JudikaturOGH

11Os145/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Dr. Hager, Dr.Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Monika M***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB bzw. einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. September 1992, GZ 5 d E Vr 349/92-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. September 1992, GZ 5 d E Vr 349/92-29, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 228 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs 2 Z 3, 292 letzter Satz StPO in der Sache selbst erkannt:

Monika M***** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe

entweder in der Zeit vom 9. November 1989 bis 11. Juli 1990 in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Beamte der Magistratsabteilung 12 durch die Vorspiegelung, eine redliche Sozialhilfeempfängerin zu sein, unter Verschweigen ihrer Verehelichung, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zur Gewährung von Sozialhilfe verleitet, und so die Republik Österreich um 36.548,- S am Vermögen geschädigt und hiedurch das Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB begangen,

oder am 9. November 1989 in Wien am Standesamt Floridsdorf bewirkt, daß gutgläubig ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet wird, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder der Tatsache gebraucht werde, indem sie am Standesamt erklärte, sie habe den Willen zur Eingehung einer Ehe mit Mustafa K***** und hiedurch das Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach § 228 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Die am 22.Februar 1963 geborene Monika M***** (geborene H*****, geschiedene J*****), wurde unter dem Namen Monika K***** mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Februar 1991 (ON 12) des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil sie - so das Urteil - in der Zeit vom 9. November 1989 bis 11. Juli 1990 in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Beamte der Magistratsabteilung 12 durch die Vorspiegelung, eine redliche Sozialhilfeempfängerin zu sein, unter Verschweigung ihrer Verehelichung mit Mustafa K***** zur Gewährung von Sozialhilfe im Betrag von S 36.548,-- verleitet und die Republik Österreich um diesen Betrag geschädigt hatte.

Am 20. Dezember 1991 (ON 21) wurde dem Wiederaufnahmeantrag der Verurteilten stattgegeben und das genannte Urteil aufgehoben, weil die Ehe mit Mustafa K***** als Staatsbürgerschaftsehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 15. August 1991, GZ 3 C 17/91-10, für nichtig erklärt worden war (ON 20).

Anstatt im Sinne des § 359 StPO nach der Voruntersuchung einen neuen Strafantrag einzubringen (Foregger-Kodek, StPO5, Erl II zu § 359), erklärte die Staatsanwaltschaft, den Strafantrag vom 4. Dezember 1990 (ON 8) aus dem früheren Verfahren aufrecht zu erhalten (S 3 a verso). In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft alternativ die Bestrafung wegen § 228 Abs 1 StGB (S 160; siehe auch S 3 a verso iVm S 108).

Mit rechtskräftigem Urteil vom 24. September 1992 (gekürzt ausgefertigt in ON 29) wurde Monika M***** daraufhin - ohne weitere Entscheidung über den Betrugsvorwurf - des Vergehens der unmittelbaren unrichtigen Beurkundung nach § 228 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt. Ihr wurde zur Last gelegt, am 9. November 1989 am Standesamt Wien-Floridsdorf durch die Erklärung ihres Willens, mit Mustafa K***** die Ehe einzugehen, bewirkt zu haben, daß gutgläubig ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet wurde, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder der Tatsache gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist die Generalprokuratur im Recht, weil das Urteil das Gesetz in der Bestimmung des § 228 Abs 1 StGB verletzt:

Eine Heiratsurkunde ist insoweit nur eine schlichte Beweisurkunde (vgl. Kienapfel, WK, Rz 16 - 19 zu § 228; Leukauf-Steininger, StGB**n, RN 5 a zu § 228), als darin lediglich die Abgabe einer bestimmten Erklärung bezeugt wird, ohne daß es auf die Richtigkeit dieser Erklärung ankommt. Mit der Eintragung im Familienbuch und der darauf beruhenden Heiratsurkunde wird vom Standesbeamten lediglich bestätigt, daß die Verlobten vor ihm persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklärt haben, die Ehe miteinander eingehen zu wollen (§ 17 Abs 1 EheG). Hingegen wird das Fehlen einer Mentalreservation im Sinne des § 23 EheG, die zur Nichtigerklärung der Ehe führen kann, damit nicht bescheinigt.

Davon ausgehend verwirklichte aber das inkriminierte Vorgehen der Monika M***** nicht den Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB, weshalb der Einzelrichter im wiederaufgenommenen Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Freispruch hätte vorgehen müssen.

Den von der Staatsanwaltschaft eventualiter weiter aufrecht erhaltenen Betrugsvorwurf verneinte der Einzelrichter mit dem Schuldspruch nach § 228 Abs 1 StGB der Sache nach, wobei er ersichtlich von den Ergebnissen der Voruntersuchung ausging, daß eine Täuschungshandlung der Beschuldigten mit der Verschweigung der - gültigen oder ungültigen - Ehe keinesfalls vorlag, solange es nicht zu einem gemeinsamen Haushalt und zur Unterhaltsleistung durch ihren Ehegatten kam (nach der Aussage der Zeugin Silvia L***** - ON 23 - hätte Monika K***** auch bei aufrechter Ehe und Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes Sozialhilfe bekommen).

Demgemäß war nicht nur die Verletzung des Gesetzes in § 228 Abs 1 StGB festzustellen und das zum Nachteil der Verurteilten normwidrige Urteil aufzuheben, sondern sogleich spruchgemäß mit Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO vorzugehen.

Bei dieser Sachlage konnte die Frage auf sich beruhen, inwieweit nach Maßgabe des Umfangs der Erörterungen in der Hauptverhandlung im vorausgegangenen Verfahren die Wahrung des auf § 228 Abs 1 StGB ausgerichteten Verfolgungsrechtes von einer entsprechenden Antragstellung der Staatsanwaltschaft abhängig gewesen wäre.

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