JudikaturOGH

8Ob590/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "H*****" Export-Import, ***** vertreten durch Dr.Wolf Günter Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G***** Agency, Inhaber Andrea H*****, vertreten durch Dr.Hubert Köllensperger, Rechtsanwalt in Wels, wegen DM 76.865,38 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9.Juni 1993, GZ 4 R 109/93-6, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 8.April 1993, GZ 1 Cg 88/93-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin, ein Unternehmen mit dem Sitz in *****Makedonien, begehrt von der Beklagten die Bezahlung des Gegenwerts von DM 76.865,38 sA in österreichischen Schilling zum Tageskurs der Wiener Börse für auftrags- und ordnungsgemäße Lieferung verschiedener Handelswaren. Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, sämtliche Lieferungen der Klägerin bezahlt zu haben; ihr stehe sogar ein Guthaben gegenüber der Klägerin zu. Sie stellte den Antrag, der Klägerin die Leistung einer Prozeßkostensicherheit in der Höhe von zumindest S 200.000,-- aufzutragen, weil nicht gewährleistet sei, daß ein allenfalls von der Beklagten erlangter Prozeßkostentitel gegen die Klägerin in Makedonien durchgesetzt werden könne.

Das Erstgericht legte der Klägerin antragsgemäß eine Prozeßkostensicherheitsleistung in der Höhe von S 150.000,-- auf. Zwischen Österreich und Makedonien bestehe keine Vereinbarung, die vom Erlag einer Prozeßkostensicherheit befreie. Der zwischen Österreich und der SFR Jugoslawien geschlossene Rechtshilfevertrag sei auf Makedonien nicht weiter anwendbar.

Das Rekursgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es den Antrag abwies. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Laut Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz sei die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Makedonien von Österreich durch Zustimmung zur Aufnahme in die Vereinten Nationen de facto anerkannt worden. Im Verhältnis zwischen Makedonien und Österreich sei derzeit von einer pragmatischen Weiteranwendung der zwischen Jugoslawien und Österreich bestehenden völkerrechtlichen Verträge auszugehen.

Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß nach der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge vom 23.8.1978 das "Konzept der automatischen Nachfolge" gelte, woraus sich ergebe, daß die völkerrechtlichen Verträge während einer Übergangszeit von bis zu einem Jahr pragmatisch weiter angewendet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist berechtigt.

Gemäß § 57 Abs.1 ZPO hat ein Ausländer, wenn er vor einem österreichischen Gericht als Kläger auftritt, dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozeßkosten Sicherheit zu leisten, soferne durch Staatsverträge nicht etwas anderes festgesetzt ist. Eine solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung tritt gemäß Abs.2 Z 1 lit.a der genannten Gesetzesstelle unter anderem dann nicht ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz der Prozeßkosten an den Beklagten auferlegte, in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt würde. Die Gesetzgebung und das Verhalten des Staates, in dem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat das Gericht gemäß § 57 Abs.3 ZPO unter sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs.1 IPRG von Amts wegen zu ermitteln. Es kann dazu auch Sachverständige bestellen oder das Bundesministerium für Justiz um eine - das Gericht nicht bindende - Auskunft ersuchen (Fasching, ZPR2 Rdz 476).

Gemäß Art.2 Abs.1 des Vertrages vom 16.Dezember 1954 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr samt Schlußprotokoll, BGBl. Nr.224/1955, darf Angehörigen eines der vertragschließenden Staaten, die in einem von ihnen ihren Wohnsitz oder ihre Niederlassung haben und in dem anderen vertragschließenden Staat als Kläger oder Intervenienten vor Gericht auftreten, eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nicht auferlegt werden. Gemäß Art.3 Abs.1 dieses Abkommens sind rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidungen der Gerichtsbehörden eines der vertragschließenden Staaten, durch die Kläger oder Intervenienten nach den im Staate des Prozeßgerichtes geltenden Rechtsvorschriften zum Ersatze der Prozeßkosten oder zur Zahlung von Gerichtsgebühren verpflichtet wurden, auf Antrag im Gebiet des anderen vertragschließenden Staates zu vollstrecken.

Dieses Abkommen wurde zu einer Zeit geschlossen, als das Territorium Makedonien zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien gehörte. Die Zustimmung Österreichs zur Aufnahme Makedoniens als selbständiger Staat in die Vereinten Nationen stellt eine konkludente Anerkennung der Selbständigkeit dieses Staates dar (vgl. Neuhold, Hummer, Schreuer, Handbuch des Völkerrechts2 Bd.I Rdz 740). Daraus ergibt sich, daß die von Österreich mit der früheren SFR Jugoslawien abgeschlossenen Rechtshilfeverträge gegenüber Makedonien nicht mehr ohne weiteres als Staatsverträge im Sinne des § 57 Abs.1 ZPO angesehen werden können. Auf die vom Rekursgericht genannte Wiener Konvention vom 23.8.1978 ist in diesem Zusammenhang nicht näher einzugehen, da sie einerseits die mit der Staatensukzession verbundenen komplexen Probleme nur teilweise abdeckt und sie andererseits mangels der erforderlichen Zahl von 15 Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten ist (Neuhold, Hummer, Schreuer aaO Rdz 751). Auch die Tatsache, daß nach Auskunft des Bundesministeriums für Justiz im Verhältnis zwischen Makedonien und Österreich derzeit von einer pragmatischen Weiteranwendung der zwischen Jugoslawien und Österreich bestehenden völkerrechtlichen Verträge auszugehen ist, vermag die Weiteranwendung des genannten Vertrages durch Makedonien nicht hinreichend deutlich klarzustellen. Wie sich aus den Materialien zum Notenwechsel der Republik Österreich mit Slowenien (734 BlgNR 18.GP), wonach Österreich anerkennt, daß Slowenien keinesfalls automatisch in alle völkerrechtlichen Verträge der Gebietsvorgängerin eintritt, ergibt, signalisiert die Zusage der "pragmatischen Weiteranwendung" von Staatsverträgen dem Nachfolgestaat lediglich, daß Österreich die mit der SFR Jugoslawien abgeschlossenen Verträge auch weiterhin für verbindlich ansehen werde, vermag jedoch ohne entsprechende Erklärung des Nachfolgestaates diesen in keiner Weise zu binden.

Zu 2 Ob 69/92 = RdW 1993, 149, nahm der Oberste Gerichtshof im Falle der Republik Kroatien an, daß eine Entscheidung eines österreichischen Gerichtes über eine Kostenersatzpflicht der Klägerin in Kroatien vollstreckt würde. Dies deshalb, da die Republik Kroatien gemäß Punkt 3. des Verfassungsbeschlusses über die Souveränität und Selbständigkeit der Republik Kroatien auch jenen Vorschriften des Bundes, die nicht außer Kraft gesetzt wurden, weitere Geltung zugestand und gemäß Punkt III der Deklaration über die Ausrufung der Souveränität und Selbständigkeit der Republik Kroatien diese in Übereinstimmung mit den Regeln des Völkerrechts anderen Staaten und internationalen Organisationen garantierte, daß sie als Rechtsnachfolger der bisherigen SFRJ auf dem Gebiet, das sich auf die Republik Kroatien bezieht, alle Rechte und Pflichten vollständig und gewissenhaft ausüben werde.

Der Oberste Gerichtshof hat im gegenständlichen Falle im Wege des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts das Verfassungsgesetz zur Durchführung der Verfassung der Republik Makedonien, proklamiert durch Beschluß vom 17.November 1991, kundgemacht unter der Nr.999 im Amtskurier der Republik Makedonien vom 22.November 1991 Nr.52 S.815 ff, beigeschafft. Laut dessen Art.4 übernimmt die Republik Makedonien als gleichberechtigter juristischer Nachfolger der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zusammen mit den anderen Republiken gemäß der Vereinbarung mit den anderen Republiken über die juristische Nachfolge der Sozialischen Föderativen Republik Jugoslawien und über die gegenseitigen Beziehungen die durch die Bildung der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien entstandenen Rechte und Pflichten. Für den Fall, daß keine Vereinbarung mit den anderen Republiken über die juristische Nachfolge der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und über die gegenseitigen Beziehungen getroffen wird, sollen die juristische Nachfolge der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien und die gegenseitigen Beziehungen der Republik Makedonien mit anderen souveränen Staaten nach der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gemäß den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Rechts sowie gemäß der Wiener Konvention über die Staatennachfolge im Bereich der Verträge aus dem Jahr 1978 und gemäß der Wiener Konvention über die Staatennachfolge im Bereich des Staatseigentums der Archive und der Schulden aus dem Jahre 1982 bestimmt werden. Gemäß Art.5 werden die bestehenden Bundesvorschriften als Republiksvorschriften mit der Zuständigkeit der Organe, die durch die Verfassung der Republik Makedonien bestimmt werden, übernommen; gemäß Art.6 sollen Gesetze, die nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung der Republik Makedonien stehen, in der Frist von einem Jahr ab dem Tag der Proklamation der Verfassung mit dieser in Einklang gebracht werden.

Anders als im Falle der Republik Kroatien kann den zitierten Bestimmungen nicht mit Sicherheit der Eintritt Makedoniens in die multi- und bilateralen Verträge der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien entnommen werden. Übernommen werden nach Maßgabe einer nicht bekannten Vereinbarung mit anderen Republiken lediglich die durch die Bildung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien entstandenen Rechte und Pflichten. Dieser Formulierung kann nicht entnommen werden, daß später eingegangene vertragliche Bindungen ebenfalls in den Rechtsbestand Makedoniens übernommen werden. Auch der Hinweis auf die Wiener Konvention über die Staatennachfolge im Bereich der Verträge aus dem Jahre 1978 kann diesbezüglich keine Sicherheit geben, da - abgesehen davon, daß diese auch das Prinzip kennt, Neustaaten könnten selbst bestimmen, welche früheren Verträge aufrecht bleiben sollen (Neuhold, Hummer, Schreuer, aaO Rdz 753) - die Anwendbarkeit der Konvention ausdrücklich durch das Nichtzustandekommen von Vereinbarungen mit anderen Republiken bedingt ist. Die Übernahme bestehender Bundesvorschriften schließlich kann ebenfalls nicht zur Annahme der Rezeption internationaler Vertragsbestimmungen führen, da nicht bekannt ist, inwieweit diese im Sinne des Art.6 als nicht verfassungskonform erachtet wurden.

Trotz der vom Obersten Gerichtshof durchgeführten Erhebungen fehlt es sohin weiterhin an einem Nachweis, daß Makedonien sich rechtsverbindlich an die früher von der SFR Jugoslawien abgeschlossenen Verträge gebunden fühlt. Da nach § 57 Abs.3 ZPO das Verhalten des Staates, in dem der ausländische Kläger seinen Sitz hat, gemäß § 4 Abs.1 IPRG amtswegig zu ermitteln ist und somit die vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 ergangene Judikatur zu der den Kläger treffenden Beweislast für alle die Befreiung von der Sicherheitsleistung betreffenden Umstände (SZ 41/178; RZ 1974/38; 7 Ob 537/83) nicht mehr angewendet werden kann, bedarf es durch das Erstgericht durchzuführender Erhebungen beim Justizministerium der Republik Makedonien, ob und inwieweit die Vollstreckbarkeit eines österreichischen Kostentitels in Makedonien gewährleistet ist; dabei wäre um die Darlegung der entsprechenden innerstaatlichen Normen, die diese Vollstreckbarkeit österreichischer Kostentitel garantieren sollen, zu ersuchen.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die Einholung einer derartigen Auskunft aufzutragen, wie dies der Oberste Geriochtshof zu 7 Ob 573/93 in einem gleichgelagerten Fall bereits entschieden hat. Sollte diese Anfrage nicht binnen angemessener Frist oder nur ungenügend beantwortet werden, so müßte davon ausgegangen werden, daß die Gegenseitigkeit mit Makedonien nicht gewährleistet und der Klägerin eine aktorische Kaution aufzuerlegen ist.

Rückverweise