9ObA32/94 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Heinrich G*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** F*****verband Ö*****, vertreten durch Dr.Heinrich Schöll und Dr.Reinhard Schöll, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 44.536,- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Oktober 1993, GZ 31 Ra 95/93-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.Dezember 1992, GZ 3 Cga 1010/92-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 44.536,-
brutto samt 4 % Zinsen seit 26.6.1992 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.806,96 (darin S 1.561,16 Umsatzsteuer und S 1.440,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 8.436,48 (darin S 1.006,08 Umsatzsteuer und S 2.400,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.018,24 (darin S 503,04 Umsatzsteuer und S 3.000,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 1.1.1977, zuletzt als Generalsekretär, beschäftigt. Da die beklagte Partei beabsichtigte, das Dienstverhältnis zu lösen, trafen die Parteien am 27.6.1991 eine Vereinbarung über die Beendigung des Dienstverhältnisses und den Urlaubsverbrauch. Nach dieser Vereinbarung sollte das Dienstverhältnis einvernehmlich mit 31.3.1992 aufgelöst werden. Der Kläger verpflichtete sich, sämtliche ihm zustehenden Urlaubsansprüche bis 31.3.1992 zu konsumieren. Dabei sollte ein Urlaubsteil von 4 Wochen unmittelbar vor Beendigung des Dienstverhältnisses und der Rest bis spätestens Ende Oktober 1991 verbraucht werden, damit der Kläger seinen Nachfolger ordnungsgemäß einschulen könne (Punkt II).
Dem Kläger wurde es aber freigestellt, das Dienstverhältnis auch vor dem 31.3.1992 zu beenden; die beklagte Partei stimme bereits jetzt einer solchen einvernehmlichen Beendigung auf Wunsch des Klägers zu. Es komme dann früher zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses (Punkt III). Sollte es zu einer früheren Beendigung des Dienstverhältnisses kommen, verpflichtete sich die beklagte Partei dem Kläger für jeden vollen Monat der früheren Beendigung einen zusätzlichen Betrag von je S 15.000,- brutto ........... zu zahlen. Sollten bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch nicht sämtliche Urlaubsansprüche des Klägers konsumiert sein, seien mit dieser Zahlung auch alle Ansprüche aus dem Titel des Urlaubs zur Gänze abgegolten, "es sei denn, daß dem Kläger ein Verbrauch des Urlaubs nicht möglich oder nicht zumutbar sei".
Am 12.10.1991 gab der Kläger dem Präsidium der beklagten Partei bekannt, daß er das Dienstverhältnis mit 30.11.1991 beende.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 44.536,- brutto sA an Urlaubsentschädigung für 19 Tage Resturlaub aus dem Jahr 1991. Er habe von seinem vereinbarten Recht, das Dienstverhältnis früher zu beenden, Gebrauch gemacht. Zufolge der starken zeitlichen Beanspruchung durch die beklagte Partei sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, seinen restlichen Urlaub bis zum Ende des Dienstverhältnisses zu verbrauchen. Vereinbarungsgemäß stehe ihm daher die Abgeltung des Resturlaubs zu.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Dem Kläger sei der Verbrauch des Urlaubs möglich und zumutbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Dem Kläger oblagen neben der Geschäftsführung auch die Finanzgebarung der beklagten Partei. Er hatte diese in verschiedenen Gremien zu vertreten und alle Agenden wahrzunehmen, die nicht dem Vorstand oder der Hauptversammlung vorbehalten waren. Er leitete die Administration und wahrte die Medienkontakte. Er führte die Verhandlungen mit Ministerien über Subventionsgewährungen und organisierte die Finanzierung einer von der beklagten Partei herausgegebenen Schriftenreihe.
Bei Ausarbeitung der Vereinbarung vom 27.6.1991 zog der Vorstand der beklagten Partei auch in Erwägung, daß der Kläger unvorhergesehen und plötzlich von seinem Auflösungsrecht Gebrauch machen könne. Diese Möglichkeit akzeptierte der Vorstand.
Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 27.6.1991 verrichtete der Kläger im Auftrag der beklagten Partei vom 1.7. bis 3.7.1991 eine Auslandsreise. Am 9.7.1991 nahm er auf Wunsch der Präsidentin an der Generalversammlung eines Verlages der beklagten Partei teil. Vom
10.7. bis 17.7.1991 befand er sich in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus. Anschließend ging er vom 18.7.1991 bis 17.8.1991 (über 4 Wochen) auf Urlaub. Am 12.9.1991 tagte der Budgetausschuß der beklagten Partei; am 24.9.1991 der Hauptausschuß und am 12.10.1991 das Präsidium. Der Kläger bereitete den Rechnungsabschluß für diese Sitzungen vor.
Ab Ende September 1991 stand der Kläger in Dienstvertragsverhandlungen mit seinem neuen Dienstgeber, mit dem er am 9.10.1991 einen Dienstvertrag abschloß. In der Vorstandsitzung der beklagten Partei am 12.10.1991 gab er dem Präsidium die Beendigung seines Dienstverhältnisses mit 30.11.1991 bekannt. Er wies auch darauf hin, daß er einen von der Sozialversicherung genehmigten Kuraufenthalt in Anspruch nehmen werde. Er erstellte noch das Protokoll der Vorstandssitzung und bereitete die Vorstandssitzung für den 30.11.1991 vor. Anschließend begab er sich vom 22.10. bis 19.11.1991 auf Kur.
Für die Sitzung am 30.11.1991 war nach Punkt X der Vereinbarung vom 27.6.1991 (faktische Beendigung des Dienstverhältnisses) nach einer Gebarungsprüfung durch die Rechnungsprüfer eine Entlastung des Klägers durch das Präsidium vorgesehen. Auch wenn es bei der beklagten Partei einen Finanzreferenten gab, der in Fragen des Budget Auskunft geben konnte, war es Aufgabe des Klägers, mit den Rechnungsprüfern die Vereinbarungen über die Termine der Rechnungsprüfung zu treffen. Am 20.11.1991 forderte die Präsidentin der beklagten Partei den Kläger auf, seinen Urlaub zu konsumieren. Der Kläger verlangte eine schriftliche Weisung, die er aber nicht erhielt. Daraufhin verweigerte der Kläger den Urlaubsantritt.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß sich aus Punkt II der Vereinbarung ergebe, daß einer Auflösungserklärung des Klägers nur die Wirkung zukommen könne, daß das Dienstverhältnis des Klägers erst nach Verbrauch von wenigstens 4 Wochen Urlaub enden könne. Aus dieser Verpflichtung, unmittelbar vor Beendigung des Dienstverhältnisses 4 Wochen Urlaub zu konsumieren, habe sich die weitere Verpflichtung des Klägers ergeben, die Beendigung des Dienstverhältnisses so zu planen, daß sie erst nach Verbrauch des Urlaubs eintrete. Der Kläger hätte diesen restlichen Urlaub auch in Anspruch nehmen können, da er schon ab Ende September 1991 in Verhandlungen mit seinem neuen Dienstgeber gestanden sei und daher in der folgenden Zeit - auch unter Berücksichtigung seines Kuraufenthaltes - hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, auf Urlaub zu gehen. Da der Urlaubsverbrauch sohin weder unmöglich noch unzumutbar gewesen sei, sei der Urlaubsanspruch des Klägers gemäß Punkt IV der Vereinbarung durch die freiwillige Abfertigung mitabgegolten.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Ergänzend führte es aus, daß es den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche, wenn der Vorteil des Klägers, schon vor dem 31.3.1992 ein neues Dienstverhältnis antreten zu können, in einen finanziellen Nachteil der beklagten Partei münde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, ist die Vereinbarung vom 27.6.1991 auf eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit 31.3.1992 zugeschnitten. Zu diesem Zeitpunkt wäre bereits ein neuer Urlaubsanspruch des Klägers entstanden (§ 2 Abs 2 UrlG), der zu verbrauchen gewesen wäre. Der Vorstand der beklagten Partei erwog zwar die Möglichkeit, daß der Kläger unvorhergesehen und plötzlich von seinem Beendigungsrecht Gebrauch mache und war auch damit einverstanden; zu einer Regelung auch dieser Möglichkeit kam es aber nicht.
Da eine Ablöse des Nichtverbrauchs des Urlaubs gemäß § 7 UrlG unwirksam ist, ist daher zu prüfen, ob dem Kläger der ununterbrochene Verbrauch des Resturlaubs von 19 Tagen (§ 4 Abs 3 UrlG) bis zur einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses, allenfalls bis spätestens Ende Oktober 1991 möglich oder zumutbar war. Dies ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht der Fall. Der Kläger konsumierte bereits im Juli und August 1991 einen vierwöchigen Urlaub. Anschließend hatte er für die beklagte Partei den Rechnungsabschluß vorzubereiten (Budgetausschuß am 12.9.1991, Hauptausschuß am 24.9.1991, Präsidiumsitzung am 12.10.1991). Vom
20.10. bis 19.11.1991 befand er sich auf Kur. Die Präsidentin der beklagten Partei forderte ihn erst am 20.11.1991 auf, seinen Urlaub zu verbrauchen. Abgesehen davon, daß diese Aufforderung eine Urlaubsvereinbarung gemäß § 4 Abs 1 UrlG nicht ersetzen kann und hinsichtlich der Zumutbarkeit (vgl Cerny UrlR6 105) kein Vorbringen erstattet wurde, konnte es dem Kläger nicht verwehrt werden, an der Vorbereitung zu seiner Entlastung am 30.11.1991 mitzuwirken. Zu einem allenfalls möglich gewesenen tageweisen Urlaubsverbrauch war der Kläger aber nicht verpflichtet (vgl Cerny aaO 108 f).
Da sohin ein Verbrauch des Resturlaubs bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht möglich war, steht dem Kläger der der Höhe nach unbestrittene Anspruch auf Urlaubsentschädigung zu.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.