10ObS126/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf und Dr.Richard Warnung (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinrich H*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen vorzeitiger Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.April 1993, GZ 8 Rs 128/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30.Juli 1992, GZ 23 Cgs 2/92-10, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 19.11.1991 wurde dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 131 GSVG ab 1.10.1991 in Höhe von S 9.789,10 gewährt.
Der Kläger begehrt die Zahlung einer höheren Alterspension unter Berücksichtigung der Zeiten von Juli 1940 bis August 1943 (Lehrzeit) und von Februar 1946 bis Februar 1951 (Tätigkeit im elterlichen Betrieb) als weitere Versicherungszeiten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Sie wendete unter anderem ein, daß die Zeit der Beschäftigung im elterlichen Betrieb nicht als Versicherungszeit anerkannt werden könne.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der am 7.11.1926 geborene Kläger war vom Juli 1940 bis August 1943 als Handelslehrling im Betrieb der Firma H. und R.H***** und in einem anderen Betrieb beschäftigt. Von Feber 1946 bis Feber 1951 war der Kläger als Verkäufer in der Firma H. und R.H***** beschäftigt. Bei dieser Firma handelte es sich um eine offene Handelsgesellschaft, an der der Vater des Klägers Heinrich H***** und der Onkel des Klägers Richard H***** als persönlich haftende Gesellschafter, ab 1.1.1951 unter anderem auch der Kläger als weiterer persönlich haftender Gesellschafter beteiligt waren. Der Betrieb war in zwei Betriebsabteilungen gegliedert, wobei sich der Vater des Klägers mit der Abteilung Handel und Vertrieb befaßte, hingegen der Onkel des Klägers mit der Abteilung Getränkeerzeugung. Für den genannten Zeitraum wurden für den Kläger keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß § 226 ASVG könnten Beitragszeiten aus der Zeit vor dem 1.1.1956 nur jene Zeiten sein, die als Beitragszeiten nach dem am 31.12.1955 in Geltung gestandenen Vorschriften anerkannt waren. Da der Kläger in der Zeit von Feber 1946 bis Feber 1951 keine Beiträge geleistet habe, könne eine Anrechnung dieser Zeiten als Beitragszeiten nicht erfolgen. Die Tätigkeit des Klägers bei der Firma H.und R.H***** im Feber 1946 bis Feber 1951 könne auch nicht als Ersatzzeit gemäß § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG angerechnet werden, weil allein schon die Beteiligung des Onkels des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft einer Qualifikation im Sinne einer Beschäftigung im elterlichen Betrieb entgegenstehe. Da die Zeiten vom Feber 1946 bis Feber 1951 weder als Beitrags- noch als Ersatzzeiten angerechnet werden könnten, sei auch eine Berücksichtigung der Lehrzeiten als Ersatzzeiten nach § 228 Abs 1 Z 9 ASVG nicht möglich; nach dem GSVG sei eine Berücksichtigung von Lehrzeiten nicht vorgesehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Urteil dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger - in Wiederholung des angefochtenen und durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheides - eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1.10.1991 von monatlich S 9.789,10 und ab 1.1.1992 von S 10.180,70 zu gewähren, hingegen das Mehrbegehren auf Zahlung einer höheren Alterspension unter Berücksichtigung der Versicherungszeiten von Juli 1940 bis August 1943 und von Feber 1946 bis Feber 1951 abwies. Eine Anrechnung nach § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG komme, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt habe, deshalb nicht in Betracht, weil neben dem Vater des Klägers auch sein Onkel persönlich haftender Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft gewesen sei und dieser Gesellschaft damit eine Person angehört habe, die in der Aufzählung der genannten Gesetzesstelle nicht enthalten sei. Der Umstand, daß innerbetrieblich eine Aufteilung in eine Handels- und Vertriebsabteilung einerseits und eine Getränkeerzeugungsabteilung andererseits vorgenommen worden sei, können als lediglich betriebswirtschaftliches Moment keine Berücksichtigung finden.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gegenstand der Revisionsausführungen bildet lediglich die Frage, ob der Kläger im Zeitraum Feber 1946 bis Feber 1951 eine Beschäftigung im elterlichen Betrieb ausübte. Gemäß § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1.1.1956 in der Pensionsversicherung der Arbeiter bzw. der Angestellten überdies vor dem Zeitpunkt der Einführung der Pflichtversicherung in der Pensions-(Renten)versicherung gelegene Zeiten, für die der Versicherte die Ausübung einer Beschäftigung im Betriebe der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern, die bei früherem Wirksamkeitsbeginn der Bestimmungen des ASVG die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet hätte, nachweist. Die EB zur RV der 29.ASVG-Nov. (404 BlgNR 13.GP 99) führen hiezu aus:
"Die im elterlichen Betrieb als Dienstnehmer oder ohne Entgelt mitarbeitenden Kinder waren seit dem Wirksamkeitsbeginn des ASVG (1.1.1956) auf Grund des § 8 Abs 1 Z 2 ASVG in der Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert, soweit es sich nicht um eine Beschäftigung in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handelte ................. An das Bundesministerium für soziale Verwaltung wurde wiederholt die Anregung herangetragen, für die vor dem 1.1.1956 gelegenen Zeiten einer Beschäftigung im elterlichen Betrieb, die damals keine Pflichtversicherung nach sich zog, eine Anrechnungsmöglichkeit zu schaffen. Diesem Wunsch kann insofern Berechtigung nicht abgesprochen werden, als schon in anderen Fällen, in denen bestimmte Personengruppen in die Pflichtversicherung einbezogen wurden, vorher gelegenen Zeiten einer solchen Erwerbstätigkeit bei der Ersatzzeitenanrechnung berücksichtigt wurden. Dies gilt insbesondere für die in § 4 Abs 3 und § 7 Z 2 lit b ASVG genannten Personengruppen, für die gemäß § 229 Abs 1 Z 4 ASVG durch Einbeziehung in die Pauschalanrechnung eine Ersatzzeitenregelung getroffen wurde. Diese Regelung soll nunmehr auf die im elterlichen Betrieb tätig gewesenen Kinder ausgedehnt werden, wobei jene Zeiten der Beschäftigung im elterlichen Betrieb erfaßt werden, die bei früherem Wirksamkeitsbeginn der Bestimmungen des ASVG über die Pflichtversicherung dieser Personen diese Pflichtversicherung begründet hätten ......................"
Wie der Oberste Gerichtshof in der schon von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung SSV-NF 3/31 dargelegt hat, stellt diese Bestimmung ausschließlich auf die Beschäftigung in einem "elterlichen" Betrieb ab. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, einer extensiven Interpretation stehe der Charakter der Norm als einer Ausnahmsbestimmung entgegen. Es könne ungeprüft bleiben, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Ersatzzeiten im Sinne dieser Bestimmung auch gegeben seien, wenn die Beschäftigung im Betrieb einer Handelsgesellschaft erfolgte, deren alleinige persönlich haftende Gesellschafter die Eltern waren (SSV-NF 25/29); selbst wenn man dieser Ansicht folge, wäre für den Kläger hieraus nichts gewonnen, weil er nach den Feststellungen in der fraglichen Zeit im Betrieb einer Kommanditgesellschaft tätig gewesen sei, der als Komplementär neben seinem Vater auch ein Onkel und damit eine Person angehört habe, die in der Aufzählung des § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG nicht enthalten sei. Damit seien die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beschäftigung nicht in einem Betrieb erfolgt sei, auf den die in dieser Norm genannten Bedingungen zutreffen würden.
Die genannte Entscheidung betraf einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt, zumal hinsichtlich der rechtlichen Stellung von Komplementären einer Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) und von (persönlich haftenden) Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft (§ 105 HGB) als Dienstgeber kein wesentlicher Unterschied besteht. Der erkennende Senat hält an der in der genannten Entscheidung vertretenen Rechtsansicht fest. Die Revisionsausführungen sind nicht geeignet, Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Auffassung zu erwecken.
Es mag durchaus sein, daß der Ausdruck "Betrieb" nicht zu eng aufzufassen ist, und daß als Betrieb in diesem Sinn etwa auch die Kanzlei eines Rechtsanwaltes oder die Praxis eines Arztes, wie überhaupt jede Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, nicht dagegen der Haushalt der Eltern usw. anzusehen sein wird (ASVG MGA 44. ErgLfg 100 Anm.3b zu § 4 mwN). Dies ändert nichts daran, daß der Kläger im Betrieb einer offenen Handelsgesellschaft beschäftigt war, - der betriebswirtschaftlich - in zwei Abteilungen gegliedert war, nämlich in die Getränkeerzeugung einerseits und den Handel und Vertrieb andererseits. Gesellschafter waren nicht die Eltern des Klägers, sondern sein Vater und sein Onkel. In diesem Zusammenhang muß nicht zu der unterschiedlich beantworteten Frage Stellung genommen werden, ob die einzelnen Gesellschafter einer OHG Dienstgeber sind (so etwa Schwarz-Löschnigg ArbR4 129 unter Hinweis auf LG Wien Arb 5554) oder ob die offene Handelsgesellschaft selbst Dienstgeber ist, weil den Gesellschaften des Handelsrechts diesbezüglich eigene Rechtsfähigkeit zukommt (so etwa Krejci in Rummel ABGB2 Rz 144 zu § 1151 unter Hinweis auf SZ 44/114, EvBl 1964/13, GesRZ 1972, 50). Beide Auffassungen führen nämlich im vorliegenden Fall zum Ergebnis, daß Dienstgeber entweder der Vater und der Onkel des Klägers gemeinsam waren oder aber die Gesellschaft selbst, die wiederum aus dem Vater und dem Onkel als den beiden (persönlich haftenden) Gesellschaftern bestand. Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, daß der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Dienstgebereigenschaft von Personengesellschaften des Handelsrechts im Sinne des § 35 ASVG nunmehr die Rechtsauffassung vertritt, daß nur der Gesellschaft und nicht auch den Gesellschaftern (Komplementären) die Dienstgebereigenschaft zukommt, somit eine Durchgriff auf die Gesellschafter in Hinsicht auf ihre Dienstgebereigenschaft abzulehnen ist (VwGH 10.12.1986, 83/08/0200, SoSi 1987, 248 = JBl 1987, 401; aA. OLG Wien SSV 25/29).
Der Hinweis des Revisionswerbers, daß zwei getrennte Betriebsabteilungen im Sinne des § 9 ArbVG vorliegen würden, ist nicht zielführend § 9 ArbVG regelt nämlich Kollektivvertragskollisionen, d.h. Fälle, in denen für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis die Anwendung von zwei oder mehreren Kollektivverträgen in Frage kommt (Cerny ArbVG9 60). Verfügt demnach ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung. Die Regelung gilt sinngemäß, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt. Nach § 34 Abs 1 ArbVG gilt als Betrieb jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Grundsätzlich hat aber der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff nur für den Bereich des Betriebsverfassungsrechtes, regelmäßig wohl auch für den Gesamtbereich des kollektiven Arbeitsrechtes, nicht jedoch für die Arbeitsrechtsordnung schlechthin Bedeutung (Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser ArbR II Kollektives Arbeitsrecht3 253 unter Hinweis auf JBl 1988, 127 ua).
Im Sinne des § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG ist nicht entscheidend, in welcher Betriebsabteilung der Kläger tätig war, ob er also in der Erzeugung oder im Handel beschäftigt war, sondern vielmehr, ob der Betrieb den Eltern (oder auch dem Vater allein) gehörte, was jedenfalls nicht der Fall ist, wenn andere Personen als persönlich haftende Gesellschafter der Gesellschaft angehörten.
Schließlich versagt auch der Hinweis des Klägers auf § 116 GSVG, in welcher Bestimmung Ersatzzeiten aufgelistet sind, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind. Es ist zwar richtig, daß nach § 2 Abs 1 Z 2 GSVG die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Kranken- und in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sind, doch ist daraus nicht abzuleiten, daß der Kläger im elterlichen Betrieb beschäftigt gewesen sei. Es liegt in der Natur der Sache, daß nur natürliche Personen, nicht aber Handelsgesellschaften einer sozialen Pflichtversicherung unterliegen können; daraus folgt aber nicht, daß jeder Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft schon kraft seiner Pflichtversicherung einen eigenen Betrieb führen müßte. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers führt die hier vertretene Auffassung auch nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz, sodaß auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine andere Auslegung erforderlich ist.
Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß die vom Kläger erwünschte Anrechnung weiterer Ersatzzeiten nicht in Betracht kommt. Seiner Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit an den unterlegenen Kläger wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.