JudikaturOGH

10ObS288/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Margarethe Peters (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Friedrich Wienerroither (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 1.Mai 1992 verstorbenen Luise A*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin, diese vertreten durch Dr.Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr.Renate Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Kostenersatzes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.August 1992, GZ 33 Rs 75/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.März 1992, GZ 5 Cgs 520/91-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die bei der Beklagten versicherte frühere Klägerin war vom 1.Oktober bis 31.Dezember 1990 in der Anstalt "R***** M***** GesmbH" in ***** M*****, untergebracht.

Mit Bescheid vom 22.Juli 1991 lehnte die Beklagte den Antrag der Versicherten auf Übernahme der Kosten für diesen Aufenthalt mit der Begründung ab, daß es sich bei der genannten Anstalt um eine Pflegeanstalt für chronisch Kranke nach § 2 Abs 1 Z 4 Nö Krankenanstaltengesetz handle. Weil die Unterbringung in einer solchen Anstalt nach § 144 Abs 4 ASVG nicht als Anstaltspflege gelte, seien ihre Kosten nicht zu ersetzen.

Die dagegen fristgerecht erhobene Klage richtet sich auf "Feststellung, daß die Beklagte der (früheren) Klägerin die Kosten ihres Aufenthaltes ab 1.10.1990 in der genannten Pflegeanstalt für chronisch Kranke zu ersetzen habe". Sie stützt sich darauf, daß sich die Versicherte in dieser Krankenanstalt zur ärztlichen Behandlung mehrerer Leiden befunden habe, wodurch ihr Kosten von 192.150 S entstanden seien. Durch die Therapien habe sich ihr Gesundheitszustand gebessert bzw. seien eine Verschlechterung verhindert und Schmerzen gelindert worden, weshalb keine Asylierung vorgelegen sei.

Die Beklagte beantragte aus den Gründen ihres Bescheides die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach seinen Feststellungen wurde die am 20.Mai 1893 geborene Versicherte vom 1.Oktober bis 31.Dezember 1990 in der genannten Pflegeanstalt für chronisch Kranke wegen Myocardiopathie mit Zeichen latenter cardialer Dekompensation, Atrophie der Muskulatur der unteren Extremitäten, Zustandes nach Schenkelhals- und Schambeinfraktur, Neuralgien des Nervus occipitalis rechts und des Nervus trigeminus rechts sowie reduzierten Allgemein- und Ernährungszustandes behandelt. Diese Krankheiten machten folgende Therapien notwendig: Coroverlan, Lanitop, Aldactone Saltucin, Physikotherapie (aktive und passive Bewegungsübungen), Gehübungen mit reziprokem Gehgestell, Stock bzw. Üben des selbständigen Gehens mit Begleitung, Multivit-B-Injektionen, Analgetika und Diät. Dadurch konnten eine Besserung des Gesundheitszustandes erreicht bzw. ein Fortschreiten des regelwidrigen Körperzustandes verhindert und Schmerzzuständen gelindert werden. Wegen des hohen Alters der Patientin und der Art ihrer durchwegs chronischen Erkrankungen konnte keine wesentliche Besserung ihres Zustandes erreicht werden.

Deshalb nahm das Erstgericht eine nach § 144 Abs 4 ASVG nicht als Anstaltspflege geltende Unterbringung in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen, an.

Dagegen erhob die frühere Klägerin Berufung, in der sie unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.

Am 1.Mai 1992, also noch vor Zustellung der Berufung, verstarb die frühere Klägerin. Dadurch wurde das Verfahren nach § 76 Abs 1 ASGG kraft Gesetzes unterbrochen.

Der Tod der früheren Klägerin wurde den Vorinstanzen und vermutlich auch der Beklagten erst am 3.August 1992 bekannt. Das Erstgericht erfuhr davon durch einen an diesem Tag bei ihm eingelangten Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien als Verlassenschaftsgerichtes vom 29.Juli 1992, 2 A 255/92. Darin wurden u.a. die Bevollmächtigung des Klagevertreters durch die S***** in T***** zur Kenntnis genommen, deren auf Grund des Testaments vom 14.Juni 1987 abgegebene bedingte Erbserklärung angenommen, deren Erbrecht für ausgewiesen erklärt und der Klagevertreter als Erbenmachthaber ermächtigt, das vorliegende Verfahren unter Ausschöpfung sämtlicher Rechtszüge fortzuführen. Während der Unterbrechung stellte das Erstgericht die bei ihm am 14. Mai 1992 eingelangte Berufungsbeantwortung zu und legte die Akten am 18.Mai 1992 dem Berufungsgericht vor. Dieses beraumte die Tagsatzung zur in der Berufung beantragten mündlichen Berufungsverhandlung auf den 3.August 1992 an. Zu Beginn dieser Tagsatzung stellte die dabei durch die Substitutin des Klagevertreters vertretene klagende Partei ihre Bezeichnung auf "Verlassenschaft nach der am 1.5.1992 verstorbenen Luise A*****" richtig, worin das Berufungsgericht auch einen Antrag der durch die erbserklärte Erbin vertretenen Verlassenschaft auf Fortsetzung (Aufnahme) des nach § 76 Abs 1 ASGG unterbrochenen Verfahrens iS des Abs 2 leg cit erblickte und die Berufungsverhandlung durchführte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es übernahm die bestrittene Feststellung, daß es sich bei der "R***** M***** GesmbH" um eine anerkannte Pflegeanstalt für chronisch Kranke gemäß § 2 Abs 1 Z 4 Nö KAG 1974 handelt und vertrat die Rechtsansicht, daß in dieser Anstalt nur chronische Erkrankungen der (früheren) Klägerin behandelt worden seien. Diese Behandlungen seien der ärztlichen Betreuung iS des § 144 Abs 4 ASVG gleichzustellen. Eine akute Erkrankung, die eine Behandlung wegen "ad hoc" aufgetretener Gesundheitsstörungen bzw Schmerzen notwendig gemacht hätten, sei weder behauptet noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen nach § 144 Abs 3 ASVG seien nicht zu prüfen gewesen, weil die spezielle Norm des Abs 4 leg cit anzuwenden sei.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der Verlassenschaft nach der früheren Klägerin wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Weil zunächst noch nicht feststand, ob die Revision von einer Person eingebracht wurde, der dieses Rechtsmittel zusteht (§ 472 Abs 1 iVm § 513 ZPO), ersuchte der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 28.Jänner 1993 das Erstgericht, nach § 509 Abs 3 leg cit zu erheben, ob die frühere Klägerin zur Zeit ihres Todes mit ihrem Ehegatten oder leiblichen Kindern, Wahlkindern, Stiefkindern, Eltern oder Geschwistern in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.

Auf Grund dieses Ersuchens trug das Erstgericht dem Klagevertreter mit Beschluß vom 18.Februar 1993 auf, binnen vier Wochen eine Sachverhaltsdarstellung zu erstatten, allenfalls Bescheinigungsmittel vorzulegen.

IS dieses Auftrages gab der Klagevertreter mit Schriftsatz vom 10. März 1993 bekannt, daß die frühere Klägerin keine Verwandten hinterlassen und mit keinem im § 76 Abs 2 Satz 1 ASGG vorrangig zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens berechtigten nahen Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe.

Diese Umstände sind durch die vom Klagevertreter vorgelegte Ablichtung der durch den Gerichtskommissär des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien am 12.Juni 1992 zu 2 A 255/92 errichteten, die frühere Klägerin betreffenden Todfallsaufnahme und einen Brief des Rechtsanwaltes der erbserklärten Erbin der früheren Klägerin an Dr.Renate S***** vom 26.Februar 1993 im Zusammenhalt mit dem schon erwähnten Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 29.Juli 1992 bescheinigt, zumal die Beklagte von der ihr mit am 30.März 1993 zugestelltem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 24.März 1993 gebotenen Gelegenheit, sich binnen vierzehn Tagen zu den die Voraussetzungen der Prozeßnachfolge der Verlassenschaft nach der früheren Klägerin betreffenden Erhebungsergebnissen zu äußern, keinen Gebrauch gemacht hat.

Da die Verlassenschaft nach der früheren Klägerin nach § 76 Abs 2 2. Satz ASGG zur Aufnahme des durch den Tod der Versicherten unterbrochenen Verfahrens berechtigt war, wurde die Revision von einer Person eingebracht, der dieses Rechtsmittel zusteht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 1 Z 2 ASGG zulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 192.150,-- beträgt. Sie ist auch iS des Eventualantrages berechtigt.

Das auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die Kosten

des Aufenthaltes der früheren Klägerin in der Pflegeanstalt für

chronisch Kranke "R***** M***** GesmbH" gerichtete Klagebegehren

stützte sich schon in der Klage darauf, daß sich die Versicherte vom

1. Oktober bis 31.Dezember 1990 dort in ärztlicher Behandlung wegen

verschiedener Leiden befunden habe, wofür ihr am 22.Februar 1991

Kosten von 192.150 S in Rechnung gestellt worden seien. Im

vorbereitenden Schriftsatz ON 4 verdeutlichte die Versicherte ihr

bisheriges Vorbringen und betonte u.a. unter Bezugnahme auf das zu §

144 Abs 4 ASVG ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

VfSlg 9870, daß ein Versicherter bei Vorliegen einer Krankheit auch

dann, wenn er in einer Anstalt untergebracht sei, für die kein

Leistungsanspruch (auf Anstaltspflege) bestehe, für die Dauer der

Krankheit Anspruch auf Krankenbehandlung habe. Darum gehe es in ihrem

Fall. Wie sich aus der schon erwähnten Rechnung vom 22.Februar 1991

in Verbindung mit dem ärztlichen Zeugnis vom selben Tag ergebe, habe

sie mehrere Krankheiten iS des § 120 ASVG gehabt, die verschiedene

Therapien notwendig gemacht hätten, durch die eine Besserung ihres

Gesundheitszustandes bzw ein Fortschreiten des regelwidrigen

Körperzustandes verhindert bzw. Schmerzzustände gemildert worden

seien. Daraus ist ersichtlich, daß die Klage nicht auf Kostenersatz

bei Anstaltspflege iS des § 150 ASVG, sondern eigentlich auf

Erstattung von Kosten der Krankenbehandlung iS des § 131 Abs 1 ASVG

gerichtet ist. Auch in der Berufung führte die Klägerin aus, das

Erstgericht habe verkannt, daß mit der Klage gar nicht der Ersatz

sogenannter Anstaltspflege, sondern der Ersatz der Kosten einer

notwendigen Krankenbehandlung begehrt werde (insbes. S 5 in ON 10 AS

43, aber auch S 3 AS 39 und S 6 AS 45). Ähnliche Ausführungen enthält

auch die Revision. Dabei dürfte das Klagebegehren trotz seiner

Formulierung "Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der

klagenden Partei die Kosten ..... zu ersetzen hat" nicht auf bloße

Feststellung der Leistungspflicht, sondern auf Leistung

(Kostenerstattung) gerichtet sein. Dafür sprechen auch S 6 der

Berufung ON 10 AS 45, daß der Klägerin .... Anspruch auf Ersatz der

Kosten der Krankenbehandlung .... im eingeklagten Umfang zustehe, und

S 6 der Revision ON 16 AS 85, daß der klagenden Partei für die bei

der Verstorbenen aufgetretenen Krankheiten und deren erfolgreiche

Behandlung (Linderung) der begehrte Kostenersatz zugesprochen werde.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Art des Klagebegehrens klarzustellen sein. Für ein Feststellungsbegehren könnte nämlich im Hinblick auf die mögliche Leistungsklage ein rechtliches Interesse fehlen (MGA ZPO14 § 228 E 281 ff).

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG in der in diesem Fall anzuwendenden Fassung.)

Als Leistungen der Krankenversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen des ASVG aus dem Versicherungsfall der Krankheit Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137) und Hauskrankenpflege (§ 151), erforderlichenfalls Anstaltspflege (§§ 144 bis 150) gewährt (§ 117 Z 2).

Die Krankenbehandlung umfaßt 1. ärztliche Hilfe, 2. Heilmittel, 3. Heilbehelfe (§ 133 Abs 1). Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit im ASVG nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht (Abs 2 leg cit). Befindet sich ein Versicherter in Anstaltspflege, so besteht für diese Zeit kein Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung, soweit die entsprechenden Leistungen nach dem Krankenanstaltengesetz BGBl 1957/1 im Rahmen der Anstaltspflege zu gewähren sind (Abs 3 leg cit).

Die Krankenbehandlung wird während der Versicherung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung gewährt (§ 134 Abs 1).

Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 338) oder eigene Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Wird die Vergütung für die Tätigkeit des entsprechenden Vertragspartners nicht nach den erbrachten Einzelleistungen bestimmt, hat die Satzung des Versicherungsträgers Pauschbeträge für die Kostenerstattung zu bestimmen (§ 131 Abs 1). Durch die Satzung des Versicherungsträgers sind für alle Fälle der Inanspruchnahme einer Ersatzleistung nach Abs 1 nähere Bestimmungen über das Verfahren zur Feststellung des Versicherungsfalles .... zu treffen. Durch die Krankenordnung kann die Erstattung von Kosten der Krankenbehandlung ausgeschlossen werden, wenn der Versicherte in demselben Versicherungsfall einen Vertragspartner oder eine eigene Einrichtung (Vertragseinrichtung) des Versicherungsträgers in Anspruch nimmt (Abs 2).

Pflege in .... einer ..... Krankenanstalt ist ..... zu gewähren, wenn

und solange es die Art der Krankheit erfordert. Anstaltspflege kann

auch gewährt werden, wenn die Möglichkeit einer entsprechenden

häuslichen Pflege nicht gegeben ist (§ 144 Abs 1). Als Anstaltspflege

gilt nicht die Unterbringung in ..... einer Pflegeanstalt für

chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege

bedürfen (§ 2 Abs 1 Z 4 KAG BGBl 1957/1 ..... (Abs 4).

Der Oberste Gerichtshof hat gegen die Anwendung des § 144 Abs 4 aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken und sieht sich daher nicht veranlaßt, den in der Revision angeregten Antrag auf Aufhebung dieser Gesetzesstelle beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art 89 Abs 2 B-VG). Der Verfassungsgerichtshof hat zu § 144 Abs 4 in der auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung der 31. ASVGNov BGBl 1974/775 bereits auf Antrag der Salzburger Landesregierung nach Art 140 B-VG am 28.November 1983 G 66-69/81 VfSlg 9870 erkannt und den Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen. "Chronisch Kranke", die der Behandlung bedürfen, hätten in gleicher Weise wie "akut Kranke" Anspruch auf Krankenbehandlung. Dieser Anspruch bestehe gegenüber dem Sozialversicherungsträger auch während eines Krankenanstaltenaufenthaltes (welcher Art immer), und zwar selbst dann, wenn für diesen kein Leistungsanspruch bestehe. Der Anspruch auf Krankenbehandlung könne demnach unabhängig vom Vorliegen eines Anspruches auf Anstaltspflege Gegenstand eines Leistungsbegehrens sein. Weil "chronisch" Kranke - ohne Rücksicht auf ihre allfällige Unterbringung in einer Krankenanstalt iS des § 2 Abs 1 Z 4 KAG - von keinem Leistungsanspruch ausgeschlossen seien, der "akut Kranken" zustehe, sei § 144 Abs 4 nicht mit der von der antragstellenden Landesregierung behaupteten Verfassungswidrigkeit (Gleichheitswidrigkeit) behaftet. Die von Mazal, Sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche bei Unterbringung in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke in Tomandl, Sachleistungserbringung durch Dritte in der Sozialversicherung 98 (117 f) und Schrammel, Krankenanstaltengesetz und Sozialversicherungsrecht ZAS 1990, 109 (114 f) geäußerten Bedenken gegen die Gleichheitswidrigkeit dieser Gesetzesstelle werden vom erkennenden Senat nicht geteilt. Diese Bestimmung ist vielmehr verfassungskonform auszulegen. Daß die Unterbringung in einer nach § 1 Abs 2 KAG auch als Krankenanstalt anzusehenden Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen, im Gegensatz zur Unterbringung in Krankenanstalten iS des Abs 1 dieser Gesetzesstelle, die zur Feststellung des Gesundheitszustandes durch Untersuchung, zur Vornahme operativer Eingriffe, zur Vorbeugung, Besserung und Heilung von Krankheiten durch Behandlung und zur Entbindung bestimmt sind, nicht als Anstaltspflege iS des Krankenversicherungsrechtes gilt, ist durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen ausreichend begründet, die von Mazal aaO 103 für die ärztliche Betreuung und 113 für die besondere Pflege richtig beschrieben werden. Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 29 führt dazu zutreffend aus, daß ein Anspruch auf Anstaltspflege nicht besteht, wenn der Versicherte "nur" eine Betreuung, aber keine Krankenbehandlung benötigt.

Nach dem unbestrittenen Parteienvorbringen war die Versicherte vom 1. Oktober bis 31.Dezember 1990 in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen, untergebracht. Diese Unterbringung gilt nicht als Anstaltspflege im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (Marhold, ZAS 1985, 191 f; Mazal aaO 120; Schrammel aaO 114; Binder in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 218; Grillberger aaO); die Versicherte befand sich also während dieser Zeit nicht in Anstaltspflege iS des § 133 Abs 5, weshalb für diese Zeit Anspruch auf Krankenbehandlung nach §§ 133 ff bestehen konnte (sa VfSlg 9870). Soweit die Versicherte während dieser Zeit nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen der Beklagten zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nahm, würde ihr somit der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 131 gebühren (Mazal aaO 127 f).

Weil die Vorinstanzen von einer anderen Rechtsansicht ausgingen, wurden die nach Inhalt der Prozeßakten dem Revisionsgericht erheblich scheinenden Tatsachen, die eine Beurteilung der von der Beklagten zu ersetzenden Kosten der anderweitigen Krankenbehandlung ermöglichen, bisher weder erörtert noch festgestellt. Vor allem fehlen Feststellungen über die in der Zeit vom 1.Oktober bis 31.Dezember 1990 von Nichtvertragspartnern der Beklagten zur Krankenbehandlung dienenden erbrachten ärztlichen Leistungen und über die ärztlich verordneten Heilmittel und allfälligen Heilbehelfe. Weiters sind Feststellungen darüber erforderlich, welche Beträge von der Beklagten bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre.

Die Urteile der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben und war die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.

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