9ObA251/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Alfred Schätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei MMag.Dr.Ernst S*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Walter Schuppich ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*****institut Wien,***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 170.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Mai 1993, GZ 34 Ra 142/92-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29.Juni 1992, GZ 23 Cga 501/91-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom 1.1.1975 bis 31.12.1987 bei der beklagten Partei unter anderem im EDV-Bereich beschäftigt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.6.1990, 7 b Vr 9900/89-257, wurde er als Beteiligter des Verbrechens der Untreue gemäß den §§ 12, 153 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 12.6.1991, 13 Os 109,111/90-19, nicht Folge.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Herausgabe eines näher bezeichneten Sparbuchs mit einem ursprünglichen Einlagenstand von S 170.000, in eventu die Zahlung von S 170.000 sA. Auf Vorschlag der beklagten Partei sei 1975 vereinbart worden, ihm neben den offiziellen Gehaltsbezügen einen Teil des Entgelts "schwarz" (brutto für netto) zu leisten. Um diese "schwarzen" Zahlungen erbringen zu können, habe die beklagte Partei Sonderkonten geführt, die in der Buchhaltung nicht aufscheinen durften, und auf die die von verschiedenen Banken und Institutionen geleisteten Zahlungen geleitet worden seien. Demgemäß habe er seit 1975 "schwarze" Entgeltzahlungen erhalten. Als es darum gegangen sei, auch seiner Gattin Mehrdienstleistungen abzugelten, seien auch an diese Gehaltsbezüge "brutto für netto" ausgezahlt worden.
Nach der Beendigung des Dienstverhältnisses habe sich die beklagte Partei von der getroffenen Vereinbarung und deren Abwicklung über Sonderkonten anscheinend "distanzieren" wollen. Trotz dieses ungerechtfertigten und überraschenden Verhaltens hätten der Kläger und seine Gattin beschlossen, die ihnen zustehenden Beträge nicht weiter zu behalten bis außergerichtlich oder gerichtlich feststehe, daß tatsächlich ein Anspruch auf diese Zahlungen bestehe. Der Kläger habe daher am 19.1.1988 unter Vorbehalt seiner und seiner Gattin Ansprüche eine die "schwarz" erhaltenen Zahlungen weit übersteigende Rückzahlung in der Form geleistet, daß er der beklagten Partei ein Sparbuch mit einem Einlagestand von S 170.000 übergeben habe. Da sich die beklagte Partei weiterhin weigere, den Anspruch auf die "Schwarzzahlungen" anzuerkennen, begehre er die Herausgabe dieses Sparbuchs.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie erhob eine Widerklage und wandte ein, daß mit dem Kläger keine Vereinbarung dahin getroffen worden sei, daß er "schwarze" Entgeltbezüge erhalte. Er habe vielmehr im Zusammenwirken mit dem späteren Vorsitzenden des BFI eigenmächtig "Sonderkonten" errichtet und sich die darauf fließenden Beträge zugeeignet. Auf Grund von Berichterstattungen in den Medien sei der Kläger offenbar in Panik geraten und habe sich entschlossen, der Strafverfolgung durch tätige Reue zu entgehen. Bei der Unterredung am 19.1.1989 habe er insgesamt sechs Sparbücher mit einem Einlagestand von S 6,640.000 übergeben. Damit habe er den Schaden, der durch die seit 1972 widerrechtlich bezogenen bzw entnommenen Beträge entstanden sei, wieder gutmachen wollen. Er habe gehofft, daß damit die Angelegenheit erledigt sei und könne daher diese Beträge, die er als Schaden der beklagten Partei ausdrücklich anerkannt habe, nicht wieder zurückverlangen. Inzwischen habe sich herausgestellt, daß der Betrag von S 6,640.000 nicht ausreiche, um den Gesamtschaden zu decken; dieser betrage insgesamt S 7,743.998, so daß die beklagte Partei unter Berücksichtigung der Abfertigung noch S 958.944 zu fordern habe.
Dazu brachte der Kläger ergänzend vor, daß er sein Klagebegehren auf die mit der beklagten Partei getroffene Entgeltvereinbarung stütze. Er habe den Klagebetrag deshalb zurückgezahlt, da er gehofft habe, in den Genuß der tätigen Reue zu kommen, falls ihm der Nachweis dieser von der beklagten Partei bestrittenen Vereinbarung nicht gelingen sollte. Die Rückzahlung sei jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt.
Das Erstgericht wies das Eventualbegehren und mit diesem implicite auch das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen noch fest:
Der Kläger zahlte am 19.1.1988 den Klagebetrag unter anderem deshalb zurück, weil er hoffte, daß durch diese Rückzahlung die strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen werde oder er in den Genuß der tätigen Reue komme. Bei der Rückzahlung ging er aber davon aus, daß er den Betrag zu Recht bezogen habe.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger seinen Anspruch auf die Vereinbarung stütze, ihm "Schwarzgeld" zukommen zu lassen. Nehme man eine derartige Vereinbarung an, habe die beklagte Partei das geleistet, was sie schuldig gewesen sei; der Anspruch des Klägers sei durch die Leistung erloschen (§ 1412 ABGB). Durch die Rückzahlung könne diese Leistungsverpflichtung auch dann nicht wieder aufleben, wenn die Rückzahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt sei. Die beklagte Partei habe ihre Vereinbarung erfüllt und könne nicht neuerlich zu einer Leistung auf Grund der Vereinbarung verhalten werden. Etwaige andere Anspruchsgrundlagen (Bereicherung oder Irrtum) seien mangels entsprechenden Vorbringens nicht zu prüfen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte eine Beweisergänzung durch Verlesung der von der beklagten Partei vorgelegten und vom Kläger als echt und richtig anerkannten Urkunden (Beilagen 1 und 2) darüber durch, welcher Vorbehalt bei Übergabe des Sparbuches gemacht wurde. Es traf folgende ergänzende Feststellungen:
Der Kläger sprach am 19.1.1988 in Begleitung seines Rechtsvertreters Dr.S***** in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr.T***** vor. Er übergab dabei mehrere Sparbücher mit einem Einlagenstand von insgesamt S 6,640.000. Darüber erhielt er Empfangsquittungen, die auf seinen Wunsch unter anderem die Formulierung "... mit der Zweckwidmung Rückzahlung von seit dem Jahr 1972 bezogenen bzw entnommenen Beträge" aufweisen.
Bei dieser Unterredung wurde ein von Dr.T***** und Dr.S***** unterfertigter Aktenvermerk mit folgendem Wortlaut angelegt:
"Anläßlich der Übergabe von sechs Sparbüchern durch Herrn Hofrat Dr.Ernst S***** an Herrn Dr.Gustav T***** zu Gunsten des BFI wird zusätzlich vereinbart, daß das BFI so rasch wie möglich festzustellen haben wird, welche Beträge Herr Hofrat Dr.S***** tatsächlich schuldet.
Die entsprechende Abrechnung wird seinem Vertreter, Herrn Rechtsanwalt Dr.Werner S*****, zur Verfügung gestellt und ein allfälliger Überschuß an diesen zur Auszahlung gebracht werden.
Es wird vereinbart, daß ein allfälliger Fehlbetrag umgehend Herrn Dr.S***** bekanntgegeben wird, um Herrn Hofrat Dr.S***** Gelegenheit zu geben, die gegebenenfalls im Sinne des § 167 StGB notwendige Nachzahlung binnen vierzehn Tagen leisten zu können.
Durch diesen Aktenvermerk werden die Ergebnisse der Abrechnung nicht vorweggenommen.
Festgehalten wird, daß die heutige getätigte Schadensgutmachung bereits am 18.1.1988 durch Herrn Hofrat Dr.S***** angeboten worden ist."
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger durch die Hingabe der Sparbücher die bestehende Schuld anerkannt habe und diese bewußt begleichen wollte. Lediglich die Höhe dieser Schuld sei noch nicht festgestanden; nur insoweit sei ein Vorbehalt hinsichtlich der genauen Höhe des Schadensbetrages gemacht worden. Davon, daß der Kläger die erhaltenen Beträge unter dem Vorbehalt der weiteren Aufklärung, ob ihm die Zahlungen zustünden, zurückgezahlt habe, könne keine Rede sein.
Der Kläger habe vielmehr seine Schuld dem Grunde nach und ohne Vorbehalt anerkannt, so daß sein Klagebegehren schon mangels eines Vorbehalts der Rückforderung abzuweisen sei. Die vom Kläger trotz seiner strafgerichtlichen Verurteilung neuerlich aufgeworfene Frage der Berechtigung seiner "schwarzen" Bezüge könne daher ungeprüft bleiben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht bzw an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Wie der Kläger in seiner Mängelrüge zutreffend ausführt, brachte er bereits in der Klage vor, daß er am 19.1.1988 "unter Vorbehalt seiner und seiner Gattin Ansprüche" eine die "schwarz" erhaltenen Zahlungen weit übersteigende Rückzahlung geleistet habe. Zum Beweis dieser Behauptung bot er seine Vernehmung als Partei an. Nach den Einwendungen der beklagten Partei waren bei der "Unterredung" am 19.1.1988 der Kläger, Rechtsanwalt Dr.S*****, Rechtsanwalt Dr.T***** und die damaligen Geschäftsführer des BFI Dr.I***** und Dr.S***** anwesend. Die Vorgänge bei dieser Unterredung am 19.1.1988 bilden ein zentrales Thema dieses Verfahrens, zumal das Berufungsgericht aus den verlesenen Urkunden (Empfangsquittung und Aktenvermerk) ableitet, daß der Kläger dem Grunde nach bewußt eine bestehende Schuld begleichen wollte und ihm der Nachweis eines Vorbehalts nicht gelungen sei. Demgegenüber stellte das Erstgericht fest, daß der Kläger bei Rückzahlung des Betrages angenommen habe, daß er diesen völlig zu Recht bezogen habe. Diese Feststellung entspricht auch der Aussage des Klägers vor dem Erstgericht, in der er auch deponierte, daß er am 18.1.1988 dem Dr.I***** gesagt habe, daß er die Rückzahlung vorbehaltlich einer späteren Klärung vornehmen werde.
Soweit sich das Berufungsgericht mit der Verlesung der von der beklagten Partei vorgelegten Urkunden begnügte und nur daraus ergänzende Feststellungen traf, ist das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben, da es dazu auch die zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderliche Parteienvernehmung zu wiederholen gehabt hätte (vgl Fasching ZPR2 Rz 1807 ff). Auf die Frage, aus welchem Grund es die vom Erstgericht unterlassene Vernehmung der vom Kläger angebotenen Zeugen für nicht erheblich hielt, ist das Berufungsgericht überhaupt nicht eingegangen.
Selbst wenn das Berufungsgericht nach Verfahrensergänzung wiederum zum Ergebnis gelangt, daß der Kläger die bestehende Schuld ohne Vorbehalt dem Grunde nach anerkannte und bewußt eine bestehende Schuld begleichen wollte (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 1432 Rz 7 mwN), ist das Verfahren noch dahin ergänzungsbedürftig, daß auch zur - zumindest diesen Fall betreffenden - Höhe der Schuld eine Feststellung zu treffen ist. Wie das Berufungsgericht selbst ausführt, sei ein Vorbehalt hinsichtlich der genauen Schadenshöhe formuliert worden. Dazu fehlt es aber an jeglichen Feststellungen, so daß die Arbeitsrechtssache auch aus diesem Grund noch nicht spruchreif ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.