13Os51/92(13Os80/92) – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Friedrich B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Harald P*****, Christian M*****, Helmut G*****, Siegfried H*****, Gerhard K*****, Walter S*****, Gerhard W***** und Leopold S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Oktober 1991, GZ 4 d Vr 1.437/87-542, sowie über eine Beschwerde (§ 498 StPO) des Angeklagten Harald P***** nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung "wegen des Ausspruches über die Schuld" des Angeklagten Leopold S***** werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) sowie über die Beschwerde des Angeklagten Harald P***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden - neben einer Reihe von anderen Angeklagten, die kein Rechtsmittel ergriffen haben - die Angeklagten Harald P*****, Christian M*****, Helmut G*****, Siegfried H*****, Gerhard K*****, Walter S***** und Gerhard W***** des - unterschiedlich qualifizierten - Verbrechens des gewerbsmäßig schweren (bzw schweren und gewerbsmäßigen) Betruges nach den §§ 146, 147 (Abs 1 Z 1 bzw Abs 2 bzw Abs 3) und 148 (erster bzw zweiter Fall) StGB, der Angeklagte Leopold S***** des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu (meist bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen verurteilt. Dem Angeklagten Harald P***** wurde zugleich eine Weisung zur Schadensgutmachung erteilt (§§ 50, 51 StGB).
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpfen die genannten Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde, Leopold S***** auch mit Berufung, den Strafausspruch fechten sie mit Berufung an. Harald P***** hat gegen die ihm erteilte Weisung Beschwerde erhoben.
I.
Zu den Rechtsmitteln der Angeklagten P*****, M*****, H*****, K*****, S*****, W***** und S*****:
Nachdem zunächst zwischen dem 8.April 1991 und 17.Mai 1991 an 14 Tagen eine (einheitliche) Hauptverhandlung stattgefunden hatte und die für den 14.Oktober 1991 anberaumte Hauptverhandlung wegen Ausbleibens eines Schöffen nicht stattfinden konnte, faßte der Gerichtshof am 15.Oktober 1991 den Beschluß auf Wiederholung (Neudurchführung) der Hauptverhandlung wegen Überschreitung der Monatsfrist (§ 276 a, zweiter Satz, StPO). Danach fanden noch am 16., 17. und 18.Oktober 1991, an dem auch das Urteil verkündet wurde, Verhandlungen statt.
Das Urteil enthält den Hinweis (§ 270 Abs 3 StPO), daß im Falle der Ergreifung eines Rechtsmittels die für dessen Ausführung offenstehende Frist vier Wochen beträgt (US 182).
Dieser Hinweis erfolgte rechtsirrtümlich.
Die Erweiterung der Rechtsmittel(ausführungs)frist auf vier Wochen gemäß dem § 285 Abs 3 StPO gilt nur für einheitliche, wenn auch gemäß dem § 276 a, erster Satz, StPO vertagte Hauptverhandlungen, nicht aber für nach dem § 276 a, zweiter Satz, StPO wiederholte Hauptverhandlungen, bei denen die zuvor liegenden Verhandlungstage nicht zählen (Foregger-Serini-Kodek MKK StPO5 Anm VIII zu § 270; JAB zum StRÄG 359 BlgNR 17.GP, S 42; 13 Os 168/88 = NRsp 1989/145, 12 Os 149/89, 13 Os 109,111/90).
Demnach hatte im vorliegenden Fall die Hauptverhandlung nicht an mehr als fünf Tagen stattgefunden und eine Erweiterung der Rechtsmittelausführungsfrist auf vier Wochen war nicht eingetreten.
Der unrichtige Hinweis im Urteil vermag diese Erweiterung nicht zu bewirken, weil einem solchen Hinweis nur deklarativer Charakter zukommt (vgl JAB a.a.O.), also eine Fristverlängerung ausschließlich vom tatsächlichen Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängt. Eine Vorschrift, daß einem solchen unrichtigen Hinweis eine konstitutive Wirkung zukäme (vergleichbar etwa dem § 61 Abs 3 AVG), ist in der Strafprozeßordnung nicht enthalten.
Die zwar durchwegs rechtzeitig angemeldeten, aber außerhalb der hier zum Tragen kommenden 14-tägigen (Normal )Frist des § 285 Abs 1 StPO ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Harald P*****, Christian M*****, Siegfried H*****, Gerhard K***** und Walter S***** (Urteilszustellung jeweils am 18.März 1992, Rechtsmittelausführung jeweils am 15.April 1992) sowie der Angeklagten Gerhard W***** und Leopold S***** (Urteilszustellung jeweils am 19.März 1992, Rechtsmittelausführung am 16. bzw 15.April 1992) waren daher als verspätet zurückzuweisen.
Ebenso war die Berufung "wegen des Ausspruches über die Schuld" des Angeklagten Leopold S***** zurückzuweisen, weil eine solche im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Zur Entscheidung über die zwar gleichfalls verspätet ausgeführten, aber in beachtlicher Weise (§ 294 Abs 2 StPO) angemeldeten Berufungen der Angeklagten Harald P*****, Christian M*****, Siegfried H*****, Gerhard K*****, Walter S*****, Gerhard W***** und Leopold S***** sowie zur Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten Harald P***** gegen die erteilte Weisung (§ 489 StPO) ist demnach das Oberlandesgericht Wien berufen (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).
II.
Zu den Rechtsmitteln des Angeklagten G*****:
Lediglich der Angeklagte Helmut G***** hat seine Rechtsmittel rechtzeitig innerhalb der 14-tägigen Frist ausgeführt (Urteilszustellung am 18.März 1992, Rechtsmittelausführung am 27.März 1992).
Dieser Angeklagte wurde des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Helmut G***** gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und die Firma S***** GmbH unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, willig und fähig zu sein, die den jeweiligen Kunden angebotenen Wohnungen tatsächlich zu vermitteln und somit redlicher Realitätenvermittler zu sein, zur Ausfolgung von Bargeld verleitet, die diese am Vermögen schädigte, und zwar
(zu Punkt A/I/1 des Urteilssatzes)
alleine in der Zeit von 18.März 1987 bis Mitte April 1987, den Stanimir N***** durch die Vorgabe, die Wohnung in Wien 15., Pouthongasse 21/37, zu vermitteln, wofür er am 18.März und am 1.April 1987 einen Geldbetrag von (insgesamt) 65.500 S kassierte und schließlich mit dem Hinweis, die Wohnung sei bereits vergeben, die Errichtung eines Mietvertrages ablehnte (Schaden 65.500 S); und
(zu Punkt A/II/2/a bis e des Urteilssatzes)
im einverständlichen Zusammenwirken mit Harald P***** als Beteiligtem (§ 12 StGB)
a)
in der Zeit von 9.Jänner bis 11.Feber 1987 die Maria Anna T***** durch die Vorgabe, die Wohnung in Wien 20., Allerheiligenplatz 3/41, zu vermitteln, wobei Helmut G***** die Wohnung mit Maria Anna T***** besichtigte, ihr ein Anbot zur Unterfertigung vorlegte, 1.000 S und 44.000 S für diese Wohnung kassierte, einen Mietvertrag in vier Wochen versprach und Harald P***** am 11.Feber 1987 vorgab, die Zahlungen seien zu spät erfolgt, die Ausstellung eines Mietvertrages verweigerte und nach der solcherart vorsätzlich herbeigeführten Stornierung die Maria Anna T***** veranlaßte, über den Betrag von 11.232 S eine Verzichtserklärung abzugeben (Schaden 11.232 S);
b)
in der Zeit von 10. bis 16.Jänner 1987 den Zarko B***** durch die Vorgabe, die Wohnung in Wien 16., Liebhartsgasse 18/2/7, zu vermitteln, indem Helmut G***** die Wohnung mit Zarko B***** besichtigte, sie um den Preis von 83.000 S anbot, 65.000 S Anzahlung kassierte, und Harald P***** die Ausstellung eines Mietvertrages mit dem Hinweis verweigerte, die Wohnung koste 200.000 S (Schaden 65.000 S);
c)
in der Zeit von 14.Jänner bis 10.Feber 1987 den Manfred K***** durch die Vorgabe, die in Punkt A/II/2/b angeführte Wohnung zu vermitteln, indem Helmut G***** die Wohnung mit Manfred K***** besichtigte, sie um 169.000 S anbot, verschwieg, daß er sie wenige Tage zuvor dem Zarko B***** angeboten und dafür von diesem eine Anzahlung bereits kassiert hatte, 169.000 S kassierte und Harald P***** durch die Vorgabe, es sei zu spät bezahlt worden, die Ausstellung eines Mietvertrages verweigerte (Schaden 169.000 S);
d)
in der Zeit von 20.Jänner bis Ende Jänner 1987 die Josefine H***** durch die Vorgabe, die Wohnung in Wien 21., Voltagasse 42/14, zu vermitteln, indem Helmut G***** die Wohnung mit Josefine H***** am 20. Jänner 1987 besichtigte, die Genannte zur Unterfertigung eines Anbotes veranlaßte, 100 S und am 21.Jänner 1987 weitere 13.000 S Anzahlung kassierte, fälschlich vorgab, die Miete betrage (nur) 3.800 S, Harald P***** schließlich eine Miete von 4.200 S behauptete und nach der vorsätzlich herbeigeführten Vertragsstornierung die Geldrückgabe verweigerte, vielmehr die Anzahlung als "Stornogebühr" verrechnete (Schaden 13.100 S);
e) in der Zeit von 28.Jänner bis Mitte Feber 1987 die Brigitte A***** durch die Vorgabe, die Wohnung in Wien 15., Holochergasse 15/3, zu vermitteln, indem Helmut G***** die Wohnung um 117.000 S anbot, eine Anzahlung von 5.300 S kassierte, hinsichtlich des Restbetrages bei Kenntnis der Vermögenssituation der Wohnungswerberin die Vermittlung eines Kredites zusagte und Harald P***** nach der absprachegemäß herbeigeführten Vertragsstornierung die Geldrückgabe verweigerte, vielmehr die Anzahlung als "Stornogebühr" verrechnete (Schaden 5.300 S).
Diesen Schuldspruch bekämpft Helmut G***** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, den Strafausspruch ficht er mit Berufung (versehentlich "punkto Schuld" bezeichnet) an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.
Mit der bloßen Behauptung, die vom Erstgericht in Ansehung des Angeklagten Helmut G***** angenommene Schuld-(gemeint: Schadens)summe von rund 330.000 S (exakt: 329.132 S) sei "überhaupt durch das Beweisverfahren nicht gedeckt", wird kein formeller Begründungsmangel dargetan. Einerseits wird damit auf die Begründung des Schöffengerichtes, das sich insoweit auf die jeweiligen Anzeigenangaben, die Polizeierhebungen und die Zeugenaussagen der Geschädigten berief (US 72 iVm S 323, 357, 415, 617/I; 73 ff./II; 85, 495/III; ON 178/VII; 402 ff./X; 14 ff., 299 ff./XI), nicht eingegangen und nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit und Bestimmtheit (§ 285 a Z 2 StPO) dargelegt, inwiefern dieser Ausspruch des Gerichtshofes undeutlich, unvollständig, widersprüchlich, offenbar unzureichend begründet oder aktenwidrig (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) sei. Andererseits wird nicht einmal behauptet, daß die Schadenssumme (§ 29 StGB) die hier allein relevante Wertgrenze von 25.000 S (§ 147 Abs 2 StGB) nicht überstiegen hätte, weshalb der Einwand gar keine entscheidungswesentliche, d.h. für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz maßgebliche Tatsache betrifft.
Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer reklamierte Zusammenfassung in den Entscheidungsgründen, "aus der man auf den vom Erstgericht schließlich angenommenen Schadensbetrag von 330.000 S kommt", findet sich bereits in dem ausführlich konkretisierten Urteilsspruch, sodaß die vom Beschwerdeführer offenbar vermißte Nachvollziehbarkeit der Urteilsannahmen in Ansehung der Schadenshöhe jedenfalls gewährleistet ist.
Der dem Stanimir N***** herausgelockte Geldbetrag von 65.500 S könnte diesem - wenn überhaupt - erst nach Anzeigenerstattung zurückbezahlt worden sein (US 93 iVm S 496/III; 9/VII). Der Beschwerdevorwurf, dies sei "überhaupt nicht überprüft worden", betrifft daher jedenfalls keine entscheidende Tatsache und könnte demnach erst im Berufungsverfahren zum Anlaß für die Annahme des Milderungsgrundes einer teilweisen Schadensgutmachung genommen werden.
Unberechtigt ist auch der Einwand, es sei in keinem der dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Fällen "eine logische Begründung gegeben und auch nicht untersucht worden, inwieweit der Angeklagte G***** damit rechnen konnte, daß doch in den einzelnen Fakten ein Mietvertrag zustande kommt". Zur Begründung des damit bemängelten Ausspruchs über den Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Beschwerdeführers beruft sich der Schöffensenat auf die weitgehend geständigen Angaben des Angeklagten im Vorverfahren (US 119/120 iVm ON 284/VII) und auf die Aussagen von Geschädigten und Mitangeklagten (US 120 bis 122), insbesondere auf die belastende Aussage des (Haupt )Angeklagten Friedrich B*****, der ihm eindeutig unterstellte, wie alle anderen Angeklagten gewußt zu haben, "wie in der Firma S***** gearbeitet werde" (US 120 iVm S 91 ff./IX). Auch hier läßt die Beschwerde deutliche und bestimmte Ausführungen darüber vermissen, welcher Tatumstand den behaupteten Nichtigkeitsgrund bilden soll (§ 285 a Z 2 StPO), worin also ein formeller Mangel dieser Begründung konkret zu erblicken wäre.
Zum Faktum A/II/2/e (Brigitte A***** verehel. W*****) hat das Erstgericht festgestellt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Vermögenssituation der Wohnungswerberin eine unhaltbare Kreditvermittlungszusage gemacht hat (US 15, 86, 122) und dies mit der Aussage der Zeugin Brigitte W***** begründet (US 122 iVm S 618/I; 301 ff./XI). Der Annahme der Tatrichter, daß der Angeklagte auch in diesem Fall vorsätzlich auf eine Vertragsstornierung hingearbeitet hat (US 15, 84 ff. u.a.), und daß nicht umgekehrt - wie in der Beschwerde behauptet wird - die Wohnungswerberin die Kreditgewährung mangels ordnungsgemäßer Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse selbst vereitelt hat, haftet daher gleichfalls kein Begründungsmangel an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut G***** war daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO). Demnach hat das Oberlandesgericht Wien auch über die Berufung dieses Angeklagten zu entscheiden (§ 285 i StPO).
Die Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der Angeklagten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.