JudikaturOGH

12Os56/93(12Os57/93, 12Os58/93) – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin G***** wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 1.Oktober 1992, GZ. U 18/90-26, und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 29.Dezember 1992, AZ. 1a Bl 28/92, sowie gegen den Vorgang, daß das Bezirksgericht Fürstenfeld in der Endverfügung den Eintritt der Rechtskraft der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens mit 5.Mai 1990 datierte, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Erwin G***** wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, (nunmehr) AZ U 12/93 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld, verletzen das Gesetz:

1. die Datierung der Rechtskraft des Beschlusses auf Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 9 Abs 1 Z 1 JGG in der Endverfügung mit 5.Mai 1990 (ON 10) in der Bestimmung des § 77 Abs 1 StPO in Verbindung mit §§ 9 Abs 3 und 32 Abs 5 JGG;

2. der Beschluß des Bezirksgerichtes Fürstenfeld auf Fortsetzung des Strafverfahrens vom 1.Oktober 1992, GZ U 18/90-26, und die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 29. Dezember 1992, AZ 1 a Bl 28/92 (ON 29), in der Bestimmung des § 11 Abs 5 JGG.

Die zu 2. bezeichneten Beschlüsse werden aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Graz auf Fortsetzung des Strafverfahrens gegen Erwin G***** gemäß § 11 Abs 5 JGG wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen den am 31.Dezember 1974 geborenen Erwin G***** war zu AZ U 18/90 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld ein Strafverfahren wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung anhängig, welches in der Hauptverhandlung vom 14.März 1990 über Antrag des Beschuldigten und seines gesetzlichen Vertreters mit Zustimmung des Bezirksanwaltes gemäß § 9 Abs 1 Z 1 JGG vorläufig unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren und unter Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 9 Abs 2 JGG) eingestellt wurde. Der Beschluß wurde in Gegenwart des Bezirksanwaltes, des jugendlichen Beschuldigten und seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin verkündet. Dazu abgegebene Rechtsmittelerklärungen sind dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen. Die Beschlußausfertigung (ON 9) mit der namentlichen Anführung des bestellten Bewährungshelfers wurde zunächst ("gemäß § 10 Abs 1 JGG") dem Bezirksanwalt und am 20.April 1990 dem jugendlichen Beschuldigten sowie seiner gesetzlichen Vertreterin zugestellt. In der am 10.Mai 1990 verfaßten Endverfügung wurde sodann der Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses mit 5.Mai 1990 datiert und dementsprechend ein den Ablauf der Probezeit betreffender Fristenvermerk für 5.Mai 1992 verfügt.

Erwin G***** wurde in der Folge zweimal (am 4. Oktober 1990 zu AZ 4a EVr 1725/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und am 5.Juni 1991 zu AZ U 73/91 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld - ON 12 und 25) wegen weiterer (überwiegend nachträglich) verübter Straftaten rechtskräftig verurteilt, worauf das Strafverfahren AZ U 18/90 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld (über Antrag der Staatsanwaltschaft) mit Beschluß dieses Gerichtes vom 1.Oktober 1992 (ON 26) gemäß § 11 Abs 5 JGG fortgesetzt wurde.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten, die den Ablauf der Rechtsmittelfrist zu dem seinerzeitigen Einstellungsbeschluß gemäß § 9 Abs 1 JGG mit 28.März 1992 und damit auch den Ablauf der im § 11 (zu ergänzen:) Abs 5 JGG normierten Frist im Zeitpunkt der angefochtenen Beschlußfassung geltend machte, weil die Rechtsmittelfrist zu dem mündlich verkündeten Einstellungsbeschluß schon am 14.März 1990 zu laufen begonnen habe, wurde mit Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 29. Dezember 1992, AZ 1 a Bl 28/92 (ON 29) als unbegründet zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Mit der zur Wahrung des Gesetzes gegen das der vorläufigen Verfahrenseinstellung nachfolgende Vorgehen des Bezirksgerichtes Fürstenfeld und gegen die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur zutreffend in mehrfacher Hinsicht Gesetzesverletzungen geltend. Schon die Datierung der für den Beginn der Probezeit entscheidenden Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses mit 5.Mai 1990 in der Endverfügung vom 10.Mai 1990 (ON 10) widerspricht der Bestimmung des § 77 Abs 1 StPO in Verbindung mit § 9 JGG. Im Fall der mündlichen Verkündung eines Gerichtsbeschlusses beginnt nämlich für die bei der Verkündung anwesenden Prozeßparteien die Rechtsmittelfrist sofort zu laufen (§ 77 Abs 1 erster Fall StPO), weshalb die spätere Zustellung der schriftlichen Beschlußausfertigung den Fristenlauf nicht mehr beeinflußt (Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 2 a zu § 77). Im konkreten Fall trat daher die Rechtskraft des in Rede stehenden Beschlusses bereits am 28.März 1990 ein, während die Probezeit mit Ablauf des 28.März 1992 endete. Die dazu vom Erstgericht wie (sinngemäß) auch vom Beschwerdegericht relevierte Vorschrift des § 10 JGG bezieht sich demgegenüber nur auf den (in der Praxis häufigeren) Fall der vorläufigen Verfahrenseinstellung außerhalb der Hauptverhandlung durch einen den Parteien (weil in deren Abwesenheit gefaßten) schriftlich durch Zustellung bekanntzumachenden Beschluß. Die hier verfügte Zustellung des Einstellungsbeschlusses an den Bezirksanwalt, der den mündlich verkündeten Beschluß bereits beschwerdelos zur Kenntnis genommen hatte, war für den Eintritt der Rechtskraft ohne Bedeutung.

Davon ausgehend war aber im Zeitpunkt der die Verfahrensfortsetzung betreffenden Beschlußfassung des Bezirksgerichtes Fürstenfeld am 1. Oktober 1992 die dazu im § 11 Abs 5 JGG normierte, sechs Monate nach Ablauf der Probezeit endende Frist bereits verstrichen. Da somit dieser Beschluß ebenso wie die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zum Nachteil des Erwin G***** gegen die Bestimmung des § 11 Abs 5 JGG verstieß, waren beide gesetzwidrigen Gerichtsbeschlüsse zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO) und - der dem Gesetz (endgültig) widersprechende - Antrag auf Verahrensfortsetzung spruchgemäß abzuweisen.

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