8Ob593/93(8Ob594/93) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Kodek, Dr.Birgit Jelinek und Dr.Ronald Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Herzog von C*****-Stiftung, ***** vertreten durch Cerha, Hempel Spiegelfeld, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag.Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert für das Provisorialverfahren S 20,000.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.Mai 1993, GZ 3 R 43/93-34, womit die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 9.Juli 1992 und vom 4.Feber 1993, GZ 14 Cg 87/92-7 und 24, abgeändert wurden, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung einstweilen selbst zu tragen; die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagende Stiftung beantragte zur Sicherung ihres Klagebegehrens, die beklagte Aktiengesellschaft sei schuldig, die Vornahme von Aufsuchungstätigkeiten, insbesondere mit Hilfe von Vibrationsfahrzeugen, und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten, insbesondere seismische Untersuchungen, auf ihren Grundstücken im Almtal zu unterlassen, eine gleichlautende einstweilige Verfügung zu erlassen.
Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang diesen Antrag ohne Anhörung der Gegnerin der gefährdeten Partei ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der gefährdeten Partei Folge und erließ gegen Sicherheitsleistung die beantragte einstweilige Verfügung.
Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurück (8 Ob 626/92, ON 18). Zur Begründung wurde im wesentlichen angeführt: Das rekursgerichtliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil sich das Rekursgericht, von der unrichtigen Rechtsansicht der rechtswirksamen Vertretung der Gegnerin der gefährdeten Partei durch eines ihrer Vorstandsmitglieder ausgehend, mit den Fragen der Bevollmächtigung dieses Vorstandsmitglieds durch andere Gesamtvertreter, des Vorliegens einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht und der Genehmigung der Scheinvertretungshandlungen durch späteres Verhalten anderer Gesamtvertreter nicht ausreichend auseinandergesetzt und darüber keine Feststellungen getroffen habe. Die Feststellungen der Vorinstanzen ließen auch die Beurteilung der Frage, ob zwischen den handelnden Personen am 17.2.1971 Konsens erzielt wurde, deshalb nicht zu, weil das vom Rekursgericht durchgeführte Beweisverfahren auch insofern mangelhaft geblieben sei, als die von der gefährdeten Partei beantragten Auskunftspersonen gar nicht vernommen wurden. In rechtlicher Hinsicht sei zu bedenken, daß die von der gefährdeten Partei behauptete Vereinbarung eine einleitende Willenserklärung (Anbot) und deren Annahme durch den Erklärungsempfänger voraussetzten. Eine Offerte sei nur dann zur Annahme geeignet, wenn sie inhaltlich ausreichend bestimmt sei, und in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck komme. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein derartiger Bindungswille vorliege, sei die Warte eines aufmerksamen Adressaten; von seinem Standpunkt aus müsse die Erklärung den endgültigen Willen erkennen lassen, damit eine rechtliche Bindung zu erwirken. Im fortgesetzten Verfahren werde daher allenfalls auch zu prüfen sein, wie ein aufmerksamer Adressat die Erklärungen des Vorstandsmitglieds der Gegnerin der gefährdeten Partei verstehen konnte und ob überhaupt und in welcher Form die gefährdete Partei das Anbot angenommen habe. Allerdings ermögliche § 864 ABGB auch einen Vertragsabschluß durch Annahmehandlung, "tatsächliches Entsprechen". Durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aufgrund des Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei sei das Verfahren nunmehr zweiseitig geworden, sodaß auch das Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung und im Widerspruch zu berücksichtigen sein werde.
Entgegen der Anordnung des Obersten Gerichtshofes, die Verfahrensergänzung selbst durchzuführen, stellte das Rekursgericht mit Beschluß ON 19 den Akt dem Erstgericht mit dem Auftrag zurück, über den Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegnerin der gefährdeten Partei in ihrem Widerspruch neu zu entscheiden. Trotz Rüge des Vertreters des Gegners der gefährdeten Partei, das Verfahren vor dem Erstgericht und die neuerliche Beschlußfassung seien nichtig, weil über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung bereits abweisend entschieden und der Beschluß nicht aufgehoben worden sei, vernahm das Erstgericht einen Teil der beantragten Auskunftspersonen und wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wiederum ab. Es nahm als bescheinigt an, daß Generaldirektor Dr.B***** im Februar 1971 zwar seine Absicht geäußert habe, derzeit keine Aufsuchungstätigkeiten in Auftrag zu geben, es aber zu einer (verbindlichen) Erklärung, keine Aufsuchungstätigkeiten durchzuführen, nicht gekommen sei. Gemäß §§ 170 ff BergG seien die von der Republik Österreich als Aufsuchungsberechtigte von bundeseigenen Mineralien erlassenen Bescheide inhaltlich einer Teilenteignung gleichzusetzen. Die Gegnerin der gefährdeten Partei habe das Aufsuchungsrecht originär erworben; diese öffentlich-rechtliche Entscheidung gehe jedenfalls einer privatrechtlichen Verpflichtung vor.
Das Rekursgericht befaßte sich aus Anlaß des Rekurses der gefährdeten Partei gegen den neuerlichen Abweisungsbeschluß des Erstgerichtes mit der von der Gegnerin der gefährdeten Partei in der Rekursbeantwortung behaupteten Nichtigkeit und verneinte diese. Der (erste) Beschluß des Erstgerichtes, mit dem es den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgewiesen hatte, sei infolge des durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes, mit dem die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung zur Verfahrensergänzung aufgehoben worden war, wieder anhängig gewordenen Rekurses nicht wieder (endgültig) in Kraft getreten. Das Rekursgericht ergänzte jedoch nunmehr das Provisiorialverfahren - wie ihm vom Obersten Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluß im ersten Rechtsgang (ON 18) aufgetragen worden war - durch die Vernehmung der übrigen namhaft gemachten Auskunftspersonen selbst, nahm aufgrund dieser Ergänzungen den aus ON 34 S. 12 bis 27 ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an und erließ gegen eine erhöhte Sicherheitsleistung die beantragte einstweilige Verfügung. Unter Berücksichtigung der vom Obersten Gerichtshof für die Beurteilung als maßgeblich bezeichneten Kriterien habe die gefährdete Partei das Vorliegen einer Vereinbarung glaubhaft gemacht, wonach die Gegnerin der gefährdeten Partei gegenüber der gefährdeten Partei auf die Durchführung jeder bergbaulichen Untersuchungstätigkeit im Almtal unter der Voraussetzung der Vornahme umfangreicher fremdenverkehrsfördernder Investitionen durch die gefährdete Partei verzichtet habe. Diese Voraussetzungen habe diese in der Folge erfüllt. Es läge nicht bloß eine Erklärung des (grundsätzlich) nicht allein vertretungsbefugten Generaldirektors Dr.B***** vor, sondern es könne aus dem nachfolgenden Verhalten der Gegnerin der gefährdeten Partei abgeleitet werden, daß diese eine rechtlich bindende Verpflichtung eingegangen sei und anerkannt habe:
Es läge insbesondere ein nachfolgendes firmenmäßig ausreichend gefertigtes Schreiben vom 8.6.1979 vor, in dem auf eine solche Vereinbarung Bezug genommen werde, ohne daß dort der Einwand der mangelnden Vertretungsbefugnis Generaldirektor Dr.B*****s erhoben worden sei; damals sei auch ein Vertreter der Gegnerin der gefährdeten Partei zu weiteren Besprechungen mit der gefährdeten Partei entsandt worden. Auch aus der tatsächlichen Unterlassung von Aufsuchungstätigkeiten durch über 15 Jahre ließe sich ableiten, daß die Gegnerin der gefährdeten Partei die von der gefährdeten Partei behauptete rechtlich verbindliche Verpflichtung wirklich eingegangen sei. Der Vertretungsmangel sei daher geheilt worden. Für das Provisorialverfahren sei ausreichend bescheinigt, daß die Gegnerin der gefährdeten Partei mit Vertrag vom 17.2.1971 auf die Ausübung der Aufsuchungsrechte verzichtet habe. Ebenso sei die konkrete Gefährdung bescheinigt. Laut Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30.6.1992 dürften nämlich ab 1.6.1993 seismische Untersuchungen durchgeführt werden. Dieser Bescheid (mit dem die gefährdete Partei eine bescheidmäßige Zwangseinweisung gemäß § 172 BergG erwirkt habe) gehe entgegen der Ansicht des Erstgerichtes keinesfalls einer privatrechtlichen Verpflichtung vor. Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof sei aber zuzulassen, weil dieser zu der zuletzt genannten Rechtsfrage im ersten Rechtsgang nicht Stellung genommen habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes ON 34 und den ihm (auch) zugrundeliegenden Beschluß des Erstgerichtes ON 24 als nichtig aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, über den Rekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 7 neuerlich zu entscheiden; hilfsweise begehrt sie, der Oberste Gerichtshof möge den angefochtenen Beschluß dahin abändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde.
Die gefährdete Partei beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.
1. Die Revisionsrekurswerberin gesteht selbst zu, daß das Rekursgericht die Frage, weshalb es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen hat, zutreffend gelöst hat; aus diesem Grund bekämpft sie auch den aus dem gleichen Grund gefaßten Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausdrücklich nicht; der gebrauchte Abweisungsgrund liege nicht vor; das Berufungsgericht habe mit diesem Aufhebungsbeschluß keine unrichtige Rechtsansicht überbunden (Revisionsrekurs ON 36 S. 2). Sie verzichtet daher, aus diesem Grund einen Revisionsrekurs zu erheben.
2. Die Revisionsrekurswerberin meint, der Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht
a) eine nichtige Entscheidung getroffen habe und diese Nichtigkeit eine erhebliche Rechtsfrage betreffe;
b) von der überbundenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei, in dem es die sich stellenden Rechtsfragen zur Vertretungsbefugnis, Duldungs- und Anscheinsvollmacht und Erklärung des Bindungswillens im Gegensatz zur anerkannten Lehre und Rechtsprechung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise rechtsunrichtig gelöst und die Aufträge des Obersten Gerichtshofes zur Verfahrensergänzung nicht gehörig befolgt habe, und
c) das Wesen einer Entscheidung im Provisorialverfahren verkannt habe, indem es meinte, sich nicht nur in tatsächlicher Hinsicht mit einer Glaubhaftmachung anstatt eines strikten Beweises, sondern auch in rechtlicher Hinsicht mit oberflächlichen und kursorischen Wahrscheinlichkeitserwägungen zufrieden geben zu können.
Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig:
ad a) Das Verfahren ab dem Beschluß ON 19 ist nicht mit Nichtigkeit behaftet. Dieser Beschluß kann - entgegen seiner mißglückten Diktion und seiner mißverständlichen Rechtfertigung im nun angefochtenen Beschluß - wegen seines Auftrages an das Erstgericht, nach Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens über den Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung der einstweiligen Verfügung neu zu entscheiden, vernünftigerweise doch nur dahin verstanden werden - und wurde vom Erstgericht auch so verstanden -, daß das Rekursgericht hiemit unzweifelhaft schlüssig auch den erstgerichtlichen Beschluß aufhob. Es erübrigt sich daher, darauf einzugehen, ob die behauptete Nichtigkeit in diesem Stadium des Verfahrens überhaupt noch hätte wahrgenommen werden können und ob sie durch die nachfolgende, der Anordnung des Obersten Gerichtshofes nun voll entsprechende Vorgangsweise des Rekursgerichtes jedenfalls saniert wurde.
Gegenstand des ergänzenden Verfahrens vor dem Rekursgericht war nicht die Entscheidung über den Widerspruch; vielmehr hat das Rekursgericht, letztlich doch dem Auftrag des Obersten Gerichtshofes entsprechend, eine Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens, für das keine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegnerin der gefährdeten Partei in der Klagebeantwortung und im Widerspruch vorgenommen, weil das Verfahren inzwischen zweiseitig geworden war, und es hat folgerichtig auch den Widerspruch zurückgewiesen (vgl § 397 Abs 1 EO).
ad b) Im übrigen hat das Rekursgericht - entgegen den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin (S. 14 bis 30) - die ihr vom Obersten Gerichtshof aufgetragenen Ergänzungen vorgenommen und sich bei der Beurteilung des Bescheinigungsergebnisses im Rahmen der ihr vom Obersten Gerichtshof überbundenen Rechtsansicht gehalten, sodaß der Revisionsrekurs auch aus diesem Grund nicht zulässig ist. Es folgerte nämlich aus den getroffenen Bescheinigungsergebnissen im Einklang mit der ihr überbundenen Rechtsansicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Vertreter der gefährdeten Partei als aufmerksamer Adressat die Erklärungen des (an sich) nicht allein vertretungsbefugten Organs der Gegnerin der gefährdeten Partei Dr.B***** vom 17.2.1971 unter der Bedingung der Erbringung der versprochenen Investitionen der gefährdeten Partei für den Fremdenverkehr als bindend ansehen konnte, der Vertretungsmangel der Gegnerin der gefährdeten Partei durch das ihr zuzurechnende nachfolgende Verhalten (insbesondere durch Korrespondenz und Verhandlungen durch Vertretungsbefugte) geheilt wurde (die offensichtlich irrtümlich gewählte Terminologie "Heilung nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht" auf S.32 erster Absatz aE schadet nicht) und die gefährdete Partei das hinreichend inhaltlich bestimmte Anbot durch "tatsächliches Entsprechen" (Investitionen im versprochenen Sinn) auch angenommen hat.
ad c) Nicht das Rekursgericht, sondern die Revisionsrekurswerberin verkennt das Wesen des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung: Es ist summarischer Art und soll eine vorläufige Beurteilung des Anspruchs der gefährdeten Partei ermöglichen. Diesen Grundsätzen widerspricht das rekursgerichtliche Verfahren nicht. In Wahrheit versucht die Revisionsrekurswerberin auch mit diesen Ausführungen, in unzulässiger Weise die vom Rekursgericht vorgenommene Beweiswürdigung im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens zu bekämpfen. Die endgültige und abschließende Klärung ist - wie das Rekursgericht ausdrücklich hervorgehoben hat (ON 34 S. 32 f) - dem Hauptverfahren vorbehalten; dort wird die Revisionsrekurswerberin Gelegenheit haben, durch ausführliche Befragung auf die Verbreiterung der Tatsachengrundlagen zu dringen; auf dieser Basis kann dann auch die abschließende rechtliche Beurteilung erfolgen.
Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der klagenden Partei auf § 393 EO; die hinsichtlich der beklagten Partei auf die §§ 402 und 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.