2Ob522/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brunhard Z*****, vertreten durch Dr.Martin Schober und Dr.Georg Schober, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Maximilian W*****, vertreten durch Dr.Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 75.858 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 31.Juli 1992, GZ 6 R 251/91-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9.Juli 1991, GZ 24 Cg 167/90-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.094 (darin S 849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger beschäftigt sich mit dem Bau von Sondermaschinen, der Beklagte mit der Fertigung von elektronischen und elektrotechnischen Geräten. Der Kläger lieferte im Jahre 1986 an die Firma H***** eine Nagelschweißanlage. Bestandteile hiefür, nämlich eine Impulsschweißanlage und die elektrische Steuerung, wurden vom Beklagten angefertigt und vereinbarungsgemäß direkt dem Empfänger der Anlage in Rechnung gestellt.
Mit der am 18.6.1990 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten aus diesem Geschäftsfall Provision in Höhe des Klagebegehrens. Zwischen den Streitteilen sei eine Provision von 25 % des vom Beklagten begehrten Kaufpreises vereinbart worden.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage mit der Begründung, eine Provisionsvereinbarung sei nicht getroffen worden; das Klagebegehren sei verjährt, weil der Kläger seit spätestens März 1986 den genauen Inhalt des Rechtsgeschäftes zwischen dem Beklagten und der Firma H***** gekannt habe.
Das Gericht erster Instanz hat dem Klagebegehren stattgegeben und nachstehenden Sachverhalt festgestellt.
Die Firma H***** erteilte dem Kläger den Auftrag zur Lieferung einer Nagelschweißanlage. Im Juni 1985 vereinbarten die Streitteile, daß der Beklagte die für diese Anlage erforderliche Impulsschweißanlage sowie die elektrische Steuerung herstelle und direkt der Firma H***** in Rechnung stellen solle. Der Kläger sollte hiefür eine Provision von 25 % der Anbotssumme erhalten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der gelieferten Anlage bezahlte die Firma H***** dem Kläger am 1.6.1987 (richtig: 29.9.1987) und dem Beklagten am 29.9.1987 (richtig: 1.6.1987) die letzte Kaufpreisteilzahlung. Der Kläger erfuhr im Frühjahr des Jahres 1988, daß die gelieferte Maschine nunmehr mängelfrei funktioniere und stellte daher am 15.4.1988 dem Beklagten die vereinbarte Provision in Rechnung.
Auf Grund dieser Feststellungen kam daher das Gericht erster Instanz zum Schluß, daß dem Kläger der Provisionsanspruch zustehe und gab dem Klagebegehren statt. Die Klage sei auch rechtzeitig eingebracht worden, weil der Kläger erst nach Einlangen des restlichen Kaufpreises am 29.9.1987 erkennen konnte, daß die Maschine nunmehr ordnungsgemäß funktioniere.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes - mit Ausnahme der offensichtlich falsch wiedergegebenen Zahlungsdaten - und erörterte rechtlich, daß der Kläger für den Geschäftsherrn (den Beklagten) verdienstlich geworden sei, weil dieser durch ihn einen Auftrag erlangt habe.
Der Anspruch des Klägers sei auch nicht verjährt. Der Kläger sei nämlich weder als selbständiger Handelsvertreter im Sinne des § 1 HVG noch als Handelsmäkler im Sinne des § 93 HGB anzusehen, sondern als "anderer Geschäftsvermittler" im Sinne des § 29 HVG zu betrachten. Danach habe die Abrechnung der Provision dann zu erfolgen, sobald der unbedingte Provisionsanspruch erworben sei; das sei dann der Fall, wenn das vermittelte Geschäft abgeschlossen sei. Bei Verkaufsgeschäften - wie im vorliegenden Fall - sei auf den Eingang der Zahlung beim Geschäftsherrn (Beklagten) abzustellen. Die Verjährung beginne erst mit dem Schluß des Jahres, in dem die Abrechnung stattgefunden habe, für Ansprüche, die in die Abrechnung nicht einbezogen worden seien, mit dem Schluß des Jahres, in dem das Vertragsverhältnis gelöst worden sei und für Ansprüche, hinsichtlich derer erst nach Lösung des Vertragsverhältnisses Abrechnung zu pflegen gewesen sei, mit dem Schluß des Jahres, in dem die Abrechnung stattfinden hätte sollen. Da die letzte Teilzahlung an den Beklagten am 1.6.1987 erbracht worden sei, sei zu diesem Zeitpunkt der Geschäftsfall als abgeschlossen anzusehen. Die Verjährungsfrist beginne somit mit Ablauf des Jahres 1987, weshalb die am 18.6.1990 eingebrachte Klage noch nicht verjährt sei.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag sie dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Der Kläger machte von dem ihm eingeräumten Recht, eine Revisionsbeantwortung einzubringen, Gebrauch und beantragte darin, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage, ob auch Werklieferungen im Sinne des § 381 Abs 2 HGB unter die "Verkaufsgeschäfte" nach § 6 Abs 2 zweiter Satz HVG zu subsumieren seien, fehlt. Die einzige in dieser Richtung ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.Dezember 1953, SZ 26/305, läßt sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwenden, weil dort Geschäftsherr der Besteller des Werkvertrages war und überdies die Provision nicht in Geld, sondern in Garn auszuzahlen war.
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Nach § 6 Abs 2 HVG entsteht der Provisionsanspruch mangels anderer Vereinbarung endgültig mit dem Geschäftsabschluß. Bei Verkaufsgeschäften wird zusätzlich der Zahlungseingang gefordert; darüberhinaus gebührt die Provision nur im Verhältnis des eingegangenen Betrages. Nach der Absicht des Gesetzgebers (siehe dazu Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, 272) wurde die Ausnahme für Verkaufsgeschäfte mit der Gefahr begründet, daß Verkaufsagenten sonst um ihres Provisionsverdienstes willen versuchen könnten, ohne ausreichende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Käufers Verkaufsgeschäfte abzuschließen, wodurch der Geschäftsherr zu Schaden käme. Es sollte daher das Risiko der Zahlungsfähigkeit (und der Zahlungswilligkeit) des vermittelten Dritten von vornherein auch den Handelsvertreter belasten.
Die Sonderregelung für Verkaufsgeschäfte greift dann ein, wenn der Geschäftsherr Verkäufer ist und keine abweichende Vereinbarung besteht (Jabornegg aaO 272; EvBl 1961/8; HS 785/39). Eine derartige abweichende Vereinbarung wurde nicht festgestellt.
Zu prüfen ist daher die Frage, ob das vom Kläger vermittelte Geschäft (Lieferung von Bestandteilen für eine Nagelschweißmaschine) unter den Begriff des "Verkaufsgeschäftes" leg cit zu subsumieren ist.
Der Oberste Gerichtshof teilt die von Jabornegg (aaO 275) ausgesprochene Rechtsmeinung, wonach unter "Verkaufsgeschäften" auch Werklieferungen im Sinne des § 381 Abs 2 HGB verstanden werden können, zumal auch bei solchen die Gefahr leichtfertigter Vermittlung nicht ausreichend liquider Geschäftspartner besteht.
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß das vom Kläger an den Beklagten vermittelte Geschäft als Werklieferungsvertrag anzusehen ist, weil nach herrschender Interpretation der bürgerlich-rechtlichen Abgrenzungsregel des § 1166 ABGB trotz Bereitstellung des Stoffes durch den Werkunternehmer ein Werkvertrag und nicht (wie nach § 1166 ABGB an sich im Zweifel anzunehmen ist) ein Kaufvertrag vorliegt, sofern die Sache gerade für die individuellen Bedürfnisse des Bestellers und entsprechend seinen Wünschen anzufertigen ist (Kramer in Straube, HGB § 381 Rz 4; Krejci in Rummel2, Rz 127 zu §§ 1165, 1166; EvBl 1951/238; JBl 1971, 630). War aber die vom Kläger vermittelte Lieferung von Bestandteilen der Nagelschweißanlage als Werklieferungsvertrag anzusehen, entstand der Anspruch auf die volle Provision erst mit der Zahlung des gesamten Preises.
Gemäß § 17 HVG, der nach § 29 Abs 1 leg cit auf diesen Fall anzuwenden ist, verjährt der Anspruch auf Provision in drei Jahren, wobei die Verjährung für Ansprüche, die in die Abrechnung einbezogen wurden, mit dem Schluß des Jahres, in dem die Abrechnung stattgefunden hat, beginnt; für Ansprüche, die in die Abrechnung nicht einbezogen wurden, beginnt die Verjährung mit dem Schluß des Jahres, in dem das Vertragsverhältnis gelöst wurde. Schließlich beginnt die Verjährung für Ansprüche, hinsichtlich deren erst nach Lösung des Vertragsverhältnisses Abrechnung zu pflegen war, mit dem Schluß des Jahres, in dem die Abrechnung hätte stattfinden sollen.
Der Oberste Gerichtshof pflichtet der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes bei, wonach die Abrechnung der Provision frühestens zu dem Zeitpunkt erfolgen konnte, als der Geschäftsfall als abgeschlossen - sohin zum Zeitpunkt der letzten Teilzahlung an den Beklagten - anzusehen war. Da tatsächlich eine Abrechnung nicht erfolgte, konnte die Verjährung frühestens mit Ablauf des Endes des Jahres, in dem die Zahlung beim Beklagten eingegangen ist, sohin mit 31.12.1987 beginnen (Jabornegg aaO 422; vgl MietSlg 30.625 = HS 11.737; MietSlg 35.709).
Soweit sich der Revisionwerber darauf beruft, daß gemäß § 6 Abs 2 Satz 2 HVG der Anspruch bei Verkaufsgeschäften nur nach Verhältnis des eingegangenen Betrages als erworben gilt, ist daraus für ihn nichts gewonnen, weil sich diese Bestimmung lediglich auf die Fälligkeit des Anspruches auf Provision, nicht jedoch auf die Verjährung des erworbenen Provisionsanspruches bezieht. Konnte nämlich der endgültig erworbene Provisionsanspruch erst nach Einlangen der letzten Teilzahlung abgerechnet werden, dann ist für die Verjährung der Schluß des Jahres maßgeblich, in dem die Abrechnung hätte stattfinden sollen.
Der unberechtigten Revision war daher zusammenfassend nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.