JudikaturOGH

7Ob568/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Graf, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Iris B*****, geboren am ***** 1973, der mj. Cornelia B*****, des mj.Oliver B*****, und des Stefan B*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters der Kinder Alfred B*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 26.März 1993, GZ 2 R 57/93-128, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21.November 1992, GZ 13 P 199/81-111, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der nunmehr bereits großjährigen Iris und der mj. Cornelia, Oliver und Stefan B***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 7.3.1984 geschieden; die Obsorge hinsichtlich sämtlicher damals noch mj Kinder wurde der Mutter übertragen, weil der Vater 1979 die Familie verlassen hatte und seither unbekannten Aufenthaltes war. Über Antrag des Magistrates Graz, Amt für Jugend und Familie, als des Unterhaltssachwalters wurden den mj. Kindern vom Erstgericht mit Beschlüssen vom 24.11.1981 (ON 10 bis 13) gemäß § 4 Z 2 UVG Vorschüsse in Richtsatzhöhe gewährt, weil eine Unterhaltsfestsetzung wegen des unbekannten Aufenthaltes des Vaters nicht erfolgen konnte. In der Folge wurden jeweils über Antrag des Unterhaltssachwalters, diesmal unter Vorlage von Negativbestätigungen der Sozialversicherung, die Richtsatzvorschüsse mit Beschlüssen vom 21.9.1984 (ON 26 bis 29) für die Zeit vom 1.10.1984 bis 30.9.1987 und vom 23.9.1987 (ON 39 bis 42) für die Zeit vom 1.10.1987 bis 30.9.1990 weitergewährt. Am 23.1.1991 beantragte der Unterhaltssachwalter neuerlich die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, die mit Beschlüssen vom 8.2.1991 (ON 80 bis 83) für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.1993 (für die mj. Iris jedoch nur bis 31.10.1992) erfolgte. Mit Beschluß vom 14.10.1991 (ON 96) wurde der dem mj. Oliver gewährte Unterhaltsvorschuß mit Wirkung vom 31.8.1991 eingestellt, weil dieser seit 12.8.1991 über eine Lehrlingsentschädigung von monatlich S 4.614,-- verfügt. Die jeweiligen Beschlußausfertigungen wurden dem Vater zu Handen eines Zustellkurators zugestellt (ON 14, 32, 43, 84). Im Scheidungsverfahren war der Vater durch einen Abwesenheitskurator vertreten.

Die väterliche Großmutter ***** gab am 22.11.1988 zu einem Antrag der Kinder, sie subsidiär zur Unterhaltsleistung heranzuziehen, an, daß sie dazu nicht bereit sei, weil die Kinder das ihr gehörige Haus bewohnten, das sie allein erhalte. Sie betreue die Kinder auch teilweise (ON 47). Vom Erstgericht über den Aufenthalt des Vaters befragt, gab ihr Anwalt an, nur zu wissen, daß sich dieser ***** in den USA aufhalte (ON 88). Nachforschungen des Erstgerichtes über die österreichische Vertretungsbehörde in den USA blieben erfolglos. Erst am 5.6.1992 gab ***** eine ladungsfähige Anschrift des Vaters bekannt (ON 105).

Mit am 17.8.1992 beim Erstgericht eingelangtem Antrag begehrte der Vater daraufhin die rückwirkende Einstellung der Unterhaltsvorschüsse für alle Kinder "nach den §§ 7 (2), 20 und 21 UVG" sowie die (rückwirkende) Herabsetzung des Unterhaltes pro Kind auf monatlich S 1.000,-- unter gleichzeitiger Geltendmachung von Einwendungen gegen seine Rückzahlungsverpflichtung nach § 28 UVG. Er behauptete, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Unterhaltsvorschüsse durch offenbar vorsätzlich falsche Angaben der Mutter geschaffen worden seien; bei Erneuerung der Anträge habe sie ihre Mitteilungspflicht nach § 21 UVG verletzt. Sie habe nie mitgeteilt, daß sie mit den Kindern seit dem Jahr 1979 aufgrund einer mündlichen Vereinbarung, die der Vater mit seinen Eltern getroffen habe, eine vollständig ausgestattete Luxuswohnung im Hause der väterlichen Großmutter mit einem monatlichen Mietwert von S 4.500,-- kostenlos bewohne. Neben der Wohnversorgung habe die väterliche Großmutter stellvertretend für den Vater seit 12 Jahren zusätzliche Geld- und Naturalleistungen an die Kinder in der Höhe von S 1,020.300,-- erbracht; die Mutter habe weder ihm noch der väterlichen Großmutter den Bezug von Unterhaltsvorschüssen mitgeteilt. Offensichtlich seien die Voraussetzungen für die Höhe der Vorschüsse nie nachgeprüft worden. Trotz seiner ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse durch Vorstrafen und Konkurs, Strafverfolgung und Delogierung habe der Vater nicht nur die Bedürfnisse der Kinder wie Verpflegung und Wohnung, sondern auch Kleidung, Bildung und Freizeit gesichert. Er habe sich seiner Unterhaltsverpflichtung nicht entzogen. Der Vater verfüge über kein Einkommen; als freischaffender Künstler sei er nur zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von S 1.000,-- pro Kind imstande. Er sei auch noch für seine nunmehrige Gattin und für ein Kind aus dieser Ehe zusätzlich sorgepflichtig. Dem Antrag liegt eine undatierte Vereinbarung zwischen dem Vater und der väterlichen Großmutter bei, in der sich letztere verpflichtete, (im Namen des Vaters?) die Parterrewohnung im Hause Graz, Baumschulgasse 5, mit einem monatlichen Mietwert von S 4.500,--, den Kindern und deren Mutter zur Verfügung zu stellen (ON 107).

Das Erstgericht stellte die Unterhaltsvorschüsse für die Kinder Iris, Cornelia und Stefan mit Ablauf des 31.8.1992 ein und wies den Antrag des Vaters auf rückwirkende Einstellung der Unterhaltsvorschußgewährung ab. Es verpflichtete den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- für diese drei Kinder ab 17.8.1992 bis auf weiteres und sprach aus, daß über das darüber hinausgehende Unterhaltsbegehren der Kinder nach weiteren Erhebungen entschieden werde. Das Erstgericht folgte den Angaben der Mutter, daß der Vater ohne vorherige Absprache nach Amerika verzogen sei und daß sie nie von ihm eine ladungsfähige Adresse bekanntgegeben erhalten habe, weiters daß sie für die früher vom Stiefvater des Vaters, nach dessen Tod von der väterlichen Großmutter zur Verfügung gestellte Wohnung in Graz, Baumschulgasse 5, nur die Betriebskosten zu bezahlen habe, daß sie aber nie etwas von einer Vereinbarung gewußt habe, nach der sie diese Wohnung nur in Abstattung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Zuwendungen der väterlichen Großmutter an die Kinder seien zu Anlässen erfolgt, bei denen Kinder üblicherweise Geschenke bekommen. Es sei dabei nie gesagt worden, daß diese Geschenke in Abstattung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters geleistet würden. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Unterhaltsvorschüsse für die Vergangenheit gerechtfertigt gewesen seien, weil der Vater seit 1979 unbekannten Aufenthaltes gewesen sei. Da dies nun nicht mehr der Fall sei, seien die Vorschußleistungen zu beenden gewesen. Die vorgelegte Aufstellung über Leistungen der väterlichen Großmutter an die Kinder umfasse im übrigen auch nicht den gesamten erforderlichen Unterhalt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß über Rekurs des Vaters mit der angefochtenen Entscheidung. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Rechtlich folgerte es unter Übernahme der Feststellungen des Erstgerichtes, daß gemäß § 4 Z 2 UVG Vorschüsse auch dann zu gewähren seien, wenn die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages aus Gründen, die auf Seite des Unterhaltsschuldners lägen, nicht gelinge. Sei eine Unterhaltsfestsetzung aufgrund der Anspannungstheorie notwendig, sei eine Vorschußgewährung nach dieser Gesetzesstelle nicht zulässig, ebenso auch nicht bei mangelnder Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die Einleitung eines Unterhaltsfestsetzungsverfahrens sei aber dann entbehrlich, wenn ein solches Verfahren schon nach der Aktenlage aussichtslos erscheine. Da keine Zweifel über die grundsätzlich gegebene Unterhaltsleistungsfähigkeit des Vaters seit Antragstellung bestanden hätten, seien die Voraussetzungen für die Vorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG gegeben gewesen; diese seien aber mit dem "Auftauchen" des Unterhaltspflichtigen wieder weggefallen. Die vom Rekurswerber behauptete Offenkundigkeit seiner Leistungsunfähigkeit sei aus der Tatsache, daß über ihn der Konkurs verhängt worden sei und daß er sich noch einer Strafhaft zu unterziehen habe, nicht abzuleiten. Die Kinder hätten auf die Sach- und Geldleistungen der väterlichen Großmutter keinen Rechtsanspruch gehabt, diese Leistungen seien nicht auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters anrechenbar.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Entgegen den Rekursbehauptungen ist die erfolglose Einleitung eines Unterhaltsfestsetzungsverfahrens nicht Voraussetzung für eine Vorschußgewährung (vgl. zuletzt EFSlg. 66.600 uva). Einen Nachweis dafür, daß die Mutter die Unterhaltsvorschußgewährung durch unrichtige Angaben erschlichen habe, konnte der Revisionsrekurswerber nicht erbringen. Zu der für die Unterhaltsvorschußgewährung nach § 4 Z 2 UVG wesentlichen Feststellung, ob der Unterhaltspflichtige ohne Bekanntgabe einer neuen Adresse in die USA verzogen ist und ob sohin die Festsetzung des Unterhaltes aus Gründen, die dem Unterhaltsschuldner zuzurechnen sind, nicht möglich war, wendet sich dieser unzulässigerweise nur gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die der Mutter volle Glaubwürdigkeit zugebilligt haben. Die Behauptung, es sei nicht entsprechend nach dem Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners geforscht worden, wird durch die umfangreichen Ausforschungsversuche des Erstgerichtes widerlegt. Die weitere Behauptung des Rechtsmittelwerbers, er habe sich im März und April 1980 und von Dezember 1981 (Weihnachten) bis Jänner 1982 bei seiner Familie in Graz aufgehalten, stellt eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung dar. Die Behauptung, die Kinder und ihre Mutter wohnten kostenlos bei der väterlichen Großmutter, ist insoferne aktenwidrig, als unbekämpft feststeht, daß die Mutter die Betriebskosten der Wohnung zu bezahlen hat. Der Revisionsrekurswerber vermochte aber vor allem nicht zu beweisen, daß die Zurverfügungstellung der Wohnung, früher durch seinen Stiefvater, nunmehr durch seine Mutter, in Übernahme seiner Unterhaltsverpflichtung für die Kinder und ihre Mutter und sohin in Entlastung von seiner Unterhaltsverpflichtung erfolgt ist. Das gleiche gilt auch für Geschenke und Geldzuwendungen der väterlichen Großmutter an die Kinder. Im Zweifel ist vielmehr davon auszugehen, daß derartige Zuwendungen dritter Personen in Erfüllung einer (zumindest angenommenen) sittlichen Verpflichtung naher Anverwandter und nicht in der Absicht, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten, erbracht werden. Diese Zuwendungen haben keinen Einfluß auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters, sie stellen auch kein den Unterhaltsbedarf minderndes Eigeneinkommen der Unterhaltsverpflichteten dar, sondern sind lediglich als Zubuße zu verstehen (vgl. Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 90/E 2, Rz 157 E 1 sowie Rz 42; vgl auch die Rechtsprechung 2.Instanzen, wie EFSlg 65.052 und 58.808).

Der Vorwurf, es hätte bei der Vorschußgewährung nur von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des unterhaltspflichtigen Vaters von S 6.000,-- ausgegangen werden dürfen (damit verbindet der Rechtsmittelwerber die Behauptung, nicht mehr verdient zu haben), scheitert am klaren Wortlaut des § 6 Abs.2 UVG über die Höhe der nach § 4 Z 2 leg. cit. zu gewährenden Vorschüsse.

Bei der Gewährung von Vorschüssen ist nicht zu prüfen, ob das Kind den Unterhalt von einem anderen Unterhaltspflichtigen erlangen könnte (§ 7 Abs 3 UVG - Rz 40 zu § 7 in Knoll, Komm. zum UVG), denn Gegenstand der Bevorschussung ist ausschließlich die notleidend gewordene Unterhaltsverpflichtung (Rz 9 zu § 1 in Knoll aaO).

Dem Revisionsrekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.

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