JudikaturOGH

10ObS113/93(10ObS114/93) – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Ernst Resch (Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C***** W*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Mag.Dr.Markus Ch.Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, wegen Integritätsabgeltung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.April 1993, GZ 5 Rs 30,31/93-10, womit infolge der Rekurse der klagenden Partei die Beschlüsse des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 19.Oktober 1992, GZ 35 Cgs 76/92d-3, und vom 25. Februar 1993, GZ 35 Cgs 76/92d-7, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 23.9.1978 wurde die Klägerin bei einem von der beklagten Partei als Arbeitsunfall anerkannten Schadensereignis verletzt. Mit Schreiben vom 15.7.1991, bei der beklagten Partei eingelangt am 17.7.1991, begehrte die Klägerin aufgrund dieses Unfallereignisses eine Integritätsabgeltung gemäß § 213 a ASVG.

Mit Bescheid vom 10.9.1991, der Klägerin zugestellt am 12.9.1991, lehnte die beklagte Partei die Gewährung einer Integritätsabgeltung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Arbeitsunfall nicht durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden sei und keine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität der Klägerin zur Folge gehabt habe; nach den Erhebungen und der ärztlichen Begutachtung habe der Unfall keinen Grad des Integritätsschadens von mindestens 50 vH zum 1.1.1990 zur Folge gehabt.

Mit der am 25.7.1992 zur Post gegebenen und am 27.7.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin eine Integritätsabgeltung von 20 vH der Höchstbemessungsgrundlage und brachte unter anderem vor, daß sie einen Rechtsanwalt in Feldkirch beauftragt habe, gegen den negativen Bescheid rechtzeitig Klage einzuzbringen, doch habe dieser keine Klage erhoben. Für den Fall, daß die beklagte Partei nunmehr Verfristung einwenden sollte, werde der Rechtsstreit in eventu gegen diesen Rechtsanwalt bzw dessen Haftpflichtversicherung geführt.

Das Erstgericht forderte die beklagte Partei zur Erstattung einer Klagebeantwortung auf und wies nach deren Einlangen die Klage zurück, weil sie nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden sei.

Mit einem am 7.12.1992 erhobenen Antrag begehrte die Klägerin die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist. Anläßlich einer Besprechung am 30.12.1991 habe der Vorarlberger Rechtsanwalt mitgeteilt, daß er keine Klage erhoben habe, da ihm, ausgehend vom Sachverhalt die Prozeßführung zu riskant erschienen sei. Im Hinblick auf die Kompliziertheit der Rechtslage im Zusammenhang mit dem neu eingeführten Anspruch auf Integritätsabgeltung stelle die Unterlassung der rechtzeitigen Klagseinbringung nur einen minderen Grad des Versehens dar. Erst Mitte Juni 1992 habe der nunmehrige Klagevertreter nach Rückkehr von einem Studienaufenthalt im Ausland in Wien seine anwaltschaftliche Tätigkeit aufgenommen. Auch dieser habe sich vorerst über die genaueren Voraussetzungen für die Gewährung der Integritätsabgeltung informieren müssen und sodann die Klage erhoben. Die Klägerin sei daher durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der Klage gehindert gewesen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück. Gemäß § 148 ZPO müsse ein Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von 14 Tagen ab dem Tag erhoben werden, an dem das Hindernis, das die Versäumung verursacht habe, weggefallen sei. Aus der Klageschrift ergebe sich, daß die Klägerin spätestens im Zeitpunkt der Verfassung der Klage zureichende Kenntnis von der Versäumung der Klagsfrist nach § 67 Abs 2 ASGG gehabt habe. Der am 7.12.1992 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist sei daher verspätet.

Das Rekursgericht gab den von der Klägerin gegen beide Beschlüsse erhobenen Rekursen nicht Folge. Das Erstgericht sei nicht verpflichtet gewesen, die Klage zur Verbesserung durch Stellung eines förmlichen Wiedereinsetzungsantrages zurückzustellen, zumal sich aus dem Vorbringen kein Anhaltspunkt ergebe, daß die Klägerin beabsichtigte, einen solchen Antrag zu stellen; daß sie erklärt habe, für den Fall der Verfristung Ansprüche gegen ihren Rechtsanwalt zu stellen, könne nicht in dieser Richtung ausgelegt werden. Auch dem Umstand, daß das Erstgericht die Klage vorerst zugestellt und den Zurückweisungsbeschluß erst nach Einlangen der Klagebeantwortung gefaßt habe, komme keine Bedeutung zu, zumal die Klage für den Fall der Versäumung der Klagefrist in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen sei. Auch dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß komme keine Berechtigung zu. Die Erledigung des Antrages der Klägerin durch die beklagte Partei werde allen Anforderungen, die das AVG für einen Bescheid vorsehe, gerecht. Die Zustellung dieser Entscheidung habe daher die Klagefrist in Lauf gesetzt; aus diesem Grund seien auch die Voraussetzungen für die Säumnisklage nicht gegeben. Daß die Klägerin ihrem seinerzeitigen Rechtsanwalt innerhalb der Klagefrist den Auftrag erteilt habe, den Bescheid außer Kraft zu setzen, ändere nichts daran, daß der Rechtsweg unzulässig sei, nachdem die Frist des § 67 Abs 2 ASGG verstrichen sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben werde und den Beschluß über die Zurückweisung der Klage aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens über die Klage aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

In ihrem Revisionsrekurs wiederholt die Rechtsmittelwerberin im wesentlichen die Ausführungen des Rekurses, die das Rekursgericht zutreffend für nicht stichhaltig erachtete. Bei der Integritätsabgeltung handelt es sich um eine Leistung aus der Unfallversicherung; gemäß § 367 Abs 1 Z 2 ASVG ist hierüber jedenfalls ein Bescheid zu erlassen. Gemäß § 58 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Die Erledigung, mit der die beklagte Partei über den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Integritätsabgeltung entschieden hat, enthält alle wesentlichen Elemente eines Bescheides im Sinne dieser Gesetzesstelle. Sie trägt deutlich hervorgehoben die Überschrift "Bescheid", es wird im Spruch über den Antrag zur Gänze abgesprochen, in der Begründung werden die Erwägungen für die Entscheidung dargelegt und sie enthält auch die Belehrung über das Klagerecht. Ob der Erlassung des Bescheides ein vollständiges Ermittlungsverfahren vorausging oder die Begründung der Entscheidung richtig ist, ist nicht zu prüfen; selbst wenn dies nicht der Fall wäre, bliebe dies auf die Bescheidqualifikation ohne Einfluß. Da im Zeitpunkt der Klagseinbringung eine bescheidmäßge Erledigung vorlag, sind die Voraussetzungen für eine Säumnisklage jedenfalls nicht gegeben. Es lagen vielmehr die Voraussetzungen des § 67 Abs 1 Z 1 ASGG vor. Für die Klage stand gemäß § 67 Abs 2 ASGG eine Frist von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides offen. Da diese Frist im Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits verstrichen war, erfolgte die Zurückweisung der Klage zu Recht. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß dem Umstand, daß die Klage erst nach Erstattung der Klagebeantwortung zurückgewiesen wurde, keine Bedeutung zukommt, weil die die Unzulässigkeit des Rechtsweges begründende Versäumung der Klagefrist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind im § 146 ZPO normiert. § 149 Abs 1 ZPO bestimmt, daß die Partei, welche die Wiedereinsetzung beantragt, in dem bezüglichen Schriftsatz oder in dem den Schriftsatz ersetzenden Anbringen zu Protokoll alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzugeben hat. Zugleich mit dem Antrag ist auch die versäumte Prozeßhandlung nachzuholen. Die Klägerin legt in ihren Ausführungen das Schwergewicht darauf, daß sie durch die Klagseinbringung die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt habe. Dem kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu, weil alle anderen Voraussetzungen des § 149 Abs 1 ZPO fehlen. In der Klage wird nur im Zusammenhang mit einem allfälligen Schadenersatzbegehren gegen den früheren Rechtsanwalt erwähnt, daß dieser in Mißachtung eines entsprechenden Auftrages die Einbringung der Klage unterlassen habe, doch findet sich kein Anhaltspunkt für eine Behauptung, daß die Klägerin durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Klage - die Klagefrist war im Zeitpunkt der Erhebung der Klage schon um mehr als 9 Monate überschritten - gehindert gewesen wäre. Unter diesen Umständen bestand für das Erstgericht kein Anlaß, einen Auftrag zur Verbesserung durch Ausführung eines Wiedereinsetzungsantrages zu erteilen. Die 14-tägige Frist des § 148 Abs 2 ZPO war in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde (7.12.1992), längst abgelaufen, weil jedenfalls im Zeitpunkt der Klagseinbringung die Versäumung zu Tage trat. Aus diesem Grund wurde der Antrag zutreffend zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.

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