11Os97/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Jänner 1993, GZ 8 Vr 3089/92-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28.Jänner 1993, GZ 8 Vr 3089/92-18, verletzt, soweit Wolfgang S***** in Punkt 2. des Schuldspruchs auch des Verbrechens der Dienstentziehung durch Täuschung nach § 11 Abs. 2 MilStG schuldig erkannt wurde, das Gesetz in dieser Bestimmung.
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß den §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Wolfgang S***** wird von der Anklage, sich in der Zeit ab 16.Oktober 1992 in G***** und Z***** durch grobe Täuschung über Tatsachen dem Dienst im Bundesheer im Wege einer vorzeitigen Entlassung aus dem Präsenzdienst für immer zu entziehen gesucht und dadurch das Verbrechen der Dienstentziehung durch Täuschung nach § 11 Abs. 2 MilStG begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs unverändert zur Last liegende Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB wird Wolfgang S***** nach dieser Gesetzesstelle zu 18 (achtzehn) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28.Jänner 1993, GZ 8 Vr 3089/92-18, wurde Wolfgang S***** der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB (1. des Urteilsspruchs) und der Dienstentziehung durch Täuschung nach § 11 Abs. 2 MilStG (2.) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen zum Urteilsfaktum 2. gelang es dem seit 1.Juli 1992 Präsenzdienst versehenden Wolfgang S***** in Verfolgung des Zieles, wiederholt dienstfreigestellt zu werden und seine vorzeitige Entlassung aus dem Präsenzdienst vorzubereiten, durch die wahrheitswidrige Behauptung, der elterliche Bauernhof sei abgebrannt, in der Zeit vom 21. bis 25.August 1992 eine Dienstfreistellung zu erwirken. Nach einer weiteren Dienstfreistellung wegen eines Behördenweges in der Zeit vom 15. bis 16. Oktober 1992 ließ der Angeklagte zunächst seinem militärischen Vorgesetzten ausrichten, er habe daheim ein Dach zu reparieren, führte am 19.Oktober 1992 mit ihm ein diese (tatsachenwidrige) Behauptung betreffendes Telefonat, brachte in der Grazer Gablenzkaserne mit gleichlautender Begründung einen Antrag auf vorzeitige Entlassung ein, erwirkte in der weiteren Folge die Ausstellung einer Bestätigung durch die Gemeinde Z***** über die (in Wahrheit nicht vorliegende) Pflegebedürftigkeit seiner Großmutter und beschloß schließlich in der Annahme, daß all diese Täuschungshandlungen nicht ausreichend sein werden, einen Brand zu legen. Tatplangemäß steckte er am 19.Oktober 1992 das Wirtschaftsgebäude des von seiner (mit ihm in Wohngemeinschaft wohnenden) Großmutter gepachteten Bauernhofs mit dem Vorsatz in Brand, Organen des Bundesheeres seine Unentbehrlichkeit für die Aufräumungs- und Wiedererrichtungsarbeiten vorzutäuschen.
Rechtliche Beurteilung
Zur subjektiven Tatseite stützte sich das Schöffengericht auf die vermeintlich geständige Verantwortung des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung angab, daß er das in Rede stehende Gebäude in Brand gesetzt habe, um - infolge dadurch herbeigeführter Unabkömmlichkeit - "doch noch einen Aufschub zu erwirken".
Das den Urteilsfeststellungen zugrunde liegende Substrat reicht in subjektiver Hinsicht nicht aus, um die Tat dem § 11 (Abs. 2, aber auch Abs. 1) StGB zu unterstellen, weil abgesehen davon, daß fallbezogen die erforderliche subjektive Reichweite der Täuschungsbestrebungen des Angeklagten nicht konkretisierbar und Feststellungen zur (unbegrenzten) Dauer der angestrebten Dienstentziehung - auch in einem weiteren Rechtsgang - nicht möglich sind, berücksichtigt werden muß, daß § 36 Wehrgesetz im Falle der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes aus rücksichtwürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen eine Überprüfung und gegebenenfalls die Feststellung des Wegfalls der gesetzlichen Voraussetzungen vorsieht.
Bei der im gegebenen Sachzusammenhang gebotenen komplexen Beurteilung des inkriminierten Verhaltens wird das davon umfaßte subjektive Dauerelement durch die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 7.Jänner 1993, mit welcher der Angeklagte des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 erster Fall MilStG schuldig erkannt wurde, weil er in der Zeit vom 16.Oktober 1992, 12,30 Uhr, bis 20.Oktober 1992, 19,15 Uhr, seiner Truppe fernblieb und sich dadurch dem Dienst für länger als vierundzwanzig Stunden, jedoch nicht länger als acht Tage entzog, abgedeckt. Das darüber hinaus Wolfgang S***** im Schuldspruchsfaktum 2. angelastete Tatverhalten erfüllt in subjektiver Hinsicht nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 MilStG, sodaß in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der auf § 11 Abs. 2 MilStG gegründete Schuldspruch des Angeklagten aufzuheben und in diesem Umfang mit einem Freispruch vorzugehen war.
Infolge Teilaufhebung des Schuldspruchs war auch der Strafausspruch zu kassieren und die Strafe neu zu bemessen. Dabei war kein Umstand erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis.
Ausgehend davon erwies sich eine bedingt nachgesehene, an der Untergrenze der aktuellen Strafdrohung liegende Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten als sowohl der Tatschuld als auch dem verwirklichten Unrecht angemessen, sodaß insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.