8Ob563/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Unterbringungssache des ***** Heinrich G*****, vertreten durch den Patientenanwalt DSA Christian A*****, infolge Revisionsrekurses des Univ.Doz.Prim.Dr.Friedrich L*****, vertreten durch Dr.Gerald Zauner, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 22.April 1993, GZ 18 R 241/93-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 8.März 1993, GZ 22 Ub 40/93-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom 8.3.1993 (ON 6) wies das Erstgericht den hinsichtlich des Patienten Heinrich G***** gestellten Antrag des Patientenanwaltes auf Überprüfung der Zulässigkeit der Beschränkungen des Kranken in seiner Bewegungsfreiheit gemäß § 33 iVm § 38 UbG ab.
Hiezu stellte es fest:
Heinrich G***** wurde am 20.1.1993 in den geschlossenen Bereich der psychiatrischen Behandlungsabteilung für Männer C 7 ***** aufgenommen und befand sich dort bis zum 21.1.1993, kam an diesem Tag in den geschlossenen Bereich der psychiatrischen Behandlungsabteilung für Männer A 10 und wurde am 22.1.1993 auf die Abteilung für Neurologisch-Psychiatrische Gerontologie A 1 verlegt. Die Eingangstüre zu dieser Abteilung war am 4.3.1993 um die Mittagszeit versperrt, konnte am 8.3.1993 vormittags jedoch von außen mittels einer Schnalle geöffnet werden. Auf dieser Abteilung befinden sich multimorbide Patienten mit neurologischen, psychiatrischen und internistischen Erkrankungen, die durch Abbauvorgänge bzw. arteriosklerotische Gefäßveränderungen im Gehirn bedingt sind. Bei Heinrich G***** wurde nach seiner Einlieferung wegen seniler Demenz vom Altzheimertyp auf den Abteilungen C 7 und A 10 eine Neuroleptikaeinstellung vorgenommen, als die Unruhezustände sodann aufhörten, wurde er auf die Abteilung A 1 verlegt. Dort stellte man bei ihm im Rahmen der obligatorisch vorgenommenen Durchuntersuchung zur Abklärung diagnostischer Maßnahmen einen pneumonischen Infekt fest, der eine internistische Behandlung mit Antibiotika erforderte. Nach Abschluß dieser Behandlung und Abwarten eines Beobachtungszeitraumes wurde er in häusliche Pflege entlassen. Während des Aufenthaltes auf der Abteilung A 1 stand nicht die psychiatrische Erkrankung, sondern die internistische Behandlung mittels Antibiotika im Behandlungsvordergrund.
Das Erstgericht vertrat rechtlich die Auffassung , die Abteilung A 1 habe für Heinrich G***** keine psychiatrische Abteilung im Sinne des § 2 UbG dargestellt, weil der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit bei objektiver Betrachtung nicht ins Fachgebiet der Psychiatrie, sondern in jenes der internen Medizin gefallen sei.
Das Rekursgericht gab dem vom Patientenanwalt erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Unterbringungsverfahrens auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte zur Begründung ua. aus:
Die gegenständliche Station A 1 sei (auch) eine psychiatrische Abteilung. Durch Schaffung von Mischstationen - im vorliegenden Falle würden auch neurologische und internistische Erkrankungen in der Station A 1 behandelt - könne die Anwendung des Unterbringungsgesetzes für eine Station nicht ausgeschlossen werden; auf die Bezeichnung der Abteilung und die Gliederung in der Anstaltsordnung komme es nicht an, sondern nur auf den objektiven "psychiatrischen" Charakter der Abteilung. Entweder handle es sich um eine nach der Art der ärztlichen Tätigkeit bzw. der behandelten Krankheiten schwerpunktmäßig psychiatrische Abteilung - dann finde das Unterbringungsgesetz Anwendung -, oder es handle sich in diesem Sinne um keine psychiatrische Abteilung -, dann dürften grundsätzlich mangels Deckung durch das Unterbringungsgesetz auch keine Beschränkungen stattfinden. Heinrich G***** sei wegen einer - nach Ansicht des Krankenhauses - psychischen Krankheit in das Krankenhaus aufgenommen worden und auch nach Verlegung in die Abteilung für Neurologisch-Psychiatrische Gerontologie, die als Abteilung im Sinne des § 2 UbG anzusehen sei, Beschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen. Damit seien aber die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens nach dem Unterbringungsgesetz erfüllt. Die Frage, ob der Patient tatsächlich an einer psychischen Krankheit leide, bzw. das (Nicht )Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 3 UbG seien erst im Verfahren zu prüfen.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung wendet sich der Rekurs des ärztlichen Leiters der Abteilung A1 des Krankenhauses mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist mangels Rekurslegitimation des Rechtsmittelwerbers unzulässig:
Gemäß § 12 Abs 2 UbG hat das Gericht in Unterbringungssachen im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden. Hinsichtlich der im Verfahren Rechtsmittelberechtigten enthält das Unterbringungsgesetz selbst eigene spezielle Regelungen, so insbesondere auch betreffend den Abteilungsleiter, d.i. den mit der Führung der Abteilung betrauten Arzt oder seinen Vertreter (§ 4 Abs 2 leg cit):
Gelangt das Gericht nach Durchführung des Erstanhörungsverfahrens zum
Ergebnis, daß die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht
vorliegen, so hat es diese gemäß § 20 Abs 2 UbG für unzulässig zu
erklären. In diesem Falle ist nach der vorgenannten Gesetzesstelle
"die Unterbringung sogleich aufzuheben, es sei denn, der
Abteilungsleiter erklärt, daß er gegen den Beschluß Rekurs erhebt
.............". Wird nach erfolgter Erstanhörung gemäß § 20 Abs 1 UbG
die vorläufige Unterbringung bis zur Entscheidung nach § 26 Abs 1
UbG vom Gericht für zulässig erklärt und in der Folge die mündliche
Verhandlung durchgeführt, in dieser aber sodann die Unterbringung vom
Gericht für unzulässig erklärt, so ist sie gemäß § 26 Abs 3 UbG
"sogleich aufzuheben, es sei denn, der Abteilungsleiter erklärt in
der mündlichen Verhandlung, daß er gegen den Beschluß Rekurs erhebt
...............". In Übereinstimmung mit diesen Regelungen steht die
mit "Rechtsmittel" überschriebene Bestimmung des § 28 UbG. Gemäß dessen Absatz 1 können die dort im einzelnen angeführten Personen gegen den Beschluß, mit dem die Unterbringung für zulässig erklärt wird, Rekurs erheben. Der Abteilungsleiter ist dagegen gemäß Absatz 2 leg cit hinsichtlich des Beschlusses, mit dem die Unterbringung für unzulässig erklärt wird, unter der Voraussetzung des § 26 Abs 3 UbG zur Erhebung eines Rekurses berechtigt. Im Verfahren bei Beschränkungen und Behandlungen sind gemäß § 38 Abs 2 UbG die vorgenannten Bestimmungen der §§ 26 Abs 1 und 28 UbG sinngemäß anzuwenden.
Im vorliegenden Falle hat das Rekursgericht die Unterbringung bzw. Beschränkungen Heinrich G***** nicht für unzulässig erklärt, sondern in seinem Aufhebungsbeschluß dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Unterbringungsverfahrens aufgetragen. Gegen die bloße Anordnung der Einleitung des gesetzmäßigen Unterbringungsverfahrens steht dem Abteilungsleiter nach den seine Rechtsmittellegitimation regelnden obengenannten Bestimmungen aber nicht das Recht zur Einbringung eines Revisionsrekurses zu (hiezu 8 Ob 593/91; 4 Ob 542/91). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung EvBl 1992/145 S.618 ausgesprochen, daß dem Abteilungsleiter das der Abwehr des durch eine gerichtliche Sachentscheidung gegen die Anstalt erhobenen Vorwurfes einer gesetzwidrigen Vorgangsweise gegenüber einem Kranken dienende Rekursrecht (so auch 1 Ob 599/92) nur hinsichtlich von Beschlüssen mit "Unzulässigkeitsaussprüchen" zukommt; er ist auf die in den vorgenannten Gesetzesstellen normierten Anfechtungsmöglichkeiten beschränkt (4 Ob 542/91; Kopetzki UbG Rz 473, 474).
Demgemäß war das Rechtsmittel zurückzuweisen.