12Os151/93(12Os152/93) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache des Klaus K***** über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Juli 1993, GZ 4 Nsa 82/93-3, und des Oberlandesgerichtes Graz vom 30. August 1993, AZ 9 Bs 329/93, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der am 6.Juni 1965 geborene, zuletzt beschäftigungslose Klaus K***** hatte eine über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 18.November 1992, AZ 14 Vr 1784/92, verhängte Freiheitsstrafe von 10 Monaten im landesgerichtlichen Gefangenenhaus (nunmehr: Justizanstalt) Klagenfurt (bis 19.Juli 1993) und im Anschluß daran zu AZ 14 Ns 23/92 des Landesgerichtes Klagenfurt noch eine weitere Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat zu verbüßen.
Nach einem ihm in der Zeit vom 6.Juli 1993, 12.00 Uhr, bis zum 9.Juli 1993, 12.00 Uhr, gewährten Ausgang trat Klaus K***** die Strafe nicht unverzüglich wieder an, sodaß der Strafvollzug erst nach seiner Wiedereinlieferung in das Gefangenenhaus fortgesetzt werden konnte.
Mit Straferkenntnis des Anstaltsleiters vom 14.Juli 1993 wurde Klaus K***** wegen Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 8 StVG gemäß §§ 109 Z 5, 114 Abs. 1 StVG mit der Ordnungsstrafe des einfachen Hausarrestes in der Dauer von 5 Tagen bestraft. Zugleich wurde "in analoger Anwendung des § 116 Abs. 6 StVG" die von Klaus K***** nach seiner Wiedereinlieferung vom 9.Juli 1993, 14.40 Uhr, bis zum 14.Juli 1993, 14.40 Uhr, in Absonderung (§ 116 Abs. 2 StVG) zugebrachte Zeit in die des einfachen Hausarrestes eingerechnet.
Über Antrag des Anstaltsleiters ordnete das Landesgericht Klagenfurt als Vollzugsgericht mit Beschluß vom 21.Juli 1993, GZ 4 Nsa 82/93-3, die Nichteinrechnung sowohl der Zeit des Ausganges (gemäß § 147 Abs. 4 iVm § 99 Abs. 4 StVG) als auch der von Klaus K***** wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 8 StVG im Hausarrest zugebrachten Zeit (gemäß § 115 StVG) in die Strafzeit an. Der gegen diesen Beschluß nach § 115 StVG erhobenen Beschwerde des Klaus K***** wurde vom Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 30.August 1993, AZ 9 Bs 329/93 (ON 6 des Vollzugsaktes) nicht Folge gegeben.
Die vom Generalprokurator gegen die erwähnten Entscheidungen des Vollzugsgerichtes und des Beschwerdegerichtes über die Nichteinrechnung der Zeit des Hausarrestes in die Strafzeit erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird wie folgt begründet:
"Abgesehen davon, daß die Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) den gesamten Zeitraum mehrerer, unmittelbar nacheinander zu vollziehender Freiheitsstrafen umfaßt und daher die Nichteinrechnung nach § 115 StVG nicht bloß auf eine der zu vollziehenden Freiheitsstrafen zu beschränken ist (Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3, E 10 zu § 115 StVG) wurde im vorliegenden Fall übersehen, daß Klaus K***** in Wahrheit keine Zeit im Hausarrest zugebracht hat. Eine Maßnahme nach § 115 StVG setzt jedoch nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle (unter anderem) voraus, daß der Strafgefangene tatsächlich im Hausarrest angehalten worden ist (arg: "... im Hausarrest zugebrachte Zeit ..."). Dies war hier aber bei einer - unter analoger Anwendung des § 116 Abs. 6 StVG über die bedingte Nachsicht der Ordnungsstrafe des Hausarrestes (§ 109 Z 5 StVG) erfolgen - Einrechnung der Absonderung in der gleichen Dauer im Sinne des § 116 Abs. 2 StVG in den Hausarrest nicht der Fall, weil dadurch der tatsächliche Vollzug dieser Ordnungsstrafe obsolet wurde und das Gesetz die Nichtanrechnung der Zeit einer bloßen Absonderung nicht vorsieht.
Die Nichteinrechnung dieser somit gar nicht im Hausarrest verbrachten Zeit in die Strafzeit nach § 115 StVG verstößt demnach schon aus diesem Grund gegen das Gesetz und bedarf in Anbetracht ihrer für Klaus K***** nachteiligen Auswirkung auch einer Behebung. Dazu kommt noch, daß die Nichteinrechnung einer wegen einer Ordnungswidrigkeit (hier: nach § 107 Abs. 1 Z 8 StVG) im Hausarrest zugebrachten Zeit im übrigen auch noch voraussetzt, daß sich der Strafgefangene durch die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich seiner Arbeitspflicht entzogen hat. Wie aus der Begründung des (auf die Verhängung der Ordnungsstrafe des einfachen Hausarrestes in der Dauer von 5 Tagen lautenden) Straferkenntnisses des Anstaltsleiters vom 14.Juli 1993 hervorgeht (vgl. S 6 des Vollzugsaktes AZ 4 Nsa 82/93 des Landesgerichtes Klagenfurt) hatte der Strafgefangene Klaus K***** auf dem Weg zum Gefangenenhaus, um dort die Strafe nach dem ihm gewährten Ausgang wieder (rechtzeitig) anzutreten, einen Bekannten getroffen, mit diesem gezecht und soviel getrunken, daß er die Kontrolle verlor und deshalb nicht mehr rechtzeitig in das Gefangenenhaus (zum weiteren Strafvollzug) zurückkehren konnte. Er wurde mit rund 2 1/2-stündiger Verspätung (stark betrunken) von der Polizei in das Gefangenenhaus eingeliefert. Dieser sich aus der Aktenlage ergebende Sachverhalt spricht dagegen, daß sich Klaus K***** am 9.Juli 1993 durch die ihm angelastete Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 8 StVG (die darin gelegen war, daß er die Strafe nach dem ihm gewährten Ausgang nicht unverzüglich wieder angetreten hatte) vorsätzlich seiner Arbeitspflicht entzogen hat. Hiezu fehlt im Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21.Juli 1993 jede Feststellung. Aber auch die hiefür vom Oberlandesgericht Graz in der Beschwerdeentscheidung vom 30.August 1993 gegebene Begründung, der Strafgefangene sei vor seinem Ausgang über die Konsequenzen eines verspäteten Wiederantritts der Strafe belehrt worden, ist bei dem gegebenen Sachverhalt für die Annahme eines vorsätzlichen Handelns des Klaus K***** iS des § 115 StVG keineswegs schlüssig und somit nicht tragfähig."
Der Oberste Gerichtshof vermag der Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen nicht beizutreten:
Auszugehen ist davon, daß es sich bei den in § 107 StVG aufgezählten Ordnungswidrigkeiten um Verwaltungsübertretungen im Sinne des VStG handelt und daß mithin - soweit aus den Bestimmungen des StVG nichts anderes folgt - für die Beurteilung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Bestimmungen des VStG gelten (Kunst, StVG § 107 Anm 5). Grundlegend ist unter diesem Aspekt ferner, daß der Vollzug der Absonderung (§ 116 Abs. 2 StVG) und jener des Hausarrestes (§ 114 Abs. 1 StVG) im essentiellen Kernbereich, nämlich der Absonderung des Strafgefangenen von den übrigen Gefangenen, übereinstimmt und mithin die Absonderung als verwaltungsbehördliche Verwahrungshaft iS des § 19 a VStG idF des BG, BGBl 1978/117 gewertet werden kann (Kunst aaO § 116 Anm 4). Daraus folgt, daß - unbeschadet dessen, daß der Anstaltsleiter vorliegend die Absonderung "unter analoger Anwendung des § 116 Abs. 6 StVG" in den Hausarrest einrechnete - der gegenständliche Anrechnungsfall rechtlich so zu bewerten ist wie die Anrechnung einer Vorhaft nach § 38 StGB (siehe Hauer-Leukauf3 Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens § 19 a VStG Anm 2), die Zeit der als verwaltungsbehördliche Vorhaft angerechneten Absonderung mithin einer (tatsächlich) im Hausarrest zugebrachten Zeit gleichzuachten ist.
Der Beschwerde zuwider wurde im gegebenen Fall das Gesetz auch nicht durch die Annahme verletzt, Klaus K***** habe sich durch den nicht unverzüglichen Wiederantritt der Strafe nach einem Ausgang vorsätzlich seiner Arbeitspflicht entzogen. Denn angesichts des dem Alkoholkonsum unter den gegebenen Umständen innewohnenden Vorsatzelements - in nüchternem Zustand gefaßter Entschluß, sich auf dem Weg zum Strafantritt in ein Zechgelage einzulassen - konnte in Zusammenhalt mit dem damit einhergehenden, durch die entsprechende Belehrung des Strafgefangenen induzierten Begleitwissen über die Folgen einer nicht rechtzeitigen Rückkehr die in Rede stehende Konstatierung sehr wohl getroffen werden, ohne mit den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung in Widerspruch zu geraten.
Da in Ansehung der Nichteinrechnung des durch die Absonderung verbüßten Hausarrestes in die Strafzeit bloß in eine der beiden zu verbüßenden Strafen kein Beschwerdeantrag vorliegt und insoweit mangels eines Nachteiles für den Verurteilten auch keine amtswegige Maßnahme (§ 290 Abs. 1 StPO) geboten erscheint, mußte mithin der im ganzen unbegründeten Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben.