10ObS111/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Norbert Schweitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Bock (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gertrude D*****, vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.März 1993, GZ 12 Rs 125/92-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25. August 1992, GZ 19 Cgs 141/90-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 22.9.1987 anerkannte die Beklagte die Hauterkrankung ("Friseurekzem"), die durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung der Klägerin als Friseurin in einem Unternehmen verursacht wurde und sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingt, als Berufskrankheit und gewährte ihr vom 29.12.1986 an eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH.
Die im Bescheid vom 3.10.1988 im selben Ausmaß festgestellte Dauerrente wurde mit Bescheid vom 11.12.1990 ab 1.2.1991 wegen Abheilung der exzematösen Hautveränderungen gemäß § 99 Abs 1 und 3 ASVG entzogen.
Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung der Versehrtenrente gerichtete Klagebegehren ab.
Nach den maßgeblichen Feststellungen war die 1933 geborene Klägerin vom ersten Lehrjahr (1947) bis Dezember 1986 im Friseurberuf tätig, in dem sie 1956 die Meisterprüfung bestand. Die festgestellte Berufskrankheit trat erstmals im dritten Lehrjahr an beiden Händen auf, hielt ebenso wie die gleichzeitig aufgetretene Metallunverträglichkeit, die zu Hautveränderungen an anderen Körperteilen führte, trotz hautfachärztlicher Behandlung während der gesamten Berufsausübung an und besserte sich erst nach der Aufgabe des Friseurberufes. Bei den zur Feststellung der vorläufigen und der Dauerrente führenden hautärztlichen Begutachtungen im Juli 1987 und im August 1988 bestanden zwar keine exzematösen Veränderungen mehr, wohl aber eine Überempfindlichkeit gegen Friseursubstanzen und eine allgemeine Empfindlichkeitssteigerung der Haut als Folge des jahrelangen Friseurekzems. Dadurch wurde die Erwerbsfähigkeit der Klägerin um 20 vH vermindert. Seit 1.2.1991 ist das Friseurekzem abgeheilt, der Befund ist normal. Es ist nur mehr eine Empfindlichkeitssteigerung der Haut zurückgeblieben, weshalb die Klägerin bei Feuchtarbeiten im Haushalt Schutzhandschuhe tragen muß. Dies bedeutet eine wesentliche Besserung gegenüber den für die Feststellung auch der Dauerrente maßgeblichen Verhältnisse, durch die die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vH auf 10 vH verringert wurde. Die Wiederaufnahme der schädigenden Tätigkeit als Friseurin würde als bald zum Aufflackern des allergischen Kontaktekzems führen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder auf das rentenbegründende Ausmaß erhöhen. In allen anderen "Feuchtberufen" würden einfache Schutzmaßnahmen genügen. Bei "Trockenberufen" wären keinerlei Schutzmaßnahmen nötig.
Durch diese wesentliche Änderung ist der Rentenanspruch der Klägerin nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes seit 1.2.1991 weggefallen (§ 183 Abs 1 und § 203 Abs 1 ASVG).
In der Berufung machte die Klägerin im wesentlichen geltend, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin 20 vH betrage. Sie sei bereits 59 Jahre alt, habe wegen der Berufskrankheit ihren immer ausgeübten Beruf als Friseurin aufgeben müssen und übe seit mehr als fünf Jahren keinen Beruf mehr aus. Deshalb liege iS der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein Härtefall vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.
Abgesehen davon, daß die Klägerin trotz qualifizierter Vertretung in erster Instanz das Vorliegen eines Härtefalles und damit zusammenhängende Tatsachen nicht behauptet habe, so daß dieses Berufungsvorbringen gegen das Neuerungsverbot verstoße, liege ein solcher Härtefall iS der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (10 Ob S 67/92 = SSV-NF 6/44) nicht vor.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die einen Härtefall verneinende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates (zB SSV-NF 4/3 und die vom Berufungsgericht und in der Revision zit E SSV-NF 6/44), gegen die in der Revision nichts vorgebracht wird.
Daß bestimmte Krankheiten den Versicherten zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen, ist in der sozialen Unfallversicherung in der Regel nur insoweit von Belang, als einige Krankheiten, darunter die in der Anlage 1 zu ASVG unter Lfd.Nr. 19 bezeichneten Hautkrankheiten, nur unter dieser Voraussetzung als Berufskrankheiten iS des § 177 Abs 1 ASVG gelten.
Der erkennende Senat hat in der eine Hautkrankheit iS der Lfd.Nr. 19 betreffenden E SSV-NF 4/142 ausgeführt, daß auch bei einer solchen Krankheit die Minderung der Erwerbsfähigkeit abstrakt zu berechnen ist und daß sich das Ausmaß der Versehrtenrente nach der durch die Hautkrankheit bewirkten Einschränkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt richtet und nicht etwa nach der Unfähigkeit, den zuletzt ausgeübten Beruf weiter auszuüben.
Die vom Versicherten ausgeübten Tätigkeiten wirken sich auf den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht aus. Sie sind für das Ausmaß der Geldleistungen der Unfallversicherung nur insoweit von Bedeutung, als die Beitragsgrundlagen im letzten Jahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalles nach § 179 Abs 1 ASVG die Bemessungsgrundlage bilden und so die Bemessung der Versehrtenrente mitbestimmen.
Daß der Versicherte seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, kann vor allem zu beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation iS des § 198 Abs 1 ASVG und zur Gewährung einer Übergangsrente oder eines Übergangsbetrages nach § 211 leg cit führen. Im übrigen wird in diesem Versicherungszweig das Risiko der Minderung der Erwerbsfähigkeit versichert. Dafür sind aber ua die bisherige Berufstätigkeit und die Höhe des dadurch erzielten Einkommens wegen der abstrakten Bewertung - abgesehen von besonderen Härtefällen - ohne Bedeutung.
Besondere Umstände, bei denen iS der zit ständigen Rechtsprechung des Revisionsgerichtes von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden könnte, liegen bei der Klägerin nicht vor. Weder ihr Alter noch ihre ausschließliche Tätigkeit im erlernten Friseurberuf schließen eine anderweitige Verwendung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Diese Umstände schränken sie auch nicht in weit größerem Umfang ein als in durchschittlichen Fällen mit vergleichbaren Einschränkungen.
Daher war der Revision nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.