10ObS18/93 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter L*****, vertreten durch Dr.Hellmut Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Juni 1992, GZ 34 Rs 15/92-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.Juni 1991, GZ 15 Cgs 9/91-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies die auf eine Invaliditätspension gerichtete Klage ab.
Es ging im wesentlichen davon aus, daß der am 19.11.1941 geborene Kläger seit dem Pensionsantrag vom 26.3.1990 mit dem im einzelnen festgestellten körperlichen und geistigen Zustand, darunter einem langjährigen Alkoholmißbrauch, während der normalen Arbeitszeit bei Einhalten der üblichen Pausen mittelschwere Arbeiten in allen Körperhaltungen leisten kann, die keine Feinarbeiten sind und nicht an exponierten Stellen oder unter längerer Einwirkung von Rauch, Staub sowie kalter oder feuchtkalter Luft vor sich gehen. Er kann den Arbeitsplatz erreichen und für Hilfsarbeiten aller Art umgestellt werden. Diese Arbeitsfähigkeit reicht für die Tätigkeiten eines Hausarbeiters in Krankenhäusern etc, Lager- und Magazinarbeiters oder Material- und Werkzeugausgebers (jeweils leichte und mittelschwere Arbeiten) oder Portiers bei öffentlichen Dienststellen, Industriebetrieben, Versicherungen oder Banken (leichte Arbeiten) aus, wofür ausreichend viele Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Der Kläger hat keinen Beruf erlernt und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 64 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben. Davon war er 31 Beitragsmonate als Schweißer und 33 Beitragsmonate als Hilfsarbeiter in verschiedenen Branchen tätig. Als Schweißer führte er das Unterpulver-, Schutzgas- und Elektroschweißen aus. Dabei handelt es sich um Teiltätigkeiten des Lehrberufes Universalschweißer, der auch vom Kläger nicht ausgeführte Schweißarbeiten umfaßt.
Ob der Kläger als Schweißer einen angelernten Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 Satz 1 ASVG ausgeübt hat, ließ das Erstgericht offen, weil eine solche angelernte Tätigkeit nicht in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag und daher nicht überwiegend iS des Abs 1 und 2 Satz 2 der zit Gesetzesstelle ausgeübt worden wäre, so daß der Kläger nicht als invalid iS des Abs 1 leg cit gelte. Wegen der seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden, zumutbaren Verweisungstätigkeiten sei er aber auch nicht invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der Verfahrensmängel, Aktenwidrigkeit, unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurden, nicht Folge.
Es verneinte die behauptete Aktenwidrigkeit, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer überzeugenden Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus: Der Kläger könne selbst bei überwiegender Beschäftigung als Schweißer nicht als angelernter Universalschweißer gelten, weil die dreijährige Lehrzeit in diesem Beruf länger sei als die tatsächliche Beschäftigungszeit des Klägers als Schweißer im Beobachtungszeitraum. Der Berufsschutz als angelernter Schweißer sei aber auch deshalb zu verneinen, weil der Kläger nicht auch für das Autogenschweißen angelernt worden sei. Der festgestellte langjährige Alkoholmißbrauch sei im medizinischen Leistungskalkül berücksichtigt, das für die Verweisungstätigkeiten ausreiche.
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache), aber auch Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellungen mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder allenfalls die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.
Die infolge bewilligter Wiedereinsetzung gegen die versäumte Revisionsfrist als rechtzeitig zu behandelnde Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionswerber behauptet zunächst, teilweise entgegen dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen geltenden Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO, daß er vom 15.3.1972 bis 15.2.1978 bei einem Dienstgeber als Autogenschneider bzw UP-Automatenschweißer beschäftigt gewesen sei. Selbst wenn die Lehrzeit für den Universalschweißer drei Jahre, also 36 Monate betrage, wäre er noch zusätzlich mindestens 34 Beitragsmonate als UP-Automatenschweißer beschäftigt gewesen, weshalb ihm Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG zustehe.
Nach dem 2.Satz dieses Abs gelten als überwiegend iS des Abs 1 dieser Gesetzesstelle solche erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden.
Im vorliegenden Fall kommt es also darauf an, ob die allenfalls angelernte Schweißertätigkeit vom Kläger in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG in der Zeit vom 1.4.1975 bis 31.3.1990 ausgeübt wurde.
In diesem Zeitraum hat der Kläger insgesamt 64 Beitragsmonate erworben, von denen er - wie schon vom Erstgericht ohne Rechtsirrtum ausgeführt wurde - nur in 31 Beitragsmonaten als Schweißer tätig war.
Der Kläger hat zwar in der Berufung richtig ausgeführt, daß die Versicherungszeiten (ua zur Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung) nach § 231 ASVG in Versicherungsmonate zusammenzufassen sind. Er hat jedoch § 232 Abs 1 leg cit unbeachtet gelassen, nach dem der einzelne Versicherungsmonat als Beitragsmonat der Pflichtversicherung, als Beitragsmonat der freiwilligen Versicherung oder als Ersatzmonat gilt, je nachdem Beitragszeiten der Pflichtversicherung, Beitragszeiten der freiwilligen Versicherung oder Ersatzzeiten in dem betreffenden Monat das zeitliche Übergewicht haben (Satz 1). Nur wenn keine der in dem Versicherungsmonat liegenden Arten von Versicherungszeiten das zeitliche Übergewicht hat, bestimmt sich die Art des Versicherungsmonates nach der im § 231 Z 2 drittletzter und vorletzter Satz angegebenen Reihenfolge.
Weil in den in der Berufung genannten Versicherungsmonaten Jänner, Juli und Dezember 1977 nicht die Beitragszeiten, sondern Ersatzzeiten das zeitliche Übergewicht hatten, handelt es sich bei diesen Monaten - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - um keine zusätzlichen Beitragsmonate im Beobachtungszeitraum des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG. Der Februar 1978 ist nicht einmal ein Versicherungsmonat.
Von einem Berufsschutz als angelernter Schweißer kann daher schon mangels überwiegender Ausübung einer solchen allenfalls angelernten Berufstätigkeit in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG in der Zeit vom 1.4.1975 bis 31.3.1990 keine Rede sein.
Deshalb wurde die Frage der Invalidität des Klägers von den Vorinstanzen zutreffend nach § 255 Abs 3 ASVG beurteilt und verneint, weil der Kläger infolge seines seit dem Pensionsantrag bestehenden körperlichen und geistigen Zustandes, zu dem auch die Folgen seines langjährigen Alkoholmißbrauches gehören, noch imstande ist, durch die vom Erstgericht genannten, auf dem Arbeitsmarkt noch bewerteten und zumutbaren Verweisungstätigkeiten das in der zit Gesetzesstelle genannte Entgelt zu erwerben.
Insoweit die Rechtsrüge meint, daß die Arbeitsfähigkeit des Klägers wegen der Folgen des langjährigen Alkoholismus für diese Verweisungstätigkeiten nicht ausreiche, geht sie nicht von den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen aus und ist daher nicht gesetzgemäß ausgeführt.
Damit erweist sich die Rechtsrüge als nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 leg cit) wurden zwar benannt, aber nicht gesetzgemäß ausgeführt, weshalb darauf nicht weiter einzugehen war.
Der weiters benannte Rechtsmittelgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung fehlt in der abschließenden Aufzählung der zulässigen Revisionsgründe im § 503 ZPO.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.