JudikaturOGH

11Os45/93(11Os46/93) – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas A***** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15.Dezember 1992, GZ 13 Vr 2564/92-40, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4, Abs. 4 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 21.August 1971 geborene Thomas A***** wurde der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (A I 1) und nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB (B 1), des Vergehens der leichten Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A I 2 und 3), des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (A II) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B 2) schuldig erkannt. Demnach hat er in Graz (A) am 29. August 1992 (I.) nachangeführte Personen am Körper verletzt, nämlich (1) Walter G*****, indem er ihn zu Boden riß, auf ihn einschlug und ihn gegen den Kopf trat, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich ein mit Bewußtlosigkeit verbundenes Schädelhirntrauma, eine Rißquetschwunde am Kopf, Brüche des Jochbeins sowie (mit Verschiebung der Bruchstücke) des Nasenbeins und eine länger als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit zur Folge hatte; (2) Reinhard S*****, indem er ihn zu Boden riß, (mit Händen und Füßen - 331) attackierte und ihm dabei eine blutende Hautabschürfung an der Außenseite des rechten Knies, eine Prellung des Kniegelenks sowie eine Hautabschürfung an der Innenseite des linken Ellbogengelenks zufügte; (3) Wolfgang L*****, indem er ihn durch einen Fußtritt gegen die linke Brustregion eine Abschürfung und starke Rötung zufügte; (II.) Anton Z***** durch gefährliche Drohung, nämlich durch die vom Hantieren mit einem (dabei) geöffneten sogenannten Butterfly-Messer begleitete Äußerung: "Du steigst nicht herunter und bleibst weiter auf der Bank an der Theke sitzen" mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung zur Bezahlung einer Flasche Bier und Ausfolgung von 350 S Bargeld genötigt; (B) am 1.November 1992 im (gemeint:) bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Alois B***** und Wilhelm E***** (1) in verabredeter Verbindung Josef F***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihn durch Schläge gegen Gesicht, Kopf und Körper eine Prellung der rechten Brustkorbhälfte, des Brustbeines sowie der rechten Lendenregion, einen Bluterguß im Bereich des rechten Auges, eine Platzwunde an der rechten Augenbraue und einen Bluterguß sowie eine Prellung am rechten Augapfel zufügte;

(2) Josef F***** durch die Ankündigung, ihn unter Vortäuschung von Selbstmord "im Klo" des Haftraumes aufzuhängen, zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seine Schuldsprüche (ausgenommen Punkt A I 3 - leichte Körperverletzung an Wolfgang L*****) mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung und den Widerrufsbeschluß (§ 494 a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO) mit Beschwerde.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich zunächst dagegen, daß sich die die Schuldsprüche A I 1 und 2 (Körperverletzungen an Walter G***** und Reinhard S*****) tragenden Feststellungen auf die Identifizierung des (leugnenden) Angeklagten durch den Zeugen Manfred H***** stützen, deren Zuverlässigkeit jedoch vom Erstgericht deshalb mit formell mangelhafter Begründung bejaht worden sei, weil beide unmittelbar tatbetroffenen Personen den Angeklagten im Gegensatz zu dem vom Tatgeschehen weiter entfernt gewesenen Zeugen H***** nicht mit Sicherheit als den Urheber ihrer Verletzungen wiedererkannt hätten. Da das unterschiedliche Wahrnehmungs- bzw Erinnerungsvermögen der in Rede stehenden Zeugen in den Urteilsgründen ohnedies hinreichend erörtert wurde (337, 338), erschöpft sich der die Mängelrüge einleitende Beschwerdeeinwand, der lediglich eine von der tatrichterlichen abweichende Würdigungsvariante plausibel zu machen sucht, in einem zur Darlegung formeller Begründungsmängel ungeeigneten Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer in Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung. Soweit der Hinweis auf im Vergleich zu den Tatopfern schlechtere Wahrnehmungsmöglichkeiten des Zeugen Manfred H***** im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) wiederholt wird, bleibt unberücksichtigt, daß Wahrnehmungs- und Erinnerungsleistungen eines unbeteiligten Beobachters, die jene durch schockbedingte Erregung beeinträchtigter Tatopfer übertreffen, keine Abnormität darstellen, die nach forensischer Erfahrung denklogisch nicht faßbar wäre. Dem ist hinzuzufügen, daß der Zeuge H***** den Angeklagten ungefähr eine halbe Stunde nach dem Gewaltexzeß gegen Walter G***** und Reinhard S***** zufällig auch bei dem Aggressionsakt gegen Wolfgang L***** beobachtete (82) und dabei ebenso eindeutig wiedererkannte wie in der Hauptverhandlung (289). Bedenken - geschweige solche erheblichen Grades - gegen die Richtigkeit der den in Rede stehenden Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen vermag der Beschwerdeführer mithin nicht zu erwecken.

Auch mit den übrigen Einwänden zur Mängelrüge werden keine formellen Begründungsmängel dargetan. Daß der (zu A II tatbetroffene) Zeuge Anton Z***** im Zuge der wiederholten Vernehmungen die Modalitäten seiner Bedrohung durch den Angeklagten mit einem Messer nicht in allen Details durchwegs konform wiedergab, betrifft ebensowenig eine entscheidende Tatsache wie die weiters relevierten Umstände, daß das in Gegenwart des Angeklagten nachhaltig eingeschüchterte Tatopfer in dem Lokal die Inanspruchnahme fremder Hilfe unterließ und die mit Anton Z***** und dem Angeklagten nur sporadisch in Kontakt getretene Kellnerin die Drohgebärde mit dem Messer nicht wahrnahm.

Zum Faktenkomplex B 1 und 2 hinwieder hat sich das Erstgericht mit den Aussagen der im Tatzeitpunkt mit Josef F***** und dem Angeklagten gemeinsam in einer Zelle des lg. Gefangenenhauses Graz untergebrachten Häftlinge, die jewede Wahrnehmung zu den inkriminierten Tathandlungen in Abrede stellten, ohnedies auseinandergesetzt und diese (schon in Anbetracht der objektiverten Verletzungen in Verbindung mit den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen über die Art deren naheliegender Verursachung) mit denklogisch einwandfreier Begründung als (völlig) unglaubwürdig beurteilt hat (339). Die vom Beschwerdeführer auch in diesem Punkt angestrebte für ihn günstigere Würdigung der relevierten Verfahrensergebnisse ist - wie dargelegt - im Rahmen der Mängelrüge nicht durchsetzbar.

Was schließlich die Einschätzung des Josef F***** durch den in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Justizwachebeamten Alois N***** anlangt, so konnte sie schon deshalb als im Interesse des Angeklagten nicht erörterungsbedürftig auf sich beruhen, weil auch dieser Zeuge insgesamt sinngemäß seine Überzeung zum Ausdruck brachte, daß die von F***** behaupteten Aggressionsakte den Tatsachen entsprachen (212).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erweist sich in keinem Punkt als prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie durchwegs Tatsachenprämissen voraussetzt, die im tatrichterlich festgestellten Urteilssachverhalt keine Deckung finden. Dies gilt für den Einwand, die Tathandlungen zu A II seien als bloßes "Anstänkern" bzw "Anschnorren" des Zeugen Z***** durch den alkoholisierten Angeklagten ohne jedweden ernsthaften Erpressungsvorsatz zu verstehen, gleichwie für die Behauptung, auch der zu B 2 inkriminierten Bedrohung des Josef F***** mit dem Aufhängen hätte es nach den - nach Beschwerdeauffassung eher in Richtung des § 115 StGB weisenden - Rahmenbedingungen des Tathergangs (voll besetzter Haftraum) an einem nach § 107 Abs 1 StGB faßbaren Tätervorsatz gefehlt. Sind doch dem angefochtenen Urteil dem Beschwerdestandpunkt zuwider auch in subjektiver Hinsicht eindeutig und vollständig sämtliche Tatsachengrundlagen zu entnehmen, die eine Deliktsverwirklichung sowohl nach § 144 Abs 1 StGB (A II) als auch nach § 107 Abs 1 StGB (B 2) voraussetzt.

Die zur Gänze nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Graz zu befinden haben (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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