11Os146/92(11Os147/92) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.April 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Paul C***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.Juli 1992 und vom 4. August 1992, GZ 9 b E Vr 8892/92-4 und -13, sowie des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.August 1992, AZ 21 Bs 245/92, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Kodek, des Vertreters der Haftungsbeteiligten M***** Zeitschriften VerlagsGesmbH, Dr.Korn, des Privatanklägers Herbert F***** und des Vertreters des Privatanklägers, Dr.Stanonik, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Der Privatankläger Herbert F***** erhob beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 29.Juli 1992 zu AZ 9 b E Vr 8892/92 gegen Paul C***** als Verfasser eines - im Wortlaut wiedergegebenen - Artikels in der August-Ausgabe der Zeitschrift "W*****" mit der Überschrift "Kampf gegen Pornos mit Kindern" Privatanklage wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 2 StGB und beantragte gleichzeitig, den Artikelverfasser sowie die M***** Zeitschriften VerlagsGesmbH als Haftungsbeteiligte zur Leistung eines Entschädigungsbetrages zu verpflichten und auf Veröffentlichung des Urteilsspruches über die Anträge des Antragstellers und Privatanklägers in einer Ausgabe des Medienwerks "W*****" zu erkennen (ON 2). Wegen der besonders nachteiligen Auswirkungen der (beabsichtigten) Artikelveröffentlichung für den Privatankläger, der damals im Salzburger Gemeinderatswahlkampf kandidierte, wurde ferner die Beschlagnahme sämtlicher zur Verbreitung bestimmter Exemplare der genannten Ausgabe gemäß § 36 MedienG beantragt.
Noch am 29.Juli 1992 ordnete der Journalrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien nach niederschriftlicher Befragung des Privatanklägers (ON 3) antragsgemäß die Beschlagnahme des Medienwerkes "W*****", August-Ausgabe 1992, an (ON 4); auf Grund des ergänzenden Antrages des Privatanklägers (ON 8 und ON 12) wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.August 1992 die Durchführung der Beschlagnahme auch bei den Verschleißern (in ganz Österreich) angeordnet (ON 13).
Am 30.Juli 1992 erhob die M***** Zeitschriften VerlagsGesmbH Beschwerde gegen diesen Beschluß (ON 6). Darin wurde einerseits die örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingewendet, weil der nach § 40 Abs. 1 MedienG die Zuständigkeit begründende Verlagsort des Medienwerkes "W*****" Klosterneuburg sei, sodaß nach § 41 MedienG die Zuständigkeit des Landesgerichtes St.Pölten begründet wäre, andererseits unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, weil die vorgenommene Interessenabwägung zu Unrecht das öffentliche Informationsinteresse vernachlässige und überdies die Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 MedienG dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers hinreichend Genüge getan hätte.
Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluß vom 4.August 1992, AZ 21 Bs 245/92, (ON 14) der Beschwerde nicht Folge. Zur relevierten Zuständigkeitsfrage führte es aus, daß - mangels Anführung eines Verlagsortes im Impressum des Medienwerkes "W*****" - auf die Organisation des Inverkehrbringens abzustellen sei. Da dies durch die in Wien etablierte Firma M***** besorgt werde, sei Wien als Tatort anzusehen. Auch die meritorischen Einwände der Beschwerdeführerin wurden verworfen.
Über die weitere (mit der erledigten wörtlich übereinstimmende) Beschwerde der Haftungsbeteiligten gegen den ergänzenden Beschlagnahmebeschluß vom 4.August 1992 (ON 16) wurde noch nicht entschieden. Die Hauptverhandlung wurde bisher nicht durchgeführt.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur hinsichtlich der angeführten Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.Juli und 4.August 1992, ON 4 und 13, sowie des Beschwerdeerkenntnisses des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.August 1992, ON 14, Verletzungen der Bestimmung des § 40 Abs. 1 MedienG geltend. Dazu führt sie wörtlich aus:
"Nach dieser Gesetzesstelle gilt für Medieninhaltsdelikte, die in einem Medienwerk begangen werden, als Tatort der Verlagsort, liegt dieser aber im Ausland, dann der Ort, von dem aus das Medienwerk im Inland zuerst verbreitet worden ist. Ist dieser Ort oder der Verlagsort unbekannt, so gilt der Herstellungsort als Tatort. Ist auch dieser unbekannt oder liegt er im Ausland, ist aber das Medienwerk im Inland verbreitet worden, so gilt als Tatort jeder Ort, an dem es im Inland verbreitet worden ist. Mit der Regelung im ersten Halbsatz wird somit - anders als seinerzeit in § 36 PressG - auf die Organisation des Inverkehrbringens des Medienwerkes, auf den Verlag, von dem aus das Erscheinen verwirklicht wird, abgestellt (und nicht etwa auf das Erscheinen der Medienstücke). Über den Verlagsort gibt grundsätzlich das Impressum Auskunft (vgl. Hartmann-Rieder, Komm. S 232). Der Verlagsort ist in der Regel der Sitz des Medienunternehmens (Leukauf-Steininger, Nebengesetze2 Anm. B zu § 24 und zu § 40 MedienG, Hartmann-Rieder aaO S 153). Wie sich aus der unterschiedlichen Regelung für in- und ausländische Verlagsorte ergibt, ist dieser nicht ident mit dem Ort der ersten Verbreitung.
Vorliegend enthält das Impressum (S 178 der Belegexemplare) tatsächlich entgegen § 24 Abs. 1 MedienG nicht die ausdrückliche Angabe des Verlagsortes. Gleichwohl kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dieser mit dem in Klosterneuburg (also in Niederösterreich und gemäß § 41 MedienG im Sprengel des Landesgerichtes St.Pölten liegenden) Sitz des Medieninhabers ident ist. Daß im § 24 Abs. 1 MedienG die Angabe des Verlagsortes verlangt wird, erklärt sich wohl nur daraus, daß in dem darin geregelten "kleinen Impressum" die Anschrift von Medieninhaber (Verleger) und Hersteller nicht erforderlich ist. Hingegen ist in jedem periodischen Druckwerk (wie dem "W*****") auch diese Anschrift zu nennen, sodaß schon daraus der Verlagsort ersichtlich ist. Zwar müssen Verleger und (der im gegenständlichen Impressum genannte) Medieninhaber nicht ident sein, sie sind es aber in der Regel, sodaß die Angabe eines Verlegers nur erforderlich ist, wenn er nicht mit dem Medieninhaber ident ist (siehe § 1 Z 8 MedienG, Hartmann-Rieder aaO S 32 f). Das Beschwerdegericht unterlag daher einem Mißverständnis, wenn es ungeachtet dieser Angabe meinte, auf den Sitz des die Vertreibung organisierenden Unternehmens abstellen zu müssen. Eine Person (oder Firma), deren Aufgabe sich in der Veranlassung oder Besorgung der Verbreitung eines Medienwerkes erschöpft (wie gerichtsbekannter Weise die Firma M***** als Vertriebsfirma zahlreicher Periodika) ist nicht Verleger (Hartmann-Rieder aaO S 33 mw Nachweisen), ihr Sitz daher auch nicht Verlagsort. Als solcher ist bei dem vorliegenden Impressum vielmehr der Sitz des Medieninhabers anzusehen."
Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.
Unbestritten blieb zunächst, daß gemäß § 41 Abs. 2 MedienG in der hier maßgebenden Fassung vor BGBl. 91/93 für das Strafverfahren und das selbständige Verfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes das mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betraute Landesgericht jenes Bundeslandes zuständig ist, in dem die Tat begangen wurde. Unbestritten ist ferner, daß gemäß § 40 Abs. 1 MedienG für Medieninhaltsdelikte primär der Verlagsort als Tatort gilt und die Tatortfrage jeweils nach dem Wortlaut des Impressums zu prüfen ist. Der Beschwerde ist zudem darin zu folgen, daß mit dem ersten Halbsatz des § 40 Abs. 1 MedienG - anders als im § 36 des früheren PresseG - auf die Organisation des Inverkehrbringens des Medienwerkes, auf den Verlag, von dem aus sein Erscheinen verwirklicht wird, abgestellt ist. Verlagsort ist demnach derjenige Ort, von dem aus das Erscheinen von Medienwerken durch Inverkehrbringen der Medienstücke besorgt wird, kurz jener Ort, an dem das Verlagsunternehmen (in der Regel das Medienunternehmen) seinen Sitz hat. Demnach knüpft der Begriff des Verlagsortes in erster Linie an die Organisation des Erscheinens und erst in zweiter Linie an den tatsächlichen Beginn der Verbreitung (bisher: Erscheinungsort) an. Nicht der Ort, an dem das Medienwerk erstmals zugänglich ist, sondern jener, von dem aus die Verbreitung organisiert wird, ist danach der Verlagsort (Hartmann-Rieder 103). Es ist der Beschwerde daher auch beizupflichten, wenn sie die Auffassung des Beschwerdegerichtes als unzutreffend kritisiert, es käme als Verlagsort der Sitz des den Vertrieb organisierenden Unternehmens in Betracht. Tatsächlich ist nämlich eine Person (oder Firma), deren Aufgabe sich in der Veranlassung oder Besorgung der Verbreitung eines Medienwerkes erschöpft (wie gerichtsbekannter Weise die Firma M***** als Vertriebsfirma zahlreicher Periodika), nicht Verleger (Hartmann-Rieder Komm. zum Mediengesetz 33 mwN), ihr Sitz daher auch nicht Verlagsort.
Die von der Beschwerde aus diesen Prämissen abgeleitete Schlußfolgerung ist allerdings auf Grund der tasächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles unzutreffend:
Das Impressum des im Akt erliegenden Belegexemplars (S 178 der Beilagen zu ON 2 und ON 6) enthält nämlich - jeweils unter Anführung der Namen der Funktionsträger - eine Fülle in der zitierten Gesetzesvorschrift nicht geforderter Angaben, wie beispielsweise Chefredaktion, Chef vom Dienst, Redaktion, Reporter, ständige Mitarbeiter, Artdirektor, Bildredaktion, Fotografen, Redaktionssekretariat, Produktionsleitung, EDV, Graphik, Litho, Verlagsassistent, Vertriebsleitung, Vertrieb, Anzeigenleitung, Sekretariat, Anzeigenverwaltung, Anzeigen, Verwaltung und Marketingorganisation, nicht aber ausdrücklich die Anschriften der Redaktion des Medienunternehmens und des Herausgebers und expressis verbis den Verlagsort. Wenngleich der Verlagsort in der Regel der Sitz (organisatorischer Schwerpunkt) des Medienunternehmens ist, sodaß durch die (gesetzlich vorgeschriebene) Angabe der Anschrift des Medieninhabers in der Regel - wenn nicht Umstände für eine Differenzierung zwischen Medieninhaber und Verleger sprechen - auch der Verlagsort ersichtlich gemacht und determiniert ist, sprechen - der Beschwerdeauffassung zuwider - gerade die in das Impressum aufgenommenen Worte "Verlag: Geschäftsführer: Gerd L*****, Alexander L*****" im konkreten Fall gegen die Identität von Medieninhaber und Verleger, weil es andernfalls der gesonderten Anführung des Verlages nicht bedurft hätte. Die Gestaltung des vorliegenden Impressums führt weiters zur Annahme, daß Ursprungsangaben adressenmäßig partiell in Gruppen zusammengefaßt werden, sofern die Anschriften nicht (wie hier nur im Fall des Medieninhabers und der Druckerei) jeweils unmittelbar nach Anführung der Firma angegeben sind. So legt der Wortlaut der Ursprungsangaben von "Herausgeber:" bis "Litho:" eine anschriftsmäßige Zuordnung zu 1120 Wien und jener von "Verlag:" bis "Vertrieb:" eine solche zu 1140 Wien nahe; dem Umstand, daß für die Impressumgruppe "Anzeigenleitung:" bis "Marketing-Organisation:" keine Ortsbezeichnung ausgewiesen ist, ist dabei mit Rücksicht auf den - wie erwähnt - nur unvollständig an den Bestimmungen des § 24 MedienG orientierten Inhalt des Impressums keine entscheidende Bedeutung zuzumessen.
Der nicht gesetzeskonforme Inhalt des Impressums, an dem sich die - solcherart zwangsläufig ausgelösten - Überlegungen des Privatanklägers und Antragstellers zum Verlagsort als entscheidendem Zuständigkeitskriterium im Interesse einer formell und materiell effektiven Rechtswahrung allein orientiert hatten, indiziert demnach die Deckung für die Annahme der - somit auch vom Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend bejahten - örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Wenn dies nicht den Vorstellungen des Impressumverfassers entspricht, muß er diese Konsequenz seines Verstoßes gegen das Gebot der Impressumklarheit gegen sich gelten lassen, ohne daraus prozessuale und materielle Rechtsnachteile des Verfahrensgegners ableiten zu können.
Da somit die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Juli und 4.August 1992, GZ 9 b E Vr 8892/92-4 und 13 sowie (im Ergebnis) der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 4.August 1992, AZ 21 Bs 245/92 (= ON 14 des Vr-Aktes) das Gesetz in der Zuständigkeitsbestimmung des § 40 Abs. 1 MedienG nicht verletzen, mußte der Wahrungsbeschwerde ein Erfolg versagtbleiben.