JudikaturOGH

13Os54/92-5 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Markel, Dr. Massauer und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Liener als Schriftführerin in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, AZ 8 Vr 1197/91 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3.November 1991, GZ 8 Vr 1197/91-10 und der Ratskammer dieses Gerichtshofes vom 10. Dezember 1991, GZ 8 Vr 1197/91-13, nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, in öffentlicher Verhandlung und des Vertreters der Beteiligten R***** Bad St. L*****, reg. GenmbH, Dr. Arnold zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, AZ 8 Vr 1197/91 des Landesgerichtes Klagenfurt, wurde a.) durch den Beschluß des Untersuchungsrichters vom 3. November 1991 (ON 10), insoweit, als das Kostenersatzbegehren der R***** Bad St. L***** registrierte Genossenschaft mbH in Ansehung eines Betrages von 1.080 S ohne Prüfung der Notwendigkeit des Arbeitsaufwandes und der Angemessenheit des hiefür begehrten Kostenersatzes abgewiesen wurde,

b.) durch den Beschluß der Ratskammer vom 10.Dezember 1991 (ON 13), womit die Beschwerde der genannten Genossenschaft gegen den abweislichen Teil des unter a.) bezeichneten Beschlusses als unbegründet zurückgewiesen wurde,

das Gesetz in der Bestimmung des § 143 Abs. 2 StPO iVm § 381 Abs. 1 Z 5 StPO verletzt.

Text

Gründe:

I./ In der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, AZ 8 Vr 1197/91 des Landesgerichtes Klagenfurt, wurde mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 29.August 1991 (ON 4) "gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 KWG das Bankgeheimnis aufgehoben"; die Mitarbeiter der R***** Bad St. L***** wurden aufgefordert, hinsichtlich des Kontos Nr. 34389 (Pensionskonto) sowie des Sparbuches des am 28. März 1987 verstorbenen Hubert D*****, auf welches die eingangenen Pensionszahlungen transferiert worden seien, den Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten Auskunft zu erteilen, ihnen Einsicht in Unterlagen - insbesondere im dafür notwendigen Umfang auch in die entsprechenden Tagesmatrizen (Tagesjournale) - zu gewähren und für sie über Aufforderung Fotokopien anfertigen zu lassen. Überdies wurde die Beschlagnahme eventuell noch vorhandener Originalbelege über Ein- und Auszahlungen angeordnet.

Der Beschwerde der R***** Bad St. L***** regisitrierte Genossenschaft mbH gegen diesen Beschluß wurde mit Entscheidung der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1.Oktober 1991 (ON 8) nicht Folge gegeben.

Nach Herstellung eines Auszugs aus den Tagesjournalen legte die Bank am 10.Oktober 1991 dem Landesgericht Klagenfurt eine Kostennote über den Betrag von 1.110 S vor, der sich aus der Entlohnung von 6 Arbeitsstunden je 150 S, dem Ersatzbetrag für 5 Kopien je 5 S und der 20 %igen Mehrwertsteuer zusammensetzt (ON 9). Mit Beschluß vom 3.November 1991 (ON 10) gab der Untersuchungsrichter diesem Begehren nur hinsichtlich des für die 5 Kopien geforderten Betrages zuzüglich der anteiligen Mehrwertsteuer, insgesamt sohin in einem Umfang von 30 S, statt und wies das Mehrbegehren (von 1.080 S) unter Hinweis darauf ab, es könnten nur die Materialkosten, nicht jedoch die Kosten des Aufsuchens der gewünschten Informationen honoriert werden, zumal der "entsprechende" (gemeint: mit der Arbeit befaßt gewesene) Mitarbeiter der Bank oder Kundenbetreuer im wesentlichen die Stellung eines Zeugen habe, der nur einen ihn persönlich - nicht seinen Dienstgeber - treffenden Verdienstentgang geltendmachen könne. Überdies habe gemäß § 132 Abs. 2 und 3 BAO dann, wenn Daten auf Datenträgern festgehalten seien und eine Verpflichtung zu ihrer Herausgabe bestehe, der hiezu Verpflichtete auf seine Kosten die gewünschten Informationen zu geben.

Der von der Bank gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde gab die Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt mit Beschluß vom 10. Dezember 1991 (ON 13) nicht Folge. Die Ratskammer führte aus, daß Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens "letzten Endes eine Erbschaftsangelegenheit" sei, weshalb die Beschwerdeführerin schon nach § 47 HGB verpflichtet gewesen sei, die entsprechenden Unterlagen auf ihre Kosten beizustellen. Im übrigen sei die dem Untersuchungsrichter vorschwebende analoge Anwendung des § 132 BAO gleichfalls - infolge Fehlens einer hier anwendbaren Kostenersatzregelung in der Strafprozeßordnung oder im Gebührenanspruchsgesetz - zumindest nicht von der Hand zu weisen.

Rechtliche Beurteilung

II./ Die Beschlüsse des Untersuchungsrichters vom 3.November 1991 und der Ratskammer vom 10.Dezember 1991 stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Berechtigung und das Ausmaß des gegenständlichen Kostenersatzanspruches sind nach den Bestimmungen der §§ 143 Abs. 2 und 381 Abs. 1 Z 5 StPO zu beurteilen.

Die gegenständliche Aufforderung des Untersuchungsrichters erfolgte in einem Strafverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 und 128 Abs. 1 Z 4 StGB. Demnach ist die Argumentation des Untersuchungsrichters, der den Kostenersatz ua mit Bezugnahme auf den § 132 Abs. 2 und 3 BAO ablehnte deswegen verfehlt, weil es sich vorliegend nicht um ein Abgabenverfahren (vgl. §§ 1 und 2 BAO) handelt.

Aber auch die Argumentation der Ratskammer, die den Kostenersatz aus dem Grund des § 47 HGB für nicht berechtigt erachtete, ist unzutreffend, weil Gegenstand dieses Verfahrens schlicht Diebstahl und nicht eine Vermögensauseinandersetzung in Erbschaftssachen ist.

Der Ansicht der Ratskammer zuwider ist der gegenständliche Fall sehr wohl in der StPO geregelt. Nach dem ersten Satz des § 143 Abs. 2 StPO ist jedermann verpflichtet, Gegenstände, insbesondere auch Urkunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können (oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen) auf Verlangen herauszugeben. Diese Editionspflicht umfaßt auch die Verpflichtung des Besitzers beweiserheblicher Gegenstände (Urkunden), diese nach Möglichkeit von anderen zu sondern. Ist eine solche Mitwirkung des Herausgabepflichtigen mit einem wirtschftlich nicht ganz unerheblichen Aufwand verbunden, wird sie ihm jedoch nur bei Ersatz der ihm durch die Auftragserfüllung entstehenden Kosten zugemutet werden können (EvBl. 1990/167). Hiefür spricht auch der § 381 Abs. 1 Z 5 StPO, wonach zu den zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens auch die durch die Beschlagnahme von Sachen, darunter inbesondere durch deren Abtransport oder deren Verwahrung verursachten (und einen bestimmten Betrag übersteigenden) Kosten zu zählen sind (vgl. EvBl. 1977/201; RZ 1978/18; Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts3 Rz 890). Es hätten daher die Notwendigkeit und Angemessenheit der für die Arbeit von Mitarbeitern der Bank geltendgemachten Kosten einer Überprüfung - mangels eines gesetzlichen Tarifes unter Zugrundelegung der ortsüblichen Sätze (vgl. RZ 1978/18) - unterzogen werden müssen. Anlaß zu einer Maßnahme nach dem letzten Satz des § 292 StPO bestand deshalb nicht, weil sich die Vorgangsweise des Untersuchungsrichters und der Ratskammer jedenfalls nicht zum Nachteil, sondern zum Vorteil des bisher allerdings nicht ausgeforschten (vgl. Abbrechungsbeschluß gemäß dem § 412 StPO auf der letzten Seite des Antrags- und Verfügungsbogens) Täters auswirken könnte.

Rückverweise