach Hallein ein. Die Sache war dringend, weil die Lohnregelungen nach dem damals geltenden Kollektivvertrag auf ein Jahr befristet waren und ab 1.Mai 1992 ein vertragsloser Zustand drohte. Im Betrieb der beklagten Partei erhielt etwa ein Fünftel der Arbeitnehmer nur den kollektivvertraglichen Mindestlohn. An der Betriebsrätekonferenz vom 30.April 1992 nahmen für den Arbeiterbetriebsrat der beklagten Partei alle vier Kläger teil. In dieser Konferenz wurde das neue, schlechtere Arbeitgeber-Anbot mitgeteilt und erörtert; dabei wurde auch die innerbetriebliche Durchführbarkeit des von der Arbeitgeberseite vorgeschlagenen Arbeitszeitmodells besprochen. Die Kläger stellten dabei fest, daß bei Anwendung des vorgeschlagenen Arbeitszeitmodells die Lohnverrechnung für den Betriebsrat nicht mehr durchschaubar sei; aus betrieblicher Sicht sei das Anbot daher nicht annehmbar. In der Betriebsrätekonfernz wurde beschlossen, das Anbot der Arbeitgeberseite nicht anzunehmen und, wenn bis kommenden Freitag keine anderen Verhandlungsergebnisse vorlägen, erste Maßnahmen zu setzen.

Die klagenden Parteien begehren die Entgeltfortzahlung für die am 30. April 1992, der Drittkläger darüber hinaus auch für die am 16. April 1992 entfallene Arbeitszeit. Sie hätten in ihrer Funktion als Betriebsratsmitglieder an diesen Konferenzen teilgenommen. Die beklagte Partei habe sie zwar dafür freigestellt, ihnen aber den Lohn nicht weiter gezahlt. Es sei in beiden Betriebsrätekonferenzen um die ins Stocken geratenen Kollektivvertragsverhandlungen gegangen. Es seien daraufhin in den Betrieben Betriebsversammlungen abgehalten worden. Zur Vorbereitung dieser Betriebsversammlungen sei die Betriebsrätekonferenz abgehalten worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Betriebsrätekonferenzen hätten nicht unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener und in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Betriebsrates fallender Angelegenheiten gedient. Bei diesen Konferenzen sei über den Stand der Kollektivvertragsverhandlungen berichtet und seien weitere Maßnahmen der Gewerkschaft erörtert worden.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren aller Kläger statt. Es reiche nicht aus, daß der Betriebsrat die Belegschaft erst über vollendete Tatsachen, etwa einen bereits erfolgten Kollektivvertragsabschluß informiere. Da die Information bei den beiden Betriebsrätekonferenzen über Ist- und Mindestlohnveränderungen, vertragslosen Zustand und das von der Arbeitgeberseite gewünschte Arbeitszeitmodell für den Betrieb der beklagten Partei von großer Bedeutung gewesen sei, sei schon infolge des legitimen Informationsinteresses über die bevorstehenden Verhandlungen die Teilnahme der Kläger an den Betriebsrätekonferenzen berechtigt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil lediglich, soweit dem Begehren des Erstklägers stattgegeben wurde, änderte es im übrigen im Sinne einer Abweisung der Begehren der Zweitklägerin, des Drittklägers und der Viertklägerin ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision bezüglich jeder klagenden Partei zulässig sei. Nach § 38 ArbVG hätten die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern. Nach § 39 Abs 2 ArbVG sollten sie im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer vorgehen und könnten nach § 39 Abs 4 ArbVG zu ihrer Beratung in allen Angelegenheiten die zuständige freiwillige Berufsvereinigung oder gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer beiziehen. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an der Betriebsrätekonferenz im Zuge von Kollektivvertragsverhandlungen müsse daher dann als zur Erfüllung seiner Obliegenheiten erforderlich angesehen werden, wenn dabei - wie im vorliegenden Fall - die Auswirkungen einer von der Arbeitgeberseite vorgeschlagenen flexibleren Arbeitszeitregelung auf die einzelnen Betriebe erörtert und beraten werde. Es sei daher die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an den beiden Betriebsrätekonferenzen zur Erfüllung der Obliegenheiten des Betriebsrates erforderlich gewesen. Daraus sei aber nicht zu folgern, daß allen Betriebsratsmitgliedern bezahlte Freizeit für diese Angelegenheit gebühre. Gehe es um betriebsbezogene Informationen, die bei einer Konferenz mitgeteilt oder empfangen würden, sei nur die Teilnahme eines vom Betriebsrat zu bestimmenden Mitgliedes erforderlich. Die Teilnahme weiterer Betriebsratsmitglieder müsse allenfalls ohne Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber aus Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitteln ermöglicht werden. Die vom erkrankten Erstkläger (Betriebsratsvorsitzenden) delegierte Zweitklägerin habe für die Teilnahme an der Betiebsrätekonferenz vom 16. April 1992 ohnehin Entgeltfortzahlung erhalten. Für die Teilnahme an der Betriebsrätekonferenz vom 30.April 1992 gebühre nur dem Erstkläger Entgeltfortzahlung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der zweit- bis viertklagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils bezüglich der zweit- bis viertklagenden Parteien abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gegenständlichen Betriebsrätekonferenzen dienten nicht unmittelbar der Erörterung betriebsbezogener Angelegenheiten, sondern dazu, der veranstaltenden Gewerkschaft Basisinformationen für ihr weiteres Verhalten bei den nicht nur den Betrieb der beklagten Partei betreffenden Kollektivvertragsverhandlungen zu verschaffen. Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen Arb 9535 = SZ 49/122 = JBl 1977,548 = EvBl 1977/85 = ZAS 1977/26 (zust Schön) sowie SZ 60/193 = RdW 1988,98 ausgesprochen hat, gehört es nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrates, die Interessenvertretung vor Abschluß von Kollektivverträgen zu beraten, auch wenn der Kollektivvertrag (naturgemäß) Auswirkungen auf den betreffenden Betrieb hat. Auch in der Entscheidung RdW 1989, 312 = DRdA 1991/11 (krit B.Schwarz) ist der Oberste Gerichtshof von diesem Verständnis des gesetzlichen Aufgabenbereiches des Betriebsrates ausgegangen. Soweit B.Schwarz gegen diese Entscheidungen argumentiert, damit werde den Betriebsratsmitgliedern die Teilnahme an den den Kollektivvertrag vorbereitenden und aufbereitenden gewerkschaftlichen Veranstaltungen verboten, läßt er außer acht, daß es den Betriebsratsmitgliedern unbenommen bleibt, für diese Aktivitäten nicht vom Arbeitgeber, sondern allenfalls aus Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitteln bezahlte Freizeit in Anspruch nehmen, wie er dies für die auch von ihm nicht als erforderlich erachtete Teilnahme weiterer Betriebsratsmitglieder an einer derartigen Veranstaltung darlegt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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