11Os131/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.August 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin, in der bei dem Landesgericht Ried im Innkreis zum AZ 11 Vr 551/93 anhängigen Strafsache gegen Walter R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Walter R***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 21.Juli 1993, AZ 11 Bs 118/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Durch den bezeichneten Beschluß wurde Walter R***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Im Verfahren 11 Vr 551/93 des Landesgerichtes Ried im Innkreis wurde am 1.Juli 1993 über den Beschuldigten Walter R***** gemäß § 180 Abs. 2 Z 2, Z 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt.
Seiner dagegen erhobenen Beschwerde gab die Ratskammer - der Sache nach - nicht Folge (ON 19).
Über die dagegen ergriffene Beschwerde entschied das Oberlandesgericht Linz am 21.Juli 1993 zum AZ 11 Bs 118/93 (ON 23), daß die über den Beschuldigten verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit b StPO fortzusetzen sei.
Walter R***** steht auf Grund der Angaben der Zeugen Lydia L***** (S 15 ff, ON 11) und Wolfgang T***** (S 79 f, ON 10) in Verbindung mit dem Befund des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses Ried im Innkreis im - von der Beschwerde nicht bestrittenen - dringenden Verdacht, unter anderem in den Morgenstunden des 1.November 1992 in der Damentoilette eines Lokales in Obernberg die durch vorangegangenes Erbrechen geschwächte Lydia L*****, indem er ihr Faustschläge versetzte und ihr die Kleidung vom Leib riß, vergewaltigt zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz richtet sich die (fristgerecht) beim Erstgericht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde, in der sich Walter R***** dadurch beschwert erachtet, "daß strafprozessuale Vorschriften unrichtig angewendet wurden, insbesondere gelindere Mittel für nicht ausreichend gehalten wurden".
Dies jedoch zu Unrecht.
Der Gerichtshof zweiter Instanz wies zunächst darauf hin, daß der Beschuldigte bereits mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. Februar 1992, AZ 14 Vr 944/91, des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Er berücksichtigte ferner, daß der Beschwerdeführer am 15. August 1992 Claudia M***** Faustschläge gegen Gesicht und Kopf versetzte, wodurch sie Platzwunden im Lippenbereich und Nasenbluten erlitt, und Walter R***** deshalb am 14.Jänner 1993 vom Bezirksgericht Kremsmünster zu AZ U 87/92 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Davon ausgehend ist dem Oberlandesgericht Linz beizupflichten, wenn es angesichts der in der bekämpften Entscheidung hervorgehobenen Umstände (Begehung der Anlaßtat wenige Monate nach der erstangeführten spezifisch einschlägigen Vorverurteilung und während der Anhängigkeit des die Körperverletzung betreffenden Strafverfahrens, bereits ersichtlich manifeste Tendenz zu gegen Frauen gerichteten, unter Alkoholeinfluß begangenen Aggressionsdelikten) von einer Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs. 2 Z 3 lit b StPO ausging und eine Substituierbarkeit der Haft durch Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 180 Abs. 5 StPO verneinte. Bei realitätsbezogener Betrachtung können nach Lage des Falles auch die in der Beschwerde vorgeschlagenen Maßnahmen (Weisung, an einem bestimmten Ort zu wohnen; Diskotheken zu meiden; sich alkoholischer Getränke zu enthalten; Bestellung eines Bewährungshelfers) die angestrebte Haftverschonung des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen, weil sie die evidente, auf sexuell motivierter, ungehemmter Aggressionsbereitschaft beruhende Tatbegehungsgefahr nicht effektiv hintanzuhalten vermögen.
Da sohin der bezeichnete Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz das Grundrecht des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit nicht verletzt (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den beantragten Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.