JudikaturOGH

15Os30/94(15Os31/94) – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich E***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.November 1993, GZ 7 b Vr 8561/93-44, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit diesem Urteil gefaßten Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen sowie über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich E***** des zu zwei verschiedenen Zeitpunkten begangenen Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB (zu I: iVm §§ 127, 129 Z 1 StGB; zu II: iVm §§ 15, 127; 15, 142 Abs. 1, 143 StGB) schuldig erkannt.

Darnach hat er sich in Wien durch den Genuß von Alkohol und Gebrauch anderer berauschender Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand

zu I: am 3.Juli 1993 gemeinsam mit abgesondert verfolgten Mittätern fremde bewegliche Sachen, und zwar zahlreiche Messer im Gesamtwert von ca 20.000 S dem Alois P***** durch Einbruch in dessen Geschäft mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und dadurch eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB zugerechnet würde, sowie

zu II: 1) am 28.Juni 1993 fremde bewegliche Sachen, und zwar einen Morgenmantel dem Roland V***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch diese Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, sowie

2) dadurch, daß er - nach Scheitern des zu 1.) bezeichneten Versuches - gegenüber Roland und Sylvia V***** äußerte, er brauche Geld für Haschisch sowie den oben genannten Mantel für seine Freundin, während er gleichzeitig ein Messer gegen die beiden in Anschlag brachte, Roland und Sylvia V***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld und einen Mantel mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und mithin Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand zu 1) als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB sowie zu 2) als Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB zugerechnet würden.

Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde läßt insgesamt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß dem Ersturteil in bezug auf die subjektive Tatseite hinsichtlich der verdeckten Delikte Feststellungsmängel anhaften, weil das Schöffengericht offensichtlich von der verfehlten Rechtsansicht ausgehe, zur Erfüllung des Tatbestandes des § 287 Abs. 1 StGB reiche das Vorliegen eines (vom Täter verschuldeten) die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustandes des Täters und die objektive Erfüllung eines strafbaren Tatbestandes aus.

Abgesehen davon, daß dem angefochtenen Urteil die Rechtsansicht gar nicht zu entnehmen ist, daß die Begehung der verdeckten Tat objektive Bedingung der Strafbarkeit für die Tatbestandserfüllung des § 287 Abs. 1 StGB ist, hat das Schöffengericht sowohl im Urteilsspruch als auch in den Entscheidungsgründen (US 7, 8) bezüglich aller am 3.Juli und am 28.Juni 1993 verübter Tathandlungen unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz des Angeklagten festgestellt. Sofern der Angeklagte der Sache nach jedoch einen Begründungsmangel (Z 5) hinsichtlich dieser Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, genügt der Hinweis, daß schon nach der im Urteil im einzelnen festgestellten Art der Tatbegehung (Einschlagen einer Auslagenscheibe, Wegnahme mehrerer Messer, Flucht vom Tatort, Aufteilung der Beute im Faktum I; Wegnahme eines Damenmorgenmantels aus einem Geschäft ohne Bezahlung, Bedrohung von Personen mit einer Waffe zum Zweck der Herausgabe des erwähnten Morgenmantels und von Bargeld im Faktum II) vorsatzloses Vorgehen des Täters geradezu auszuschließen ist und der Beschwerdeführer in keinem Stadium des Verfahrens behauptet hat, willenlos gehandelt zu haben, sodaß im Hinblick auf das Gebot einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) weitere Ausführungen hiezu nicht erforderlich waren.

Feststellungen dahin, daß die Persönlichkeit des Angeklagten derart zerstört war, daß er hinsichtlich des Konsums von berauschenden Mitteln nicht mehr dispositionsfähig war, waren nach dem Akteninhalt gleichfalls nicht geboten, weil der Beschwerdeführer weder vor dem psychiatrischen Sachverständigen noch vor Gericht jemals behauptet hat, sich gleichsam in unwiderstehlichem Zwang in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit versetzt zu haben und aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.P***** hervorgeht, daß beim Angeklagten trotz seines wiederkehrenden Alkohol- und Suchtgiftmißbrauches keine krankhaften Veränderungen der geistig-seelischen Funktionen, kein abnormer Zustand und keine Abbauerscheinungen irreversibler Natur bestehen sowie keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß der Suchtgiftmißbrauch zu faßbaren psychophysischen Schäden geführt hat (S 187 f). Sofern der Angeklagte eine Feststellung über das Ausmaß seiner Berauschung vermißt, ist er auf die Urteilsfeststellung zu verweisen, daß der Rauschzustand jeweils derart intensiv war, daß er die Zurechnungsfähigkeit ausschloß.

Mit der weiteren Behauptung, er habe im Faktum II 1 vollendeten und nicht bloß versuchten Diebstahl zu vertreten, führt der Beschwerdeführer die Nichtigkeitsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt, daß damit der vom Erstgericht bei der Strafbemessung allerdings übersehene Milderungsgrund des § 34 Z 13 StGB wegfiele, nicht zu seinem Vorteil aus. Indem er aber behauptet, ihm käme tätige Reue nach § 167 Abs. 2 Z 1 StGB zugute, übergeht er die Urteilsfeststellung, daß er nach seiner Stellung durch Roland V***** von diesem aufgefordert wurde, ihm den Mantel zurückzugeben, dies wegen Aussichtslosigkeit einer Flucht mit dem Kleidungsstück dieses zwar hergab, dies "jedoch nicht freiwillig tat" (US 8, 10). Neben anderem ist aber die Freiwilligkeit der Schadensgutmachung eine unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit des relevierten Strafaufhebungsgrundes (vgl Foregger-Serini, StGB5, III, Leukauf-Steininger, Komm3, RN 22, jeweils zu § 167).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes setzt den Vergleich des gesamten Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus. Indem der Angeklagte in bezug auf die subjektive Tatseite hinsichtlich der verdeckten Taten die eingangs wiedergegebenen Konstatierungen zum unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz übergeht, Konstatierungen über ein vorsatzloses, willenloses Handeln des Angeklagten nicht vorliegen (und nach der Aktenlage auch nicht getroffen werden könnten) und er in Ansehung der reklamierten tätigen Reue die festgestellte mangelnde Freiwilligkeit der Schadensgutmachung negiert, bringt er die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu gesetzmäßiger Darstellung.

Gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde ist gemäß §§ 285 i, 498 Abs. 3 StPO das Oberlandesgericht Wien zuständig.

Rückverweise