Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Markel, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roman S***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien vom 20.Jänner 1992, GZ 9 U 9/92-3, und einen damit im Zusammenhang stehenden Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:
Im Verfahren 9 U 9/92 des Strafbezirksgerichtes Wien wurde das Gesetz verletzt
1. durch den Vorgang, daß vor der Fassung des Beschlusses vom 20. Jänner 1992, ON 3 mit dem vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Verfahren 15 U 642/88 dieses Gerichtes abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, eine Einsichtnahme in diesen Akt unterblieb, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 3 StPO;
2. durch den zu Punkt 1. angeführten Beschluß in dem sich aus § 498 StPO ergebenden Verbot, nach Beschlußfassung über die Endgültigkeit der Strafnachsicht (außerhalb eines diesen Beschluß betreffenden Verfahrens) in der Sache nochmals zu entscheiden.
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Gründe:
Roman S***** wurde mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 3. Oktober 1988, GZ 15 U 642/88-5, des Vergehens nach § 8 MilStG schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Mit Beschluß des gleichen Gerichtes vom 16.Jänner 1992 (ON 11 dA) wurde die Strafe endgültig nachgesehen (§ 43 Abs. 2 StGB).
Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 20. Jänner 1992, GZ 9 U 9/92-3, wurde Roman S***** des (innerhalb der vorerwähnten Probezeit begangenen) Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Zugleich sah das Strafbezirksgericht Wien aus Anlaß dieser Verurteilung vom Widerruf der dem Genannten mit dem eingangs erwähnten Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre (§ 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO).
Hiebei hat es das Gericht entgegen der Bestimmung des § 494 a Abs. 3 StPO unterlassen, vor der Beschlußfassung in den Akt 15 U 642/88 des Strafbezirksgerichtes Wien Einsicht zu nehmen, weshalb ihm bei der Beschlußfassung vom 20.Jänner 1992 die bereits am 16.Jänner 1992 erfolgte endgültige Strafnachsicht nicht bekannt war.
Dadurch konnte es geschehen, daß das Strafbezirksgericht Wien im Verfahren 9 U 9/92 zwar vom Widerruf der zu 15 U 642/88 gewährten bedingten Strafnachsicht absah, aber die Probezeit auf fünf Jahre verlängerte, wiewohl einer solchen Entscheidung die mit dem Beschluß des gleichen Gerichtes vom 16.Jänner 1992 auf endgültige Strafnachsicht verbundene Sperrwirkung entgegenstand. Der zuletzt angeführte Beschluß ist der materiellen Rechtskraft fähig und damit, wie aus § 498 StPO folgt, einer Behebung oder Abänderung nur im Rechtsmittelweg zugänglich. Daß der Beschluß vom 16.Jänner 1992 am 20. Jänner 1992 noch nicht rechtskräftig war, erweist sich demnach als bedeutungslos.
Der Beschluß vom 20.Jänner 1992 verletzt sonach das Gesetz in der Bestimmung des § 498 StPO (15 Os 120/91 samt der dort zitierten weiteren Judikatur) und war daher in Stattgebung der vom Generalprokurator ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ersatzlos zu beseitigen, zumal er dem Verurteilten zum Nachteil gereicht (§ 292 letzter Satz StPO).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden