JudikaturOGH

6Ob579/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kellner, Dr.Schwarz und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für Anton B*****, wegen Widerrufs gemäß § 3 Abs 3 VSPAG, infolge Revisionsrekurses des Vereines für Sachwalterschaft *****, gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 26.Februar 1993, GZ 4 SW 165/84-326, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 30.April 1993, AZ 22 a R 152/93(ON 335), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Der Betroffene war im März 1968 wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche voll entmündigt worden. Er stand damals im 25. Lebensjahr. Er war vor allem durch ein nach einem Sturz ausgebrochenes cerebrales Anfallsleiden beeinträchtigt, aber auch bei einem als leicht- bis mittelgradig eingestuften Schwachsinn in seinen Verhaltensweisen durch Alkoholmißbrauch gefährdet. Er war wiederholt in stationärer Pflege einer Landesnervenklinik gestanden und mußte auch in der Folge häufig in dieser Sonderkrankenanstalt stationär behandelt werden. Im Verlauf der Jahre trat bei dem nicht mehr in den Arbeitsprozeß eingliederbaren Mann die Alkoholabhängigkeit in den Vordergrund. Er erklärte selbst im November 1991 als damals bereits 48-jähriger im Zuge einer Anhörung gemäß § 19 UbG, bei ihm sei ohnedies alles zu spät, er sei nun einmal ein Säufer, man werde ihn nicht mehr entwöhnen können, er habe zwar öfter geäußert, daß er sich umbringen werde, das werde er nicht tun, er werde sich höchstens einmal zu Tode saufen (AS II/318). Die Folgen jahrzehntelangen selbst erkannten, aber nicht mehr beherrschbaren Alkoholmißbrauches gestalten den Umgang des Betroffenen mit seiner Umwelt, nicht zuletzt mit seinem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, überaus problematisch. Selbst die zuständige Richterin sah sich veranlaßt, das aggressive Verhalten des Betroffenen ihr gegenüber anläßlich einer Vorsprache bei Gericht in einem Amtsvermerk festzuhalten (AS II/142). Die Bemühungen eines Halbbruders des Betroffenen um dessen Person erleichtern die Lebensverhältnisse des Betroffenen und dessen Umgang mit der Umwelt in keiner Weise.

Als Beistand war seinerzeit mangels hiefür geeigneter Verwandter über Vorschlag des sozialmedizinischen Dienstes der Landesregierung ein Mitarbeiter des Landesverbandes für Psychohygiene bestellt worden (ON 3). An dessen Stelle trat im Sommer 1982 vorübergehend der Bürgermeister der Heimatgemeinde des Betroffenen (ON 100), nach einer Wiederaufnahme des Betroffenen in die Landesnervenklinik eine vom Verein für Sachwalterschaft namhaft gemachte Mitarbeiterin, die sich nach der Aktenlage nachhaltig auch um die psychische Stabilisierung des Betroffenen durch Eingliederung in geordnete Wohn- und Arbeitsverhältnisse persönlich bemühte. Nach einer Übersiedlung dieser Sachwalterin bestellte das Gericht einen pensionierten Beamten zum Sachwalter (ON 180). Diesem gelang es nicht, einen zielführenden persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen aufrechtzuerhalten; letztlich ersuchte er selbst um seine Enthebung. Das Gericht wandte sich daher an den Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft (idF nur: Verein) um Namhaftmachung eines geeigneten Sachwalters (ON 281). Der Verein nominierte hierauf einen seiner Mitarbeiter (ON 283), der auch anstelle des pensionierten Beamten zum neuen Sachwalter bestellt wurde (ON 287).

Ein halbes Jahr nach seiner Bestellung zum Sachwalter stellte der vom Verein namhaft gemachte Dipl.Sozialarbeiter einen Enthebungsantrag (ON 307). Das Gericht wies diesen Antrag ab (ON 309). In der Folge teilte der Verein dem Gericht mit, die Namhaftmachung des Dipl.Sozialarbeiters im Sinn des § 3 Abs 3 VSPAG zu widerrufen und begründete dies im wesentlichen damit, daß der häufige Aufenthalt des Betroffenen in den Räumen des Vereins dessen Arbeit erheblich beeinträchtige und sogar dessen Mietrechte gefährde. Das Gericht teilte dem Verein daraufhin mit, daß es den gemäß § 3 Abs 3 VSPAG ausgesprochenen Widerruf der Namhaftmachung des Sachwalters als solchen für das Gericht als unerheblich ansehe (ON 315).

Der vom Verein namhaft gemachte Dipl.Sozialarbeiter stellte im Februar 1983 neuerlich einen Enthebungsantrag (ON 324) und der Verein wiederholte seine Erklärung, die Namhaftmachung seines Mitarbeiters im konkreten Sachwalterschaftsfall unter Berufung auf § 3 Abs 3 VSPAG zu widerrufen; im Zusammenhang damit stellte der Verein den formellen Antrag "auf Durchführung einer Tagsatzung unter Einbeziehung des Betroffenen, seines Bruders.... und des bestellten Sachwalters..."

zum Nachweis, daß für den Widerruf der Namhaftmachung und für eine Enthebung des namhaft gemachten Sachwalters wichtige Gründe im Sinne des § 3 Abs 3 VSPAG vorlägen.

Das Gericht wies sowohl den neuerlichen Enthebungsantrag des Sachwalters als auch den Antrag des Vereins auf Durchführung einer Tagsatzung über den Widerruf zurück und führte zur Zurückweisung des vom Verein gestellten Antrages auf gerichtliche Verhandlung zur Feststellung der Rechtfertigung des ausgesprochenen Widerrufes im Sinn des § 3 Abs 3 VSPAG aus, die Vornahme der beantragten Tagsatzung wäre im Gesetz nicht vorgesehen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vereins nicht statt. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Verein erhebt einen Revisionsrekurs. Er ist gegen die Bestätigung der Zurückweisung seines Antrages rekursberechtigt. Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne des § 14 Abs 1 zulässig, weil zur Bedeutung und Wirkung eines Widerrufes der Namhaftmachung eines Sachwalters gemäß § 3 Abs 3 VSPAG eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt:

Der Staat ist daran interessiert, daß zur Besorgung der Aufgaben eines Sachwalters für behinderte Personen einerseits sowie als Patientenanwälte andererseits taugliche Personen zur Verfügung stehen und fördert private Organisationen, die die Ausbildung und Anleitung geeigneter Personen für die erwähnten Aufgaben zu gewährleisten versprechen. Der Bundesgesetzgeber setzt eine vereinsmäßige Organisation solcher Institutionen voraus, unterwirft deren Tätigkeit der Aufsicht des Justizministers und hält diesen an, die Eignung eines konkreten den eingangs genannten Zielen verpflichteten Vereins, Sachwalter für Betroffene oder Patientenanwälte oder auch beide für einen bestimmten Tätigkeitsbereich namhaft zu machen, auf Antrag des Vereines durch Verordnung festzustellen. Der solcherart zur Namhaftmachung als geeignet erklärte Verein hat die Rechtspflicht, Personen zu "hauptamtlichen" Sachwaltern oder Patientenanwälten auszubilden, fortzubilden, anzuleiten und zu überwachen und solche Personen im Bedarfsfall dem Gericht namhaft zu machen. Der Verein kann allerdings eine solche Namhaftmachung aus wichtigen Gründen widerrufen.

Dabei ist, wie dem Ausschußbericht (1203 BlgNR XVII.GP zu § 3) zu entnehmen ist, an Umstände gedacht, die in der namhaft gemachten Person begründet liegen. Die dem Verein eingeräumte Möglichkeit, die Namhaftmachung einer bestimmten Person zu widerrufen, läßt allerdings die Verpflichtung des als geeignet festgestellten Vereins zur Namhaftmachung einer geeigneten Person unberührt.

Das pflichtgemäße Verhalten eines Vereines unterliegt der Aufsicht des Justizministers. Verstöße sind letztlich durch dessen verordnungsmäßig auszusprechende Feststellung sanktioniert, daß die seinerzeit festgestellte Eignung des Vereins nicht mehr gegeben sei, was unter anderem den Verlust der finanziellen Förderung durch den Bund zur Folge hat.

Für die Gerichte ist die ministerielle Eignungsfeststellung wie jede andere Verordnung rechtsverbindlich.

Wenn das Gericht die Voraussetzung nach § 281 Abs 2 ABGB zur Bestellung eines sogenannten Vereinssachwalters als erfüllt ansieht, hat es davon auszugehen, daß die von einem verordnungsgemäß als hiezu geeignet festgestellten Verein namhaft gemachte Person die Eigenschaften eines "Vereinssachwalters" besitzt. Im Fall des Widerrufes einer Namhaftmachung steht dem Gericht keine feststellende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des nur "aus wichtigen Gründen" zulässigen Widerrufes zu. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes oder einer gesetzlich nicht gedeckten Eigenmächtigkeit des Vereines hat der Justizminister im Rahmen des ihm zustehenden Aufsichtsrechtes zu befinden, erforderlichenfalls auf Abhilfe zu dringen und letztlich mit der verordnungsgemäßen Negativfeststellung vorzugehen.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen trifft aber zu, daß das Gericht über die Rechtfertigung eines auf § 3 Abs 3 VSPAG gestützten Widerrufes einer Namhaftmachung durch den Verein keine feststellende Entscheidung zu treffen hat. Dazu fehlte dem Gericht eine ihm gesetzlich zugewiesene Zuständigkeit. Die Zurückweisung des Antrages des Vereines, eine Tagsatzung über das Vorliegen wichtiger Gründe für seine Widerrufserklärung abzuhalten, entspricht entgegen der Ansicht des Vereines der Rechtslage.

Die Zurückweisung des neuerlichen Enthebungsantrages des vom Verein namhaft gemachten Sachwalters blieb unangefochten. Es ist daher nicht zu erörtern, ob durch die Widerrufserklärung des Vereines der der Abweisung des vorangegangenen Enthebungsantrages zugrundegelegte Sachverhalt nicht in einem wesentlichen Punkte geändert worden sei, welche Folgerungen das Gericht aus dem erklärten Widerruf einer Namhaftmachung ohne gleichzeitige Erfüllung der aus § 3 Abs 1 VSPAG abzuleitenden Verpflichtung zur Namhaftmachung eines anderen geeigneten Sachwalters zu ziehen hätte und ob dem Verein im Verfahren zur Enthebung eines von ihm namhaft gemachten Sachwalters Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis zustünden.

Für eine feststellende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Widerrufes einer Namhaftmachung durch den Verein im Sinne des § 3 Abs 3 VSPAG fehlt dem Gericht jede Zuständigkeit. Es hat daher auch zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung keine Sachverhaltserhebungen durchzuführen. Die Zurückweisung des Antrages des Vereines auf Anordnung einer entsprechenden Tagsatzung - und des darin zu erkennenden Antrages auf Fällung eines Feststellungsbeschlusses über die Rechtfertigung des Widerrufes - entspricht der Gesetzeslage.

Dem Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Rückverweise