JudikaturOGH

11Os17/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Februar 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Februar 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf C***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Jänner 1993, AZ 25 Bs 552/92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß hat keine Verletzung des Grundrechtes des Rudolf C***** auf persönliche Freiheit stattgefunden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Rudolf C***** befindet sich seit 22.Oktober 1992 in Untersuchungshaft.

Gegen ihn wurde eine am 27.Jänner 1993 geschlossene Voruntersuchung wegen Verdachtes des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB und der Vergehen des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB sowie der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB (mit einer Gesamtschadenssumme von ca. 945.000 S) geführt.

Darnach soll er

1. in der Zeit von 1991 bis Mitte September 1992 in wiederholten Angriffen seinen jeweiligen Dienstgebern Teile von Tankstellentageslosungen im Gesamtbetrag von ca 42.000 S, am 3.August 1991 einen Bargeldbetrag von 279.540 S durch Einbruch und am 20.Juli 1992 einen Bargeldbetrag (Wochenendlosung) von 439.735 S gestohlen,

2. die ***** Versicherungsanstalt in der Zeit von 14.Februar 1991 bis 31. August 1992 in vier Angriffen betrügerisch um 120.000 S, 7.848 S, 1.000 S und 5.000 S geschädigt, sowie

3. einen von Peter B***** gestohlenen BMW-Motor im Wert von ca 50.000

S durch Herausfeilen der Motornummer verheimlicht haben.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Beschwerde des Beschuldigten gegen den seinen Enthaftungsantrag abweisenden Beschluß der Ratskammer vom 25.November 1992, ON 18, mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, daß die Untersuchungshaft - infolge Wegfalls des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr durch Zeitablauf - (lediglich) aus dem Haftgrund des § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO fortzusetzen ist.

Die dagegen erhobene und beim Obersten Gerichtshof am 1.Februar 1993 eingelangte Grundrechtsbeschwerde, die schwerpunktmäßig unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, ferner die Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer releviert, ist nicht berechtigt.

Die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachtes gründete das Oberlandesgericht - der Aktenlage entsprechend - im wesentlichen auf das vom Beschwerdeführer (zu einem Betrugsfaktum) abgelegte Teilgeständnis sowie auf eine Reihe von Indizien, die zwar nicht jeweils für sich allein, jedoch in ihrem Zusammenhang eine logisch und empirisch einwandfreie und tragfähige Begründung der Annahme darstellen, es liege auf Grund bestimmter Tatsachen ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit vor, daß der Beschuldigte die ihm angelasteten Straftaten begangen habe (Unvermögen des Beschuldigten, die Herkunft gewisser Barbeträge bzw Aufwendungen nachvollziehbar zu erklären, teilweises Vorliegen eines besonderen Gelegenheitsverhältnisses, Abhandenkommen von Teilen der Tankstellentageslosungen jeweils wenn der Beschuldigte Dienst versah, nicht aber in seiner Abwesenheit, teilweise stark wechselnde Verantwortung sowie - mit seinen redlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in Einklang zu bringende - aufwendige Lebensführung des Beschwerdeführers).

Den von der Beschwerde dagegen ins Treffen geführten, lediglich Teilaspekte der in Rede stehenden strafbaren Handlungen betreffenden Argumenten ist - zusammenfassend - zu erwidern, daß sie nicht geeignet sind, Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht Wien bejahte Intensität des Tatverdachtes zu erwecken. Läßt doch die Beschwerde eine Begründung dafür, aus welchen Gründen nicht angenommen werden könne, daß der Beschuldigte Krankheit vorgetäuscht habe, um die Wochenendlosung am 20.Juli 1992 beiseite zu schaffen, ebenso vermissen, wie für die Behauptung, der Beschuldigte werde durch die zitierten Angaben der Zeugen Pauline H***** und Elisabeth W***** entlastet. Das Oberlandesgericht stützte seine Argumentation im Zusammenhang mit der Auffindung eines Bargeldbetrages von ca. 60.000 S durch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nämlich nicht auf niederschriftliche Angaben dieser Frau, sondern ersichtlich auf jene des Christian H***** (II 247, 249) und die Aussagen der Elisabeth W***** vom 30.Oktober 1992 (I 241) und 2.Dezember 1992 (II 255), die, was die Höhe des Bargeldbetrages anlangt, jeweils auf Mitteilungen der Pauline H***** beruhen. W***** gab ferner nicht - wie von der Beschwerde sinnentstellend und aktenfremd behauptet - an, sie habe "nur einen grünen DM-Schein und 1.000 S in Banknoten im ""Raika-Sackerl"" " gesehen, sondern eine Papierrolle mit Banknoten; soweit sie es sehen habe können, habe es sich um 1.000 S-Banknoten gehandelt. Weiters habe sie einen grünen DM-Schein im Säckchen sehen können.

Die dazu vom Beschwerdeführer gebrauchte Verantwortung steht in Widerspruch zu den Berichten des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich, ON 12, 17 und 23. Das unsubstantiierte Beschwerdevorbringen, der Beschuldigte habe ein (seine beträchtlichen Aufwendungen ermöglichendes) "weitaus höheres Einkommen" erzielt, weshalb er Diebstähle "nicht notwendig" gehabt habe, es sei "auf der Tankstelle O***** mit Bargeld äußerst unbedachtsam umgegangen" worden, sowie es hätten "mehrere Personen hinreichende Zugangsmöglichkeiten" gehabt, ändert nach dem Gesagten nichts an der Dringlichkeit des Tatverdachtes.

Inwieweit die Verdachtsmomente ausreichen, den Beschwerdeführer strafbarer Handlungen zu überführen, muß dem erkennenden Gericht nach den das Strafverfahren beherrschenden Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten bleiben, dem im Rahmen der Prüfung der Grundrechtsbeschwerde nicht vorzugreifen ist.

Auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO ist hier schon in Anbetracht des Verdachtes wiederholt und während eines längeren Zeitraumes begangener, teilweise der schweren Vermögenskriminalität zuzurechnender strafbarer Handlungen (auch verschiedener Art) und der auch aus den Intentionen des Beschwerdeführers, anderen strafbare Handlungen vorzuschlagen (Fingierung eines PKW-Diebstahls zum Zweck eines Versicherungsbetruges und Fingierung eines Raubüberfalls auf die Tankstelle des Dienstgebers mit vereinbarter Teilung der Beute - I 265, 267) und sie dazu zu bestimmen (II 95, Angaben des Volker L*****, II 239 ff), ableitbaren, solcherart bereits manifesten Neigung zur Vermögensdelinquenz in Verbindung mit der die vorhandenen realen finanziellen Möglichkeiten übersteigenden aufwendigen Lebensführung gegeben.

Die bisherigen Verfahrensergebnisse lassen bei objektiver Beurteilung mit Grund befürchten, Rudolf C***** werde - ungeachtet seiner bisherigen gerichtlichen Unbescholtenheit - ohne Fortsetzung der durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft - auch während des gegen ihn geführten Strafverfahrens - in Freiheit neuerlich strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihm nunmehr angelasteten Straftaten.

In Anbetracht des Umfanges der an den sachlichen Erfordernissen orientierten sicherheitsbehördlichen Erhebungen (insbesondere eingehende Überprüfung der finanziellen Gebarung des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin und Kontenüberprüfungen) im Zuge der Voruntersuchung und der die Ermittlungen erschwerenden Weigerung des Beschuldigten, zu Erhebungsergebnissen Stellung zu nehmen (II 277, 281), steht die bisherige Dauer der Untersuchungshaft weder zum Gewicht der dem Beschwerdeführer angelasteten Delikte noch zum Umfang der Untersuchung und zu der im Fall eines Schuldspruchs nach § 128 Abs. 2 StGB auszumessenden Strafe (Strafdrohung: von einem bis zu zehn Jahren) außer Verhältnis (§§ 2 Abs. 1 GRBG, 193 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO). So gesehen wurde aber auch das Gebot des fair trial und damit die Bestimmung des Art. 6 EMRK nicht verletzt.

Da sohin durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers stattgefunden hat (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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