6Ob606/92 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** ***** Gesellschaft mbH Co KG, *****, vertreten durch Dr.Ernst Moser, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei C***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, wegen 346.262,30 S samt Nebenforderungen, welchem Rechtsstreit die G***** ***** AG, ***** vertreten durch Dr.Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, als Nebenintervenientin auf der Seite der klagenden Partei beigetreten ist, infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31.März 1989, GZ 1 Cg 163/87-19, ergangene berufungsgerichtliche Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 23.Januar 1990, AZ 4 R 205/89 (ON 31), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.
Text
Begründung:
Die Klägerin tritt als Werbeagentur auf. Die Beklagte ist eine Warenhandelsgesellschaft. Die Streitteile hatten ihre Geschäftsbeziehungen durch einen - bisher nicht näher erörterten - Rahmenvertrag geregelt. Durch diesen war das Agenturhonorar der Klägerin mit 15 % der Auftragssumme (ausschließlich der Postgebühren) festgelegt.
Im Herbst 1986 betraute die Beklagte die Klägerin mit der Durchführung einer als "Weihnachtsaktions-Mailing 1986" bezeichneten Werbemaßnahme. Darnach sollte die Klägerin einen Prospekt gestalten sowie für den Druck und Postversand sorgen. Der Faltprospekt sollte auf der Außenseite ein für die Aufnahme der Geschäftsbezeichnung des jeweiligen in die Werbeaktion einbezogenen Einzelhändlers bestimmtes Feld aufweisen. Jede für einen bestimmten Einzelhändler und dessen Einzugsgebiet bestimmte Teilmenge der Prospekte sollte in dem hiefür vorgesehenen Feld mit dem Aufdruck der Geschäftsbezeichnung des betreffenden Händlers versehen werden. Die jeweiligen Teilmengen sollten sich nach einer von der Beklagten beizustellenden Versandliste über die im jeweiligen Einzugsgebiet des einzelnen Händlers erfaßten Haushalte richten, wobei außer für jeden - durch Postwurfsendung zu erreichenden - Haushalt noch jeweils achtzig Stück vorzusehen waren, die unmittelbar an den Händler versandt werden sollten. Hinsichtlich der Postversendung war zwischen den Streitteilen als Postaufgabetermin der 28.November 1986 "fix" vereinbart. Dieser Termin sollte nach den übereinstimmenden Vorstellungen beider Parteien unter Berücksichtigung denkbarer Verzögerungen im Postlauf eine solche Zustellung der Prospekte an die Empfänger gewährleisten, daß noch vor dem 6.Dezember 1986, dem ersten Einkaufssamstag im Dezember 1986, die umworbenen Kaufinteressenten Gelegenheit für ihre Kaufentscheidung und die Händler Zeit für Bestellungen haben sollten. Zur Verpackung der Prospektsendungen gingen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß sie Beschädigungen der Prospekte während des Posttransportes tunlichst hintanhalten sollte.
Die Klägerin erteilte einer Druckerei - ihrer nunmehrigen Nebenintervenientin - den Auftrag zum Druck der Prospekte, zu deren Fertigmachung zum Postversand und zur Postaufgabe mit der näheren Bestimmung "28.11.1986 Postaufgabe fix" sowie dem Ersuchen um "sorgfältige und termingerechte Erledigung".
(Nicht näher festgestellte) Teilmengen der von der Nebenintervenientin hergestellten Druckerzeugnisse wiesen überhaupt keinen oder nur einen unlesbaren Händlereindruck in dem hiefür vorgesehenen Prospektfeld auf.
Die einzelnen Prospektsendungen wurden von der Nebenintervenientin in einer beim Postversand üblichen Weise kreuzweise verschnürt zur Postaufgabe gebracht.
Bei der Postaufgabe befolgte die Nebenintervenientin die ihr von der Klägerin übergebene Verteilungsliste (mit 128 Händlern in den entsprechenden Postzustellbereichen).
Die Nebenintervenientin brachte am 28.November 1986 nur etwa 44 % der Gesamtmenge zur Postaufgabe, knapp 54 % erst am 1.Dezember und ungefähr 2 % am 2.Dezember 1986. Sie entrichtete aber bereits am 28. November 1986 für die gesamte Massensendung (von 464.685 Stück a 70 g) die Postgebühr im Betrag von 325.279,50 S.
Bereits am 27.November 1986 hatte die Beklagte der Klägerin auf den mit der Prospektversendung verbundenen Aufwand der Postgebühren einen Scheck über den Betrag von 336.000 S übergeben. Auf diesen Betrag erhielt die Beklagte 11.462,50 S rückverrechnet (sodaß sie im Zusammenhang mit dem Weihnachtsaktions-Mailing 1986 mit Postgebühren im Differenzbetrag von 124.537,50 S belastet erscheint).
Die Nebenintervenientin verrechnete für ihre Druckleistungen einschließlich der "Postfertigung" der Klägerin netto 374.231,53 S. (Die als Agenturhonor vereinbarten 15 % hievon betragen 56.134,73 S.)
Die Werbeagenturgesellschaft begehrte von ihrer Auftraggeberin insgesamt 346.262,30 S. Davon anerkannte die Beklagte Teilbeträge in der Höhe von 154.380 S. Gegen die Honorarforderung von 135.000 S in der Rechnung Nr 86638 vom 1.12.1986 wendete die Beklagte lediglich eine Stornierung ein. Eine solche erfolgte nach den hierin unbekämpft gebliebenen erstrichterlichen Feststellungen aber nicht.
Im restlichen Honorarbetrag von 56.882,30 S im Sinn der Rechnung Nr 87742 vom 27.2.1987 ist das zwischen den Parteien strittige Honorar von 56.134,73 S für das Weihnachtsaktions-Mailing 1986 enthalten.
Gegen diese Honorarforderung wendete die Beklagte der Sache nach eine Aufhebung aller Vertragspflichten zufolge Verzuges in einem nach § 919 ABGB zu beurteilenden Geschäftsfall ein (wenn die Beklagte auch ihren anspruchsaufhebenden Einwand in die Form einer Aufrechnungseinwendung kleidete).
Als echte Prozeßaufrechnung machte die Beklagte Schadenersatz wegen frustrierten Aufwandes an Postgebühren im Betrag von 324.537,50 S geltend.
Prozeßentscheidend ist daher, wie weit die Klägerin ihren Vertragspflichten aus der Annahme des Auftrages der Beklagten zu Leistungen im Rahmen des sogenannten Weihnachtsaktions-Mailing 1986 nachgekommen ist. Das setzt zunächst eine inhaltliche Bestimmung der von der Klägerin vertraglich übernommenen Pflichten voraus.
Die Klägerin behauptete in ihrer Klage lediglich, in ihrer Eigenschaft als Werbeagentur für die beklagte Partei diverse Leistungen erbracht zu haben, ohne dabei einen bestimmten Auftrag mit konkretem Inhalt darzulegen. Die Beklagte ihrerseits behauptete im Sinne der Klagebeantwortung insoweit einen bestimmbaren Inhalt ihrer Aufträge, als nach ihrem Vorbringen die Klägerin im Zuge einer schon längeren Zusammenarbeit den Auftrag zum strittigen Weihnachtsaktions-Mailing 1986 erteilt habe.
Die Klägerin hat das Vorbringen der Beklagten global bestritten.
Dem Vorbringen der Beklagten über drucktechnische und versendungsmäßige Mängel setzte die Klägerin lediglich die Gegenbehauptung einer ordnungsgemäßen Auftragsdurchführung ohne jede nähere Ausführung zum Inhalt des Auftrages entgegen.
Der Geschäftsführer der Klägerin erwähnte in seiner Parteienaussage einen "Rahmenvertrag über einen full-Service seitens der klagenden Partei für Werbung für die beklagte Partei in jeder Hinsicht". Auch der Geschäftsführer der Beklagten erwähnte in seiner Parteienaussage, "daß es zwischen der beklagten Partei und der klagenden Partei eine Rahmenvereinbarung gab".
Das Prozeßgericht erster Instanz stellte dann auch mehrere dem Weihnachtsaktions-Mailing 1986 vorangegangene Geschäftsfälle "auf Grund eines Rahmenvertrages" fest, ohne aber den Inhalt des Rahmenvertrages mit den Parteien näher erörtert und in seinem Urteil festgestellt zu haben.
In rechtlicher Beurteilung folgerte das Prozeßgericht erster Instanz:
Die Klägerin sei den Nachweis schuldig geblieben, daß der zwischen den Streitteilen als fix vereinbarte Postaufgabetermin über eine Teilmenge von 44,17 % hinaus eingehalten worden wäre; bezüglich der später zur Postaufgabe gebrachten Prospektmengen sei der über das Weihnachtsaktions-Mailing 1986 geschlossene Vertrag im Sinne des § 376 HGB zerfallen. Die Honorarforderung bestehe nur zu 44,17 % zu Recht, die auf frustrierten Postaufwand gestützte Gegenforderung mit dem Reziprokwert von 55,83 %. Aus diesen Erwägungen erkannte das Prozeßgericht erster Instanz, daß die Klagsforderung nur mit 321.467,59 S zu Recht bestünde, die Gegenforderung aber mit einem Teilbetrag von 181.603,55 S. Es verpflichtete die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung eines Betrages von 139.864,04 S samt stufenweise berechneter Zinsen.
Das Berufungsgericht ging bei seiner Entscheidung dagegen von folgenden Rechtsansichten aus: Die Klägerin vereinige als "Werbeagentur" "offenbar" die Gewerbeberechtigung eines Werbeberaters und die eines Werbungsmittlers. Sie selbst betreibe keine Druckerei. Mit Rücksicht darauf hätte sich die Beklagte darüber im klaren sein müssen, daß die Klägerin im Rahmen des von ihr übernommenen Auftrages zur Gestaltung, zum Druck und zum Postversand von Prospekten gegen ein inteilen der Nettoauftragssumme zu berechnendes Entgelt und Ersatz von Auslagen nur die von den erwähnten Gewerbeberechtigungen gedeckten Leistungen selbst erbringen und darüber hinaus nur etwa als Mittler entsprechender Vertragsabschlüsse tätig werden würde. Deshalb hätte die Klägerin der Beklagten gegenüber nicht für den Erfolg der an die Druckerei weitergegebenen Leistungen einzustehen, sondern nur für ein etwaiges Auswahl- oder Überwachungsverschulden. Ein solches werfe die Beklagte der Klägerin nicht einmal vor. Die Klägerin habe die von ihr übernommenen Leistungen, bei denen es sich im wesentlichen um Werkleistungen handle, mängelfrei erbracht. Die Druckerei sei nicht Erfüllungsgehilfe der Klägerin, sondern der zulässigerweise bestellter Substitut gewesen, für dessen Verhalten die Klägerin nicht gemäß § 1313 a ABGB einzustehen habe. Ein Fixgeschäft im Sinne des § 376 HGB sei ungeachtet des als fix vereinbarten Versendungstermines nicht anzunehmen. Die Vereinbarung über den Nachweis der Postversendung stelle einen unwirksamen Beweisvertrag dar. Aus diesen Erwägungen erkannte das Berufungsgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles, daß die Klagsforderung in voller Höhe zu Recht bestünde, die Gegenforderung dagegen bis zur Höhe der Klagsforderung nicht, und gab dem Klagebegehren - von einem Teil des Zinsenbegehrens abgesehen - statt. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Beklagte ficht das abändernde Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision an. In ihrer Zulassungsbeschwerde macht die Revisionswerberin vor allem geltend, daß es zur streitentscheidenden materiellrechtlichen Frage nach den Einstandspflichten einer Werbeagentur gegenüber ihrem Auftraggeber für die Leistungen der zur Ausführung der Werbeaktion beigezogenen selbständigen Unternehmer an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung fehle, ferner daß das Berufungsgericht die Vereinbarung eines bestimmten Erfüllungszeitpunktes für die abschließende Verrichtung im Zusammenhang mit der vom Auftrag betroffenen Gesamtaktion (Postaufgabe) als "fix" sowohl nach dem materiellrechtlichen Gesichtspunkt im Sinn des § 519 ABGB als auch nach dem verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt einer Unzulässigkeit von Beweisverträgen qualifiziert unrichtig beurteilt habe.
Die Klägerin strebt mit der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der außerordentlichen Revision, hilfsweise die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil es gegen die Grundsätze der Vertragsauslegung verstößt, den Inhalt eines zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages unter Übergehung einschlägigen Parteienvorbringens und die Frage berührender Beweisergebnisse unmittelbar aus dem Umfang jener Tätigkeiten bestimmen zu wollen, zu denen der eine (hier klagende) Vertragsteil gewerberechtlich befugt sei.
Aus diesem Grund ist die Revision auch berechtigt.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Geschäftsfall wurde nach den hier unangefochtenen erstinstanzlichen Feststellungen im Zuge einer auf einem Rahmenvertrag beruhenden Geschäftsverbindung abgewickelt. Die Beklagte hat Mängel der in Vollziehung der in Auftrag gegebenen Werbeaktion zu versendenden Prospekte und qualifizierten Verzug bei der Postaufgabe der Prospekte eingewendet. Die Klägerin erachtete hiefür die von ihr beauftragte Druckerei der Beklagten gegenüber unmittelbar als verantwortlich und sich selbst deshalb als haftungsfrei.
Ohne Kenntnis des Rahmenvertrages, dessen Regelungen nach der bisherigen Aktenlage Bestandteil des Vertrages über den strittigen Geschäftsfall (Weihnachtsaktions-Mailing 1986) angesehen werden müssen, lassen sich Art und Umfang der Vertragspflichten des klagenden Werbeunternehmers gegenüber seinem Auftraggeber nicht bestimmen. Das vom Berufungsgericht gebrauchte Argument, zu einer Leistung, die jemand auf Grund seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht selbst auszuführen in der Lage sei, könne sich dieser nicht wirksam verpflichten, ist absolut unrichtig. Auf die Überschreitung gewerberechtlicher Befugnisse des Leistungserbringers würden den diesbezüglichen Vertrag bürgerlich-rechtlich nicht unwirksam machen. Der Umfang der üblicher- und erlaubterweise von einem Gewerbetreibenden erbrachten geschäftlichen Leistungen könnte nur in einem unaufgeklärt gebliebenen Zweifelsfall Anhaltspunkt für die Vertragsauslegung bilden. Vorher sind aber alle nach dem Parteienvorbringen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen, um den konkreten Inhalt des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages zu erfassen.
In dieser Hinsicht leiden die Urteile beider Vorinstanzen an Feststellungsmängeln.
Zur Behebung dieser Mängel ist eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz erforderlich.
Bei der Frage des Teilverzuges wird § 919 Satz 2 ABGB zu beachten sein.
Die verfahrensrechtlichen Fragen nach der vereinbarten Nachweisung einer rechtzeitigen Postaufgabe könne dahingestellt bleiben, weil über die tatsächlich erfolgten Postaufgabetermine unbekämpfte Feststellungen vorliegen.
In Stattgebung der außerordentlichen Revision waren zur Behebung der aufgezeigten Feststellungsmängel die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung rückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.