9ObA140/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Martin Duhan und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Z***** AG, ***** vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky und Dr.Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter H*****, Dienstnehmer, ***** wegen 165.846 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. März 1993, GZ 6 Ra 1/93-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 6.Oktober 1992, GZ 45 Cga 72/92-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte fuhr am 24.September 1987 als Dienstnehmer der Verbandsstoff-Fabrik B***** mit einem auf seinen Dienstgeber zugelassenen PKW, welcher bei der klagenden Partei unter Zugrundelegung der KKB und der AFIB 1986 kaskoversichert war, im Ortsgebiet von L*****. Dabei geriet er aus ungeklärter Ursache mit dem Fahrzeug zu weit nach rechts, rammte eine Betonmauer und den darauf befindlichen Gartenzaun und wurde auf die Fahrbahn zurückgeschleudert, wo das Fahrzeug umkippte und auf der linken Seite liegen blieb. Durch den Unfall entstand am Fahrzeug Totalschaden. Der Beklagte nahm weder mit der Liegenschaftseigentümerin, deren Zaun beschädigt wurde, Kontakt auf, noch verständigte er den zuständigen Gendarmerieposten von dem Unfall.
Nicht feststellbar ist, daß der Beklagte zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert und übermüdet war, daß der Unfall durch eine technisch völlig verfehlte Fahrweise des Beklagten zustandekam oder daß ein Hund die Fahrbahn vor dem vom Beklagten gelenkten PKW überquerte.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten den Betrag von 165.846 S sA und brachte vor, daß der Beklagte den Unfall durch Alkoholisierung, Übermüdung und gefährliche Fahrweise grob fahrlässig herbeigeführt habe. Außerdem sei er seiner Verpflichtung zur Meldung des Unfalles bei der Behörde bzw. zum Austausch der Personalien mit dem Geschädigten nicht nachgekommen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei nicht alkoholisiert gewesen; vor ihm sei ein Hund über die Fahrbahn gelaufen, weshalb er den PKW verrissen habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei der klagenden Partei gegenüber nach § 67 Abs 1 VersVG als "Dritter" für den seinem Dienstgeber ersetzten Schaden regreßpflichtig, wobei der Ersatzanspruch der klagenden Partei auf Grund des Dienstverhältnisses zwischen dem Beklagten und dem Halter des Fahrzeuges den Beschränkungen des DHG unterliege. Die klagende Partei habe die Klage aber erst lange nach Ablauf der sechsmonatigen Klagefrist des § 6 DHG erhoben, so daß auf leichter Fahrlässigkeit des Beklagten beruhende Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche erloschen seien. Der Beweis, daß der Beklagte den Unfall durch Alkoholisierung, Übermüdung oder Einhaltung einer technisch völlig verfehlten Fahrweise und damit durch grob fahrlässiges Verhalten verursacht habe, sei aber der klagenden Partei nicht gelungen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die sich aus einer Verletzung der Obliegenheiten nach Art 5 AFIB 1986 (früher Art 6 AKIB) für den Versicherten, den Versicherungsnehmer und sonstige anspruchsberechtigte Personen ergebenden Folgen seien im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil der Lenker in der Kaskoversicherung - anders als in der KFZ-Haftpflichtversicherung - nicht mitversichert, sondern Dritter im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG sei, so daß die Ansprüche des Versicherungsnehmers nach Maßgabe dieser Bestimmung auf den Versicherer übergingen. Eine Leistungsfreiheit der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten infolge Verletzung der Obliegenheit nach Art 5.3.1 AFIB 1986 (Fahrerflucht) komme nicht in Betracht, weil gegenüber dem Beklagten als Lenker des bei der klagenden Partei kaskoversicherten Fahrzeuges seines Dienstgebers keine Leistungs- oder Deckungspflicht des Versicherers bestehe, so daß auch keine "Leistungsfreiheit" im Sinne des § 6 VersVG eingreifen und aus diesem Grund auch kein Regreßanspruch entstehen könne. Gemäß Art 6 KKB 1986 finde § 67 VersVG gegenüber dem berechtigten Lenker bzw. berechtigten Insassen nur dann Anwendung, wenn auch bei einem Versicherungsnehmer bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre. Diese Leistungsfreiheit könne sich nur auf die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne des § 61 VersVG beziehen, weil der Regreß nach § 67 VersVG die haftungsbegründende Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Dritten voraussetze.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Nach Art 6 Abs 1 KKB 1986 findet § 67 VersVG gegenüber dem berechtigten Lenker bzw. berechtigten Insassen nur dann Anwendung, wenn auch einem Versicherungsnehmer (als Fahrzeuglenker oder Insassen) bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre.
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 63/28 = VR
1990/221 = VersR 1991, 87 = ZVR 1991/41 ausgesprochen hat, handelt es
sich bei Art 6 KKB 1986 um eine vom Versicherer mit dem
Versicherungsnehmer vereinbarte Einschränkung des Regreßrechtes des
Versicherers; beruft sich der vom Versicherer in Anspruch genommene
berechtigte Lenker auf diesen teilweisen Regreßverzicht, muß er sich
auch einen Leistungsfreiheit bewirkenden Sachverhalt entgegenhalten
lassen. Hat aber, wie im vorliegenden Fall, der geschädigte
Dienstgeber zufolge Ablaufes der in § 6 DHG normierten Ausschlußfrist
gar keinen Schadenersatzanspruch mehr, der nach § 67 Abs 1 VersVG auf
den Versicherer übergehen könnte, kommt der Regreßverzicht des
Versicherers nach Art 6 KKB 1986 nicht zum Tragen; es ist daher
unerheblich, ob der Beklagte die Bedingungen für den Regreßverzicht -
Erfüllung der Obliegenheiten nach Art 5 AFIB - erfüllt hat.
Was den Anspruch nach § 67 VersVG betrifft, haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, daß für den auf den Kaskoversicherer übergegangenen Ersatzanspruch des Dienstgebers gegen den als Lenker tätig gewordenen Dienstnehmer keine eigene Verfallsfrist läuft (siehe DRdA 1984/9 [krit, eine korrigierende Gesetzesinterpretation fordernd Migsch 232 f] = Arb 10.064; Arb 10208; JBl 1987, 737 [zust Scheffenacker unter Bezugnahme auf den den berechtigten Lenker ausdrücklich als "Dritten" im Sinne des § 67 VersVG nennenden Art. 6 Abs 1 KKB 1986] = DRdA 1988/18 [zust Jabornegg unter Ablehnung der Kritik von Migsch mit Hinweis auf das sich aus § 1394 ABGB ergebende
Verbot der Verschlechterung der Stellung des Schuldners] = SZ 59/214;
9 Ob A 101/91; zuletzt 9 Ob A 16/93 (= ARD 4.467/39/93); vgl Petrasch, Probleme der Kaskoversicherung ZVR 1979, 321 ff [323 f]). Da der Versicherer gegen den Lenker demnach gemäß § 67 Abs 1 VersVG nur den auch dem Dienstgeber zustehenden Schadenersatzanspruch geltend machen kann und ein Verstoß des berechtigten Lenkers gegen § 4 Abs 5 StVO für diesen Schadenersatzanspruch ohne Bedeutung ist, gehen schließlich die Ausführungen der Revisionswerberin, im "Gesamtverhalten" des Beklagten liege grobe Fahrlässigkeit, ins Leere.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.