9ObA264/92 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Mag.Karl Dirschmied in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** M*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei L***** M***** als persönlich haftender Gesellschafter der M***** KG, Hotel E*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen 40.000 S brutto und 4.000 S netto sA (Streitwert im Revisionsverfahren 33.702,70 S brutto und 320 S netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Juli 1992, GZ 5 Ra 146/92-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.März 1992, GZ 46 Cga 284/91-8, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.036,48 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 1.006,08 S Umsatzsteuer) und die mit 6.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer und 3.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin besuchte eine Handelsakademie und schloß diese Ende Juni 1991 mit der Matura erfolgreich ab; sie war bereits im Frühjahr 1991 auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Neben anderen Bewerbungen meldete sie sich auch auf ein Zeitungsinserat der beklagten Partei, in dem für den Hotelbetrieb eine Direktionsassistentin zur Unterstützung der Geschäftsleitung gesucht wurde. Bei einem für den 30. April 1991 vereinbarten Vorstellungstermin, zu dem die Klägerin mit ihren Eltern erschienen war, erklärte der Geschäftsführer der beklagten Partei der Klägerin, daß sie, sollte sie sich für ein Berufsleben im Gastgewerbe entscheiden, in allen Arbeitsbereichen Erfahrungen sammeln müsse. Sie würde deshalb überall im Betrieb eingesetzt werden. Der Aufgabenbereich der Klägerin bei Antritt der offenen Stelle wurde von ihm dahin beschrieben, daß die Klägerin Schreibarbeiten zu verrichten hätte, etwa das Schreiben der Speisekarten, daß sie für die Direktion Korrespondenzen zu führen hätte (allenfalls auch in italienischer Sprache) und auch fallweise in der Lohnverrechnung eingesetzt werden würde. Über Frage der Klägerin, ob sie auch in der Rezeption arbeiten könne, erklärte der Geschäftsführer, daß diese über den Sommer 1991 bereits besetzt sei, daß es aber möglich wäre, die Klägerin in einer Art "Schnuppertätigkeit" auch in der Rezeption einzusetzen. Im Zusammenhang mit seiner Erklärung, die Klägerin müsse in allen Bereichen Erfahrungen sammeln, wies der Geschäftsführer ausdrücklich darauf hin, daß die Klägerin auch im Servicebereich entsprechend den innerbetrieblichen Notwendigkeiten arbeiten müßte. Die Dauer des Einsatzes der Klägerin im Servicebereich wurde nicht näher besprochen. Die Klägerin erklärte sich mit den vom Geschäftsführer vorgegebenen Aufgabengebieten ausdrücklich einverstanden. Als Beginn des Dienstverhältnisses wurde der 1.Juli 1991 in Aussicht genommen; der Klägerin sollte im Hotel ein Dienstzimmer zur Verfügung stehen. Die Klägerin behielt sich die Fixierung des Vertrages vorerst vor, weil sie noch andere Bewerbungen abgegeben hatte: Sie teilte dem Geschäftsführer jedoch am 15.Mai 1991 fernmündlich mit, daß sie sich für die Beschäftigung im Betrieb der beklagten Partei entschieden habe und bestätigte auch den Beginn des Dienstverhältnisses mit 1. Juli 1991. Kurz vor diesem Zeitpunkt ereignete sich in dem für die Klägerin in Aussicht genommenen Dienstzimmer ein Wasserrohrbruch, wodurch das Zimmer unbenützbar wurde. Die beklagte Partei teilte der Klägerin am 28.Juni 1991 mit, daß wegen des Wasserrohrbruches der Dienstantritt mit 1.Juli 1991 nicht möglich sei und sich eine Verzögerung ergeben werde. Die Klägerin akzeptierte die Sachlage; sie bestand nicht auf einem Dienstantritt am 1.Juli 1991. Mit Schreiben vom 9.Juli 1991 fragte die Klägerin bei der beklagten Partei an, wann sie sich zum Dienstantritt einfinden solle. Die beklagte Partei ersuchte die Klägerin daraufhin am 11.Juli 1991 im Hinblick auf das Ausmaß der Reparaturarbeiten um etwas Geduld und sicherte die Bekanntgabe des Dienstbeginnes zu. Am 20.Juli 1991 teilte die beklagte Partei der Klägerin mit, daß die Reparaturarbeiten nun abgeschlossen seien und schlug einen Arbeitsbeginn mit 26.Juli 1991 vor. Nach Erhalt dieser Mitteilung gab die Klägerin der beklagten Partei bekannt, daß sie am 26.Juli 1991 die Arbeit nicht antreten könne; in der Befürchtung, daß das Dienstverhältnis doch nicht zustande kommen werde, habe sie sich um andere Stellen umgesehen und wolle diesbezüglich noch auf das Ergebnis anderer Bewerbungen warten. Hätte die Klägerin eine Zusage auf eine andere Bewerbung erhalten, wäre für sie ein Dienstantritt bei der beklagten Partei nicht mehr in Betracht gekommen. Nachdem sie eine Absage erhalten hatte, wandte sie sich wieder an die beklagte Partei und kündigte den Dienstantritt für den 26.Juli 1991 an. An diesem Tag reiste sie mit ihren Eltern an. Der Geschäftsführer der beklagten Partei erklärte, daß die Klägerin bis einschließlich August 1991 im Service und ab September höchstwahrscheinlich in der Rezeption eingesetzt würde; dabei verwies er auf die beim Einstellungsgespräch getroffenen Vereinbarungen. Der Einsatz der Klägerin im Servicebereich hatte sich ergeben, weil die Rezeption über die Sommermonate voll besetzt war. Die Klägerin erklärte darauf nach kurzer Bedenkzeit, die Stelle bei der beklagten Partei nicht anzutreten.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Betrages von 40.000 S brutto und 4.000 S netto. Vereinbart sei gewesen, daß sie im Betrieb der beklagten Partei als Direktionsassistentin die Korrespondenz abwickeln und in der Lohnverrechnung tätig sein solle. Der Einsatz als Servierkraft hätte den Vereinbarungen und der Ausbildung der Klägerin nicht entsprochen. Die beklagte Partei habe auch vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie die Klägerin über ihr Aufgabengebiet nicht ausreichend aufgeklärt habe. Begehrt wird das Gehalt vom 1.Juli 1991 bis 15.September 1991 auf der Grundlage eines monatlichen Bruttobezuges von 16.000 S im Gesamtbetrag von 40.000 S; ferner für Fahrtaufwendungen ein Betrag von 4.000 S netto (Fahrt zur Vorstellung und zum Dienstantritt mit dem PKW der Eltern und 320 S für die Bahnfahrt - Rückreise am 26.Juli 1991).
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Beginn des Dienstverhältnisses sei durch den Wasserrohrbruch verzögert worden; dies habe die Klägerin ausdrücklich akzeptiert. Es sei vereinbart worden, daß die Klägerin auch im Service zu arbeiten habe. Ihre Weigerung, den Dienst anzutreten, sei daher ungerechtfertigt gewesen, so daß das erhobene Begehren nicht berechtigt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verweigerung des Dienstantrittes durch die Klägerin sei unberechtigt gewesen, weil vereinbart gewesen sei, daß sie im Rahmen ihres Dienstverhältnisses auch im Service zu arbeiten habe. Die von der Klägerin für die Zeit ab 26.Juli 1991 erhobenen Forderungen bestünden daher nicht zu Recht. Aber auch das Begehren für die Zeit vom 1.Juli 1991 bis zur Verweigerung des Dienstantrittes sei nicht berechtigt. § 30 Abs 3 AngG knüpfe einen Entgeltanspruch im Falle einer mehr als 14-tägigen, dem Dienstgeber zuzurechnenden Verzögerung des Dienstantrittes daran, daß der Dienst tatsächlich angetreten werde; diese Voraussetzung sei jedoch nicht erfüllt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von 33.702,70 S brutto und 320 S netto und wies das Mehrbegehren ab; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes, die als Grundlage der Berufungsentscheidung übernommen wurde, gelangte es zum Ergebnis, daß die Klägerin den Dienstantritt zu Recht verweigert habe. Die beklagte Partei habe per Inserat eine Direktionsassistentin gesucht und der Geschäftsführer der beklagten Partei habe anläßlich des Einstellungsgespräches bei Darstellung des Aufgabenbereiches der Klägerin die Tätigkeit in der Direktion, die Führung der Korrespondenz und ihren Einsatz in der Lohnverrechnung in den Vordergrund gestellt. Es sei daher ein Angestelltendienstvertrag begründet worden. Wohl sei auch, entsprechend innerbetrieblichen Erfordernissen, der Einsatz der Klägerin im Service erwähnt worden, doch habe das die beklagte Partei nicht berechtigt, die Klägerin für einen längeren Zeitraum ausschließlich in diesem Bereich einzusetzen und sie damit mit Arbeitertätigkeiten zu beschäftigen. Dies wäre nur zulässig gewesen, wenn die beklagte Partei bei Abschluß des Vertrages ausreichend klargestellt hätte, daß die Klägerin zu einem wesentlichen Teil im Service zu arbeiten habe; aus den Erklärungen des Geschäftsführers habe sich dies jedoch nicht ergeben. Die Klägerin habe daher jedenfalls Anspruch auf das Entgelt bis zum 15. September 1991, dem nächstmöglichen Kündigungstermin. Aber auch ihr Anspruch auf Entgelt für die Zeit vor dem 26.Juli 1991 sei berechtigt. § 30 Abs 3 dritter Satz AngG sei keine Rechtsgrundlage für dieses Begehren, weil die Klägerin den Dienst nicht angetreten habe. Der Klägerin stünden jedoch die begehrten Ansprüche für diese Zeit gemäß § 1155 ABGB zu. Diese Bestimmung sei ungeachtet der Sondernorm des § 30 Abs 3 dritter Satz AngG anwendbar, zumal das Angestelltengesetz für Fälle, in denen es nach Hinausschieben des Dienstantrittes aus vom Dienstgeber zu vertretenden Gründen letztlich nicht zum Dienstantritt komme, keine Regelung enthalte. Auf Grund des § 1155 ABGB sei aber die Entgeltforderung der Klägerin für die Zeit ab 1.Juli 1991 berechtigt. Da eine Entgeltvereinbarung in der von der Klägerin behaupteten Höhe nicht zustande gekommen sei, sei von dem auf das Dienstverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrag auszugehen. Nach dessen Ansätzen sei aber der Anspruch nur in der zuerkannten Höhe berechtigt. Ersatz für Fahrtkosten gebühre nur für die Rückreise der Klägerin nach Nichtantritt des Dienstes am 26.Juli 1991 (320 S für Bahnfahrt), weil die anderen von ihr begehrten Fahrtauslagen nicht von ihr, sondern von ihren Eltern getragen worden seien. Die Revision sei zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Problematik des Verhältnisses der Bestimmungen des § 30 Abs 3 AngG zu § 1155 ABGB fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Berufungsgericht zur Begründung der Zulassung der Revision herangezogene Frage ist allerdings nicht von entscheidender Bedeutung. Es trifft nämlich nicht zu, daß die Klägerin den Dienstantritt berechtigt verweigert habe.
Nach den Feststellungen hat der Geschäftsführer anläßlich des Einstellungsgespräches wohl erklärt, daß die Klägerin die Korrespondenz abzuwickeln und andere Schreibarbeiten zu verrichten habe; er hat auch eine Verwendung in der Lohnverrechnung erwähnt und die von der Klägerin gewünschte Tätigkeit in der Rezeption in Aussicht gestellt. Er hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie auch im Service eingesetzt werde. Begründet hat er dies mit allfälligen innerbetrieblichen Erfordernissen und auch damit, daß die Klägerin, wenn sie sich für eine Tätigkeit im Hotelbereich interessiere, in allen Bereichen Erfahrungen sammeln müsse. Aufgrund dieser Tätigkeitsbeschreibung konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, daß ihre Verwendung im Service sich auf wenige Ausnahmsfälle, etwa nur auf einen stunden- oder tageweisen Einsatz beschränken werde. Insbesondere aus dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Sammelns von Erfahrungen auch in diesem Bereich ergab sich, daß eine gewisse Dauer dieser Verwendung vorgesehen war, da andernfalls der angestrebte Zweck nicht hätte erreicht werden können. Die Verwendung der Klägerin im Service für gewisse, dem Zweck der Vereinbarung entsprechende Zeiträume war daher Gegenstand des Dienstvertrages. Als der Geschäftsführer der Klägerin am 26.Juli 1991 erklärte, sie werde bis einschließlich August im Service zu arbeiten haben, hielt er sich im Rahmen der Vereinbarungen, zumal der Einsatz in diesem Bereich während einer Zeit von rund 5 Wochen keinesfalls unangemessen war. Die Klägerin war daher nicht berechtigt, den Dienstantritt aus diesem Grund zu verweigern, zumal ihr für die Zeit ab September eine Tätigkeit in der Rezeption als höchstwahrscheinlich in Aussicht gestellt wurde. Die für die Zeit ab 26.Juli 1991 geltend gemachten Ansprüche sind daher ebensowenig berechtigt wie der unter dem Titel der Fahrtkosten in der Revision allein noch strittige Betrag für die Heimreise nach Verweigerung des Dienstantrittes.
Aber auch das für die Zeit vor dem 26.Juli 1991 erhobene Begehren besteht nicht zu Recht. Nach den Feststellungen bestand die Klägerin nach der Bekanntgabe, daß sie wegen eines Wasserrohrbruches in dem für sie vorgesehenen Dienstzimmer nicht zu arbeiten beginne könne, nicht auf einem Dienstantritt mit 1.Juli 1991. Sie versuchte vielmehr in der Folge, eine andere Anstellung zu finden und erklärte der beklagten Partei, nachdem sie zum Dienstantritt am 26.Juli 1991 aufgefordert worden war, daß sie zu diesem Zeitpunkt nicht beginnen könne, weil sie sich anderswo beworben habe und vorerst warten wolle, ob sie eine andere Stelle bekomme. Sie hätte auch ihren Dienst bei der beklagten Partei nicht angetreten, wenn die andere Bewerbung positiv entschieden worden wäre. Sie hat ihren Dienstbeginn mit 26. Juli 1991 erst angekündigt, als feststand, daß es nicht zum Abschluß eines anderen Dienstvertrages kommen werde. Aus diesen Umständen folgt, daß nicht bei gleichbleibendem Beginn des Dienstverhältnisses bloß der Dienstantritt aus von der beklagten Partei zu vertretenden Gründen zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte, sondern daß vielmehr der Beginn des Dienstverhältnisses einverständlich auf den 26.Juli 1991 verschoben wurde. Nachdem zwar ursprünglich der Nichtantritt des Dienstes auf im Bereich der beklagten Partei gelegene Umstände zurückzuführen war, war es die Klägerin, welche die an sie ergangene Aufforderung, zum Dienst zu erscheinen, ablehnte. Eine Einigung über den Dienstbeginn kam erst durch die von der beklagten Partei akzeptierte Zusage der Klägerin zustande, nun doch mit ihrer Arbeit zu beginnen. Damit wurde jedoch der Beginn des Dienstverhältnisses mit 26.Juli 1991 festgelegt. Die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit § 30 Abs 3 AngG und § 1155 ABGB erörterten Fragen stellen sich daher nicht.
Das Urteil des Erstgerichtes war daher wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.