JudikaturOGH

4Ob148/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH Co KG, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler Dr.Simon Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag.Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 17. September 1993, GZ 1 R 145, 146/93-15, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.Juni 1993, GZ 37 Cg 255/93s-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.704,80 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.950,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung vom 9.Juni 1993, ON 3, verbot das Erstgericht der Beklagten zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Herausgabe periodischer Druckschriften, insbesondere der Tageszeitung "täglich Alles", Zugaben anzukündigen und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies durch Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel (Preisausschreiben), wie etwa dem Spiel "Lot top", geschieht.

Mit der Behauptung, daß sich die Beklagte an diese ihr am 14.6.1993 zugestellte einstweilige Verfügung trotz deren Vollstreckbarkeit und der schon bewilligten Exekution gemäß § 355 EO nicht halte, sondern das Gewinnspiel weiter durchführe, begehrte die Klägerin am 23.Juni 1993, der Beklagten mit einer weiteren einstweiligen Verfügung aufzutragen, den eingangs wiedergegebenen ersten Absatz des Spruches der einstweiligen Verfügung vom 9.Juni 1993, ON 3, ab sofort bis zum 27. Juni 1993 täglich in jeder Ausgabe von "täglich Alles", jeweils auf der ersten Seite, zu veröffentlichen.

Der Erstrichter erließ diese einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten.

Das Rekursgericht - welches infolge Rekurses gegen die einstweilige Verfügung ON 3 gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof beantragte, die UWG-Novelle 1993 BGBl 227, womit § 9 a UWG geändert wurde, als verfassungswidrig aufzuheben - wies den (zweiten) Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ein ordentlicher Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gemäß § 392 Abs 1 EO könnten zugunsten desselben Anspruches mehrere einstweilige Verfügungen bewilligt werden. Im Hinblick auf die bloß demonstrative Auszählung der Sicherungsmittel in § 382 EO sei auch die Anordnung einer mehrmaligen Veröffentlichung eines titelmäßigen Unterlassungsgebotes nicht schon an sich unzulässig. Die angestrebte Veröffentlichung gehe aber hier über den Sicherungszweck weit hinaus. Sie möge zwar geeignet sein, auf die Beklagte einen wirtschaftlichen Druck auszuüben; damit wäre aber das Ziel noch nicht erreicht, daß sich die Beklagte an das Unterlassungsgebot halte. Gegen die Beklagte müßte Exekution gemäß § 354 EO geführt werden. Das bedeute, daß der einzige Druck der beantragten Veröffentlichung darin bestünde, daß gegen die Beklagte in zwei Exekutionsverfahren - nach § 355 EO auf Grund der ersten und nach § 354 EO auf Grund der zweiten einstweiligen Verfügung - dieselben Beugemittel verhängt würden. Schon daraus folge, daß ein Bedürfnis nach Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung zu verneinen sei. Abschließend sei noch zu bemerken, daß der Rekurs der Beklagten nicht mangels Beschwers zurückzuweisen gewesen sei. Wohl hätte die Beklagte nach dem Exekutionstitel die begehrte Veröffentlichung "ab sofort täglich bis 27.6.1993" vorzunehmen gehabt; das bedeute aber nicht, daß nach diesem Tag der Anspruch nicht mehr vollstreckbar und damit das Rechtsschutzinteresse weggefallen wäre. Die zeitliche Begrenzung sei vielmehr als Leistungstermin zu verstehen, nach dessen Ablauf erst eine Exekutionsführung zulässig sei.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung ON 9 wiederhergestellt wird.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Zutreffend verweist die Klägerin darauf, daß sich der von ihr begehrte Veröffentlichungsauftrag auf eine ganz bestimmte Zeitspanne - nämlich "ab sofort täglich bis 27.6.1993" - bezogen habe. Ein Vollzug dieses Sicherungsantrags käme demnach auch dann, wenn die einstweilige Verfügung wiederhergestellt würde, nicht mehr in Frage.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmitteleinstanzen rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; SZ 53/86; SZ 61/6 uva; Heller-Berger-Stix 648; Fasching IV 13 f und LB2 Rz 1709 ff). Eine Beschwer durch die Kostenentscheidung ist in dritter Instanz - anders als für Rechtsmittel, die an die Gerichte zweiter Instanz gerichtet sind (MietSlg 15.744; EvBl 1971/218; EvBl 1976/225; JBl 1977, 650; MietSlg 29.634; 4 Ob 17/93 ua) - zu verneinen, weil das in der Hauptsache fehlende Anfechtungsinteresse nicht durch das Interesse an der - im Kostenpunkt unanfechtbaren (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) - Kostenentscheidung der zweiten instanz ersetzt werden kann (SZ 37/84; SZ 61/6 mwN). Da der Zeitraum, in welchem die begehrte Veröffentlichung nach dem Willen der Klägerin hätte stattfinden sollen, schon abgelaufen ist, muß dem Revisionsrekurs - so wie etwa einem Rechtsmittel in einem Verfahren über die Besuchsrechtsregelung, wenn der Besuchsrechtstermin bereits verstrichen ist (EFSlg 64.555 ua) - die Beschwer aberkannt werden. Die meritorische Erledigung des Rechtsmittels hätte nämlich keine praktische Auswirkung; sie würde vielmehr nur der Lösung der theoretischen Frage dienen, ob zur Sicherung eines Unterlassungsanspruches auch eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Beklagten die Veröffentlichung eines Unterlassungsgebotes aufgetragen wird, in Frage kommt.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Rechtsmittels - insbesondere auch auf den Zurückweisungsgrund der mangelnden Beschwer - ausdrücklich hingewiesen; ihre Revisionsrekursbeantwortung diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Da das Rechtsschutzinteresse schon bei der Erhebung des Revisionsrekurses gefehlt hat, war § 50 Abs 2 ZPO idF der EO-Novelle 1991 BGBl 628 nicht anzuwenden.

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