6Ob519/92 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Friedrich I*****, ***** ***** ***** vertreten durch Dr. Gerhard Prett und Dr. Klaus Fattinger, Rechtsanwälte in Villach, wieder die Antragsgegnerin Eveline Maria I*****, ***** vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. Jänner 1992, GZ 2 R 475/91-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 6. November 1991, GZ 3 F 10/90-21, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin für die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens einen Betrag von S 20.000,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Parteien wurde aufgrund einer am 13. März 1989 eingebrachten Scheidungsklage der nunmehrigen Antragsgegnerin am 6. September 1989 aus dem Alleinverschulden des Antragstellers geschieden. Während aufrechter Ehe errichteten die Eheleute auf der Liegenschaft EZ 677 KG J*****, die aufgrund eines Schenkungsvertrages mit der Mutter des Antragstellers im Alleineigentum der Antragsgegnerin steht, ein Einfamilienhaus, das als Ehewohnung gedient hatte.
Mit Antrag vom 28. August 1990 begehrte der Antragsteller die Festsetzung einer Ausgleichszahlung von S 1,500.000,-- dafür, daß der Antragsgegnerin die Liegenschaft samt Haus verbleibe.
Die Antragsgegnerin wandte in erster Linie ein, der Antragsteller habe ihr gegenüber vor und nach der Scheidung der Ehe auf jedweden Aufteilungsanspruch nach § 81 f EheG verzichtet; dieser Verzicht sei von der Antragsgegnerin angenommen worden. Im übrigen erhob sie auch Einwände gegen die Höhe und die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruches. Der Antragsteller bestreitet den von der Antragsgegnerin behaupteten Verzicht. Das Erstgericht wies das Begehren des Antragstellers auf Zahlung einer Ausgleichssumme von S 1,500.000,-- unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab:
Während des anhängigen Scheidungsverfahrens kam es im Sommer 1989 zu einer Aussprache zwischen den Parteien über das Scheidungsverfahren und über vermögensrechtliche Angelegenheiten. Dabei verzichtete der Antragsteller zugunsten der beiden gemeinsamen Kinder Klaus und Roland auf "seinen Anteil am Einfamilienhaus". Diese Verzichtserklärung nahm die Antragsgegnerin an und verzichtete ihrerseits im Gegenzug auf ihren allfälligen Unterhaltsanspruch. Der Antragsteller erklärte im Zuge des Gespräches, die Antragsgegnerin solle die getroffene Vereinbarung bei Gericht festhalten lassen, da er noch nicht sicher war, ob er überhaupt zum Scheidungstermin kommen werde. Über die konkrete Durchführung des Verzichtes, insbesondere über die quotenmäßige Aufteilung oder eine genaue Vertragserrichtung, wurde nicht gesprochen. Die Antragsgegnerin teilte den Kindern mit, daß der Antragsteller auf seinen Aufteilungsanspruch zu deren Gunsten verzichtet habe.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, nach § 97 Abs 2 EheG könne im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren auf den Anspruch auf Aufteilung formfrei verzichtet werden. Liege eine zulässige Vereinbarung im Sinne dieser Gesetzesstelle vor, sei das Aufteilungsbegehren abzuweisen, weil es aufgrund der Vereinbarung nichts mehr aufzuteilen gäbe. Die Parteien hätten sich über die Hauptpunkte des Verzichtsvertrages bedingungslos geeinigt, indem sie einerseits über den Gegenstand, nämlich den Liegenschaftsanteil als Aufteilungsmasse, und andererseits über die Disposition des Antragstellers zugunsten der gemeinsamen Kinder einen Vertrag geschlossen hätten. Wenn auch die Modalitäten der Abwicklung nicht erwähnt worden seien, habe doch die Einigung über den Hauptgegenstand in Form eines Vertrages zugunsten Dritter stattgefunden. Ob die Kinder direkt berechtigt seien oder die Zuwendung über die Antragsgegnerin zu erfolgen habe, sei allenfalls im streitigen Verfahren zu klären.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf, trug diesem Verfahrensergänzung und Entscheidung über den Aufteilungsantrag des Antragstellers auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Der Verzicht des Antragstellers auf "seinen Anteil am Einfamilienhaus" (gemeint wohl auf Aufteilungsansprüche nach §§ 81 f EheG) sei zugunsten der gemeinsamen Kinder erfolgt; es sei daher ein Verfügungswille des Antragstellers zugunsten dritter Personen im Sinne des § 881 ABGB vorgelegen. Nach § 96 EheG sei der - an sich höchstpersönliche - Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse vererblich und unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar, soweit er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sei. Diese gesetzliche Ausnahmeregelung für die Anspruchsübertragbarkeit erlaube im vorliegenden Fall nicht die Annahme der Wirksamkeit einer Verfügung des Antragstellers über den Aufteilungsanspruch zugunsten der Kinder. Daß die Antragsgegnerin den allfälligen Aufteilungsanspruch durch Vertrag oder Vergleich anerkannt hätte, sei nicht hervorgekommen; die Einwendungen der Antragsgegnerin im Verfahren enthielten vielmehr eine Bestreitung eines solchen Anspruches. Die festgestellte Vereinbarung enthalte auch keine Anerkennung eines bestimmten Teilungsanspruches des Antragstellers. Die rechtsgeschäftliche Anspruchsverfügung zugunsten der Kinder sei daher nach § 96 EheG unwirksam geblieben. Über den vorliegenden Aufteilungsantrag müsse daher nach Verfahrensergänzung abgesprochen werden. Da zur Frage der Gültigkeit einer Drittbegünstigung nach § 96 EheG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe, sei der Revisionsrekurs zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und berechtigt.
Das Rekursgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, daß nach dem klaren Wortlaut des § 96 EheG der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nur insoweit vererblich und unter Lebenden oder von Todes wegen übertragbar und verpfändbar ist, als er durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung ist hier aber nicht dahin zu überprüfen, inwieweit sie als Vertrag zugunsten Dritter wirksam und durchsetzbar ist, sondern welche Auswirkungen sie im Sinne des § 97 EheG auf das nacheheliche Aufteilungsverfahren hat. Mit der Vereinbarung, der Antragsteller verzichte zugunsten seiner beiden Kinder auf seinen Anteil am Einfamilienhaus, die Antragsgegnerin im Gegenzug auf einen allfälligen Unterhaltsanspruch, haben beide Parteien eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß sie im Umfang der getroffenen Vereinbarung nach der Ehescheidung keine Ansprüche gegeneinander stellen werden. Die Erklärung und das Gesamtverhalten des Antragstellers kann redlicherweise nur so verstanden werden, daß dieser nach der Scheidung keine Aufteilungsansprüche gegen seine Gattin erheben werde, er also auf die Geltendmachung solcher Ansprüche verzichte. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Verbindlichkeit seiner abgegebenen Erklärung der Schriftform vorbehalten bleiben sollte, weil er nach den Feststellungen noch gar nicht sicher war, ob er überhaupt zum Scheidungstermin kommen werde, also offenbar davon ausging, daß für ihn die Sache endgültig erledigt sei und es seiner Frau überlassen bleibe, das Vereinbarte noch bei Gericht festhalten zu lassen.
Da der so erklärte Verzicht auf ein nacheheliches Aufteilungsverfahren im Zusammenhang mit dem anhängigen Scheidungsverfahren abgegeben wurde, bedurfte es gemäß § 97 Abs 2 EheG auch nicht der Einhaltung einer besonderen Form.
Das Erstgericht hat den Antrag auf Festsetzung einer Ausgleichszahlung daher zu Recht abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 234 AußStrG.