JudikaturOGH

10ObS288/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Martin Duhan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Norbert Kunc (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 1.Mai 1992 verstorbenen Luise A*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin, diese vertreten durch Dr.Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr.Renate Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Kostenersatzes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.August 1992, GZ 33 Rs 75/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.März 1992, GZ 5 Cgs 520/91-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Oberste Gerichtshof ersucht gemäß § 509 Abs 3 ZPO zu erheben, ob die am 1.5.1992 verstorbene Luise A*****, deren Verlassenschaft dortgerichts zu 2 A 255/92 abgehandelt wird, zur Zeit ihres Todes mit einem Ehegatten oder leiblichen Kindern, Wahlkindern, Stiefkindern, Eltern oder Geschwistern in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.

Auf § 509 Abs 3 letzter Satz ZPO wird hingewiesen.

Um möglichst rasche Erhebung und unmittelbare Vorlage der Ergebnisse an den Obersten Gerichtshof wird gebeten.

Text

Begründung:

Die bei der Beklagten versicherte frühere Klägerin war vom 1.10. bis 31.12.1990 in der Anstalt "R***** M***** GesmbH" in ***** M***** untergebracht.

Mit Bescheid vom 22.7.1991 lehnte die Beklagte den Antrag der Versicherten auf Übernahme der Kosten für diesen Aufenthalt mit der Begründung ab, daß es sich bei der genannten Anstalt um eine Pflegeanstalt für chronisch Kranke nach § 2 Abs 1 Z 4 NÖ Krankenanstaltengesetz handle. Weil die Unterbringung in einer solchen Anstalt nach § 144 Abs 4 ASVG nicht als Anstaltspflege gelte, seien ihre Kosten nicht zu ersetzen.

Die dagegen fristgerecht erhobene Klage richtet sich auf "Feststellung, daß die Beklagte der früheren Klägerin die Kosten ihres Aufenthaltes ab 1.10.1990 in der genannten Pflegeanstalt für chronisch Kranke zu ersetzen habe". Sie stützt sich darauf, daß sich die Versicherte in dieser Krankenanstalt zur ärztlichen Behandlung mehrerer Leiden befunden habe, wodurch ihr Kosten von 192.150 S entstanden seien. Durch die Therapien habe sich ihr Gesundheitszustand gebessert bzw seien eine Verschlechterung verhindert und Schmerzen gelindert worden, weshalb keine Asylierung vorgelegen sei.

Die Beklagte beantragte aus den Gründen ihres Bescheides die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach seinen Feststellungen wurde die am 20.5.1893 geborene Versicherte vom 1.10. bis 31.12.1990 in der genannten Pflegeanstalt für chronisch Kranke wegen Myocardiopathie mit Zeichen latenter cardialer Dekompensation, Atrophie der Muskulatur der unteren Extremitäten, Zustandes nach Schenkelhals- und Schambeinfraktur, Neuralgien des Nervus occipitalis rechts und des Nervus trigeminus rechts sowie reduzierten Allgemein- und Ernährungszustandes behandelt. Diese Krankheiten machten folgende Therapien notwendig:

Coroverlan, Lanitop, Aldactone Saltucin, Physikotherapie (aktive und passive Bewegungsübungen), Gehübungen mit reziprokem Gehgestell, Stock bzw Üben des selbständigen Gehens mit Begleitung, Multivit-B-Injektionen, Analgetika und Diät. Dadurch konnten eine Besserung des Gesundheitszustandes erreicht bzw ein Fortschreiten des regelwidrigen Körperzustandes verhindert und Schmerzzustände gelindert werden. Wegen des hohen Alters der Patientin und der Art ihrer durchwegs chronischen Erkrankungen konnte keine wesentliche Besserung ihres Zustandes erreicht werden.

Deshalb nahm das Erstgericht eine nach § 144 Abs 4 ASVG nicht als Anstaltspflege geltende Unterbringung in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen, an.

Dagegen erhob die frühere Klägerin Berufung, in der sie unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.

Am 1.5.1992, also noch vor Zustellung der Berufung, verstarb die frühere Klägerin. Dadurch wurde das Verfahren nach § 76 Abs 1 ASGG kraft Gesetzes unterbrochen.

Der Tod der früheren Klägerin wurde den Vorinstanzen und vermutlich auch der Beklagten erst am 3.8.1992 bekannt. Das Erstgericht erfuhr davon durch einen an diesem Tag bei ihm eingelangten Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien als Verlassenschaftsgerichtes vom 29.7.1992, 2 A 255/92. Darin wurden ua die Bevollmächtigung des Klagevertreters durch die S***** in T***** zur Kenntnis genommen, deren auf Grund des Testaments vom 14.6.1987 abgegebene bedingte Erbserklärung angenommen, deren Erbrecht für ausgewiesen erklärt und der Klagevertreter als Erbenmachthaber ermächtigt, das vorliegende Verfahren unter Ausschöpfung sämtlicher Rechtszüge fortzuführen. Während der Unterbrechung stellte das Erstgericht die bei ihm am 14.5.1992 eingelangte Berufungsbeantwortung zu und legte die Akten am 18.5.1992 dem Berufungsgericht vor. Dieses beraumte die Tagsatzung zur in der Berufung beantragten mündlichen Berufungsverhandlung auf den 3.8.1992 an. Zu Beginn dieser Tagsatzung stellte die dabei durch die Substitutin des Klagevertreters vertretene klagende Partei ihre Bezeichnung auf "Verlassenschaft nach der am 1.5.1992 verstorbenen Luise A*****" richtig, worin das Berufungsgericht auch einen Antrag der durch die erbserklärte Erbin vertretenen Verlassenschaft auf Fortsetzung (Aufnahme) des nach § 76 Abs 1 ASGG unterbrochenen Verfahrens iS des Abs 2 leg cit erblickte und die Berufungsverhandlung durchführte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es übernahm die bestrittene Feststellung, daß es sich bei der "R***** M***** GesmbH" um eine anerkannte Pflegeanstalt für chronisch Kranke gemäß Abs 1 Z 4 NÖ KAG 1974 handelt und vertrat die Rechtsansicht, daß in dieser Anstalt nur chronische Erkrankungen der (früheren) Klägerin behandelt worden seien. Diese Behandlungen seien der ärztlichen Betreuung iS des § 144 Abs 4 ASVG gleichzustellen. Eine akute Erkrankung, die eine Behandlung wegen "ad hoc" aufgetretener Gesundheitsstörungen bzw Schmerzen notwendig gemacht hätten, sei weder behauptet noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen nach § 144 Abs 3 ASVG seien nicht zu prüfen gewesen, weil die spezielle Norm des Abs 4 leg cit anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der Verlassenschaft nach der früheren Klägerin wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Ob die Revision von einer Person eingebracht wurde, der dieses Rechtsmittel zusteht (§ 472 Abs 1 iVm § 513 ZPO), steht noch nicht fest.

Die seit der Berufungsverhandlung vom 3.8.1992 als Rechtsnachfolgerin der Klägerin und daher auch als Revisionswerberin einschreitende Verlassenschaft nach der am 1.5.1992 verstorbenen früheren Klägerin wäre nach § 76 Abs 2 ASGG nur dann zur Aufnahme des durch den Tod der früheren Klägerin nach Abs 1 leg cit unterbrochenen Verfahrens berechtigt, wenn die frühere Klägerin weder einen Ehegatten noch leibliche Kinder, Wahlkinder, Stiefkinder, Eltern oder Geschwister hinterlassen hätte, die mit ihr zur Zeit ihres Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben.

Daß diese Voraussetzungen der Prozeßnachfolge auf die Revisionswerberin zutreffen, wurde bisher weder behauptet noch erhoben.

Deshalb wird das Prozeßgericht gemäß § 509 Abs 3 ZPO ersucht, diese Umstände zu erheben.

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