6Ob565/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache zur Entscheidung über die Zulässigkeit einer Unterbringung des Patienten Raimund W*****, in der ***** Landesnervenklinik G*****, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Patientenanwältin Mag Monika A*****, p.A. Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, ***** gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 27. Januar 1994, GZ Ub 34/94-10, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22.Februar 1994, AZ 44 R 139/94(ON 15), den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung:
Der durch seinen behandelnden Arzt in die Nervenklinik eingewiesene Patient wurde dort nach Attestierung der Unterbringungsvoraussetzungen gemäß § 6 UbG aufgenommen, wird aber nach der dem Gericht erstatteten Meldung der Anstalt seit dem auf die Aufnahme folgenden Tag dort nicht mehr untergebracht.
Nach einer 10 Tage später erstatteten Anzeige der Patientenanwältin sei der Patient auf eine Sonderabteilung für Innere Medizin - Geriatrie verlegt worden. Nach Ansicht der Patientenanwältin stelle die stationäre Behandlung in dieser Station grundsätzlich eine Unterbringung im Sinne des UbG dar. Die Patientenanwältin regte aus diesem Grund eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung an.
Das Gericht nahm eine Anhörung im Sinne des § 19 UbG vor und verkündete daraufhin in Gegenwart des Anstaltsleiters und der Patientenanwältin den Beschluß auf Unzulässigerklärung der Unterbringung sowie auf deren sofortige Aufhebung. Der Abteilungsleiter meldete weder einen Rekurs an noch führte er einen solchen aus. Die Patientenanwältin beantragte eine Ausfertigung des mündlich verkündeten Beschlusses, die ihr auch zugestellt wurde. Nach der schriftlichen Begründung des Beschlusses - in den der Ausspruch über die Aufhebung der Unterbringung nicht aufgenommen wurde - liege beim Patienten keine geistige Krankheit vor, dieser leide vielmehr unter anderem an seniler Demenz und werde internistisch behandelt, wobei der Schwerpunkt nicht auf psychiatrischem Gebiet liege.
Dem Rekurs der Patientenanwältin gab das Rekursgericht nicht statt. Es berichtigte die schriftliche Ausfertigung des erstinstanzlichen Beschlusses lediglich durch die Ergänzung, daß die Unterbringung sogleich aufzuheben sei. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung mit der Erwägung, daß der erstinstanzliche Beschluß mangels Anfechtung durch den Anstaltsleiter in Rechtskraft erwachsen sei und sich die Rechtsmittelwerberin allein der ihrer Ansicht nach unzutreffenden Begründung wegen nicht beschwert erachten könne.
Die Patientenanwältin erhebt gegen die Rekursentscheidung einen außerordentlichen Revisionsrekurs. Zu ihrer vom Rekursgericht verneinten Beschwer führte sie lediglich aus, daß einem Patienten auch nach Aufhebung freiheitsbeschränkender Maßnahmen ein rechtliches Interesse an der Feststellung zustünde, daß seine Anhaltung ungerechtfertigt erfolgt sei.
Die Rechtsmittelwerberin rügt Feststellungsmängel zur Frage, daß und wie der Patient - seit der von der Anstalt gemeldeten Entlassung aus der Unterbringung in der geschlossenen Abteilung - stationär behandelt werde; sie stellt einen Aufhebungsantrag zwecks neuerlicher Entscheidung "in der Sache selbst unter Berücksichtigung der Vorfrage" (nämlich, daß die stationäre Behandlung in der Sonderabteilung eine Unterbringung im Sinne des UbG darstelle), wahlweise den Antrag auf "Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof".
Das Rekursgericht hat die Beschwer der Rechtsmittelwerberin verneint und aus diesem Grund den nach der sogenannten Erstanhörung gemäß § 19 UbG gefaßten erstinstanzlichen Beschluß auf Unzulässigerklärung der Unterbringung mit der Maßgabe bestätigt, daß die schriftliche Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses um den nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls verkündeten Ausspruch über die Aufhebung der Unterbringung ergänzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Zur Rechtsmittelbefugnis in Ansehung eines die Unzulässigkeit der Unterbringung aussprechenden Beschlusses in Auslegung des § 28 Abs 2 UbG fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung. Damit liegt eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vor.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
§ 28 UbG trifft Sonderregelungen zu den allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen der §§ 9 ff AußStrG über die Rechtsmittelfrist und die Rechtsmittelberechtigung.
Nach § 28 Abs 2 UbG kann der Abteilungsleiter unter den dort normierten Voraussetzungen gegen den Beschluß, mit dem die Unterbringung für unzulässig erklärt wird, Rekurs erheben. Damit ist, wie im Abs 1 für Beschlüsse, mit denen die Unterbringung für zulässig erklärt wird, die Rechtsmittelbefugnis abschließend geregelt.
Die Sonderregelung wäre allerdings in dem Fall unanwendbar, wenn über die zum Verfahrensgegenstand erhobene Frage einer konkreten Unterbringung oder Maßnahme nicht vollständig abgesprochen würde. Dies hat die Patientenanwältin zwar der Sache nach in ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß geltend gemacht, wie das Rekursgericht aber zutreffend darlegte, zu Unrecht. Das Rekursgericht hat jede Unterbringung des betroffenen Patienten mangels Vorliegens der persönlichen Voraussetzungen nach § 3 UbG für unzulässig erklärt. Ein weiterreichender Ausspruch kann für den Patienten durch eine nach § 20 UbG zu treffende gerichtliche Entscheidung nicht erreicht werden.
Dadurch, daß das Rekursgericht das Rechtsmittel der Patientenanwältin nicht mangels Rekursberechtigung zurückgewiesen, sondern dem Rekurs mangels Beschwer in der Sache nicht Folge gegeben und nur eine Berichtigung vorgenommen hat, kann sich die Rechtsmittelwerberin nicht beschwert erachten, weil mit der vom Rekursgericht gewählten Form der Bestätigung im vorliegenden Fall keine anderen Rechtsfolgen verbunden sind als mit einer Rechtsmittelzurückweisung, so daß ein Abspruch über die richtige Entscheidungsform nur noch von abstrakt theoretischer Bedeutung wäre.
Dem Revisionsrekurs der Patientenanwältin mußte aus dieser Erwägung ein Erfolg versagt bleiben.