9ObA165/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso und Martin Pohnitzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michaela A*****, vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Verein der T*****, vertreten durch den Obmann Dipl.Vw. H***** K*****, dieser vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 57.432,98 S brutto sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.April 1993, GZ 5 Ra 55/93-23, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.Dezember 1992, GZ 47 Cga 41/92-16, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 724,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Fachlehrerin für den hauswirtschaftlichen Fachunterricht. Sie führte im Mai oder Juni 1991 ein erstes Gespräch mit Dr.Alois Z*****, der damals als interimistischer Direktor mit der Leitung der Hotelfachschule Villa B***** und des angeschlossenen Internats betraut und berechtigt war, Erzieherinnen für das Internat einzustellen. Bei diesem Gespräch erklärte die Klägerin, daß sie gerne als Erzieherin arbeiten würde. Bei einem weiteren Gespräch am 13.6.1991 vereinbarte die Klägerin mit Dr.Alois Z*****, daß sie im Wintersemester 1991/92 als Erzieherin im Internat tätig sein solle. Die Klägerin unterschrieb damals einen Revers, in dem ihre Verpflichtung, am 16.9.1991 die Stelle als Erzieherin anzutreten, festgehalten wurde. Ein schriftlicher Dienstvertrag wurde nicht abgeschlossen. Als Lohn wurde der Klägerin ein Bruttogehalt von 14.970 S genannt.
Im August 1991 fand zwischen der Klägerin und dem Obmann der beklagten Partei ein weiteres Gespräch statt, bei dem sich dieser nach den Fertigkeiten der Klägerin erkundigen wollte. Bei diesem Gespräch war nicht die Rede davon, daß die Klägerin nicht als Erzieherin angestellt werden sollte. Zum damaligen Zeitpunkt stand für die Klägerin fest, daß sie im kommenden Schuljahr als Erzieherin in der Villa B***** tätig sein werde.
Mit Schreiben vom 3.9.1991 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß die Stelle als Erzieherin in der Hotelfachschule anderweitig vergeben worden sei, und bedankte sich außerdem für die Bewerbung.
Mit Schreiben ohne Datum teilte die Klägerin dem Vereinsobmann der beklagten Partei mit:
"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 3.9.1991 erlaube ich mir darauf hinzuweisen, daß es sich dabei wohl um ein Mißverständnis handeln muß.
Von einer "Bewerbung" kann bereits keine Rede mehr sein, da ich schon im Mai 1991 seitens des Dr.Z*****, als befugtem Vertreter der Hotelfachschule für Fremdenverkehrsberufe Villa B*****, eine verbindliche Zusage erhalten habe, als Erzieherin im Internat der Villa B***** eine Stelle anzutreten.
Im übrigen liegt auch im Betrieb eine schriftliche Erklärung darüber auf.
Ich ersuche Sie daher, mir umgehend mitzuteilen, ob bzw wann ich diese Stelle antreten kann.
In diesem Zusammenhang betone ich ausdrücklich, daß ich jederzeit bereit bin, meine Arbeitsleistung zu erbringen. Ich mache Sie bereits darauf aufmerksam, daß mein Arbeitsvertrag frühestens zum 31.12.1991 gekündigt werden könnte. Ich werde daher meine Entgeltansprüche bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls auch dann geltend machen, wenn Sie meine Arbeitsleistung nicht in Anspruch nehmen."
Dieses Schreiben ging der beklagten Partei nicht vor dem 16.9.1991 zu. Die Klägerin erschien am 16.9.1991 nicht zur Arbeit und erklärte ihre Arbeitsbereitschaft erstmals mit dem obigen Schreiben.
Die Klägerin begehrt 57.432,98 S brutto sA an Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung für drei Monate und brachte vor, daß sie mit dem im Sommersemester 1991 mit der Leitung des Internats und der Hotelfachschule betrauten Dr.Alois Z***** ein Dienstverhältnis als Erzieherin im Internat ab Beginn des Wintersemesters 1991/92 vereinbart habe. Am 23.8.1991 habe über Aufforderung des Obmannes der beklagten Partei ein Gespräch stattgefunden, bei dem sich dieser in einer Weise verhalten habe, die eher einem Stellenbewerbungsgespräch als einem Gespräch mit einer angestellten Dienstnehmerin entsproche habe. Am 3.9.1991 habe die Klägerin sodann eine schriftliche "Absage" erhalten, aus der hervorgehe, daß ein Dienstverhältnis mit der Klägerin nicht angestrebt werde. Dies sei für den Fall, daß ein Dienstverhältnis bestehen sollte, als Entlassung zu werten.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß ein Dienstverhältnis nicht begründet worden sei. Das in Aussicht genommene Dienstverhältnis unterliege überdies nicht dem Angestelltengesetz, so daß der Klägerin selbst bei Zutreffen ihrer Behauptungen lediglich eine Kündigungsentschädigung für 14 Tage zustünde. Die Klägerin habe aufgrund des Schreibens der beklagten Partei vom 3.9.1991 am 16.9.1991 die Arbeit nicht angetreten. Erst im November 1991 habe sie gegenüber der beklagten Partei erklärt, die Stelle antreten zu wollen. Da diese Erklärung erst so spät erfolgt sei, habe die beklagte Partei davon ausgehen können, daß ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht zustande gekommen sei bzw die Klägerin konkludent darauf verzichtet habe. Das Schreiben vom 3.9.1991 enthalte keine Entlassungserklärung. Hätte sich daraus für die Klägerin eine unklare Situation ergeben, hätte sie spätestens zu Beginn des von ihr behaupteten Arbeitsverhältnisses am 16.9.1991 eine Klarstellung anstreben müssen. Da sie dies unterlassen habe, habe die beklagte Partei nur die bereits dargelegten Schlüsse ziehen können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 7.573,79 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Da das Internat keine private Unterrichtsanstalt im Sinne des § 2 Abs 1 Z 8 AngG sei, sei das wirksam zustande gekommene Dienstverhältnis nach den Bestimmungen der §§ 1151 ff ABGB zu beurteilen. Der Klägerin gebühre daher Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung nur für 14 Tage.
Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Klägerin stütze ihr Begehren offenbar auf die §§ 30 und 31 AngG, wonach Ansprüche im Ausmaß einer Kündigungsentschädigung für den Fall zustünden, daß der Dienstgeber vor Antritt des Dienstes vom Vertrag zurücktrete. Auch hiebei handle es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Dem Schreiben vom 3.9.1991 könne aber ein auf Auflösung eines abgeschlossenen Dienstvertrages gerichteter Wille nicht entnommen werden. Gehe man von den Klagebehauptungen aus, daß die Klägerin das Gespräch vom 23.8.1991 eher für ein Vorstellungsgespräch als ein Gespräch mit einer bereits fix angestellten Dienstnehmerin gehalten habe, sei auffällig, daß die Klägerin den Obmann der beklagten Partei nicht schon bei diesem Gespräch auf die mit Dr.Alois Z***** getroffene Vereinbarung aufmerksam gemacht habe. Aus dem Schreiben vom 3.9.1991 habe die Klägerin aber zweifelsfrei erkennen müssen, daß der Obmann der beklagten Partei nicht von einem bereits mit Dr.Alois Z***** abgeschlossenen Vertrag ausgegangen sei. Die Klägerin hätte daraufhin den offensichtlichen Irrtum der beklagten Partei sofort aufklären oder zumindest auf den bestehenden Vertrag hinweisen müssen. Da die Klägerin weder sofort auf dieses Schreiben reagiert, noch den Dienst angetreten habe, habe die beklagte Partei annehmen dürfen, daß die Klägerin an dem Dienstverhältnis nicht festhalte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die beklagte Partei aufgrund des Verhaltens der Klägerin annehmen dürfte, daß sie am Dienstverhältnis nicht festhalte, entspricht dem Vorbringen der beklagten Partei in der Tagsatzung vom 26.11.1992 (AS 97 und 101 f); der Vorwurf der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe die Parteien mit dieser Rechtsauffassung überrascht, ist daher unberechtigt.
Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.
Die Klägerin hat vorgebracht, daß sich der Obmann der beklagten Partei bei dem Gespräch vom 23.8.1991 ihr gegenüber so verhalten habe, als handle es sich nur um die Bewerbung um eine Stelle und nicht um eine bereits vereinbarte Anstellung. Wenn die Klägerin nun schon bei diesem Gespräch nicht auf ihre bereits erfolgte Anstellung durch den interimistischen Direktor Dr.Alois Z***** - der diese Funktion nur bis 30.6.1991 inne hatte - hinwies, weil sie diesen auffallenden Widerspruch zu wenig Bedeutung beimaß und vom Vertragsabschluß überzeugt war, wäre die Klägerin, wenn sie weiterhin am Vertrag festhielt, zu einer solchen Klarstellung jedenfalls unmittelbar nach Empfang des Schreibens des Obmannes der beklagten Partei vom 3.9.1991, in dem ihr die anderweitige Vergabe der Stelle mitgeteilt und für ihre Bewerbung gedankt wurde, verpflichtet gewesen. Hat die Klägerin aber diesen deutlich erkennbaren Irrtum der beklagten Partei über das Zustandekommen des Vertrages nicht aufgeklärt, kann sie sich nicht darauf berufen, daß die beklagte Partei mit Schreiben vom 3.9.1991 zu erkennen gegeben habe, daß sie den gültig zustande gekommenen Dienstvertrag nicht einhalten wolle; da ein solcher Wille der beklagten Partei aus diesem Schreiben nicht hervorgeht, kann die Klägerin ihr Nichterscheinen zum vereinbarten Dienstantritt am 16.9.1991 nicht mit einem unberechtigten Rücktritt des Dienstgebers vom Vertrag rechtfertigen. Das Nichterscheinen der Klägerin zum vereinbarten Antrittstermin kann daher - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - bei Bedachtnahme auf ihr vorangegangenes Verhalten nur als konkludenter Verzicht auf die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages gewertet werden (vgl Martinek-M.und W.Schwarz AngG7, 751; DRdA 1988/8 [nur im Ergebnis zust, eher in Richtung Rechtsmißbrauch argumentierend Kerschner]).
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.