JudikaturOGH

14Os33/92-6 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. März 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.März 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sonntag als Schriftführer, in der Strafsache gegen Oswald Mathias Ö***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen, AZ 29 E Vr 781/90 des Landesgerichtes St. Pölten, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 3.Oktober 1991, AZ 22 Bs 404/91 (= ON 37), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 3.Oktober 1991, AZ 22 Bs 404/91 (= ON 37 im Akt AZ 29 E Vr 781/90 des Landesgerichtes St. Pölten), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 147 Abs. 2 (iVm § 99 Abs. 4) StVG. Dieser Beschluß wird aufgehoben und die ihm zugrunde liegende Beschwerde des Oswald Mathias Ö***** zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Vollzugsgericht vom 30.August 1991, GZ 29 E Vr 781/90-32, wurde dem damaligen Strafgefangenen Oswald Mathias Ö***** die Zeit eines ihm vom 30. Juli 1991, 10.30 Uhr, bis zum 2.August 1991, 10.30 Uhr, gewährten Ausganges nicht in die Strafzeit eingerechnet, weil er nach diesem Ausgang die Strafe nicht rechtzeitig wieder angetreten hatte (§§ 147 Abs. 2 und Abs. 4 iVm 99 Abs. 4; 16 Abs. 2 Z 11 StVG). Der Strafvollzug konnte erst nach seiner Festnahme am 5.August 1991 wieder fortgesetzt werden.

Gegen diesen Beschluß erhob Oswald Mathias Ö***** rechtzeitig Beschwerde.

Am 9.September 1991 wurde er infolge Ablaufes der Strafzeit - bei deren Berechnung der Ausspruch über die Nichteinrechnung der Zeit des Ausganges mangels Rechtskraft bzw. einer der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkennenden Verfügung des Vollzugsgerichtes unberücksichtigt blieb - aus der Strafhaft entlassen (S 261, 264).

Rechtliche Beurteilung

Das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht gab der Beschwerde des Oswald Mathias Ö***** mit Beschluß vom 3. Oktober 1991, AZ 22 Bs 404/91 (= ON 37), nicht Folge. In der Begründung seiner Entscheidung vertrat das Beschwerdegericht die Auffassung, daß die zwischenzeitige Beendigung des Strafvollzuges dem nachträglichen Vollzug des aus der Nichteinrechnung des Ausganges in die Strafzeit resultierenden Strafrestes von drei Tagen nicht entgegenstehe (S 270).

Diese Rechtsansicht steht - wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend bemängelt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach den gemäß § 147 Abs. 2 StVG in bezug auf einen Ausgang dem Sinne nach anzuwendenden Vorschriften des § 99 Abs. 2 bis 4 StVG ist die Zeit des Ausganges in die Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) nicht einzurechnen, wenn der Ausgang widerrufen wird (Abs. 2) oder der Strafgefangene die Strafe nicht rechtzeitig wieder antritt (Abs. 3).

Wenn der Strafgefangene vorsätzlich die Strafe nach einem Ausgang nicht unverzüglich wieder antritt, begeht er eine Ordnungswidrigkeit (§ 107 Abs. 1 Z 8 StVG) und ist hiefür - von der Möglichkeit einer bloßen Abmahnung (§ 108 StVG) abgesehen - nach Maßgabe der §§ 109 bis 114 ASVG zu bestrafen. Wird hiefür die Ordnungsstrafe des Hausarrestes (§ 109 Z 5 StVG) verhängt, so kann diese unter den Voraussetzungen des § 115 StVG dadurch verschärft werden, daß dem Strafgefangenen die im Hausarrest zugebrachte Zeit ganz oder teilweise nicht in die Strafzeit eingerechnet wird. Dieser Fall einer Nichteinrechnung in die Strafzeit ist als Verschärfung der Ordnungsstrafe des Hausarrestes ihrerseits eine Ordnungsstrafe und kann als solche - dem Wesen einer Ordnungsstrafe entsprechend - nur während jener Strafzeit angeordnet werden, in deren Verlauf die damit zu bestrafende Ordnungswidrigkeit begangen wurde; nach deren Ablauf kommt ihre Verhängung nicht mehr in Betracht (15 Os 153/87). Dies gilt konsequenterweise auch für den Vollzug einer vom Vollzugsgericht zwar noch rechtzeitig vor Ablauf der Strafzeit ausgesprochenen Nichteinrechnung einer im Hausarrest zugebrachten Zeit, wenn dieser Ausspruch infolge einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt worden ist (§ 17 Abs. 5 StVG), nicht mehr vor dem Ende der (ursprünglichen) Strafzeit in Rechtskraft erwachsen kann. Kann über eine solche Beschwerde nicht mehr rechtzeitig entschieden werden, so kommt selbst dann, wenn sie unberechtigt ist, ein nachträglicher Vollzug der Nichteinrechnung der im Hausarrest zugebrachten Zeit in die Strafzeit nicht mehr in Betracht. Mangels Beschwer ist ein solches Rechtsmittel daher jedenfalls zurückzuweisen.

Die Nichteinrechnung einer Zeit des Ausganges in die Strafzeit ist hingegen weder eine Ordnungsstrafe noch ist sie als Verschärfung einer solchen anzusehen. Denn einerseits ist dieser Fall einer Nichteinrechnung - im Gegensatz zur Nichteinrechnung einer im Hausarrest zugebrachten Zeit - nicht im Zehnten Unterabschnitt des Strafvollzugsgesetzes über die Ordnungswidrigkeiten und deren Bestrafung angeführt, und andererseits muß die Nichteinrechnung einer Zeit des Ausganges nicht unbedingt auf der Begehung einer Ordnungswidrigkeit beruhen (vgl. § 99 Abs. 2 StVG).

Der in der bemängelten Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien zum Ausdruck gebrachten Auffassung, daß es sich bei der Nichteinrechnung eines Ausganges nicht um eine Ordnungsstrafe (oder um deren Verschärfung), sondern um eine "eigenständige gesetzliche Regelung" handelt (S 270), ist daher an sich beizupflichten. Allerdings bedeutet dies - der Ansicht des Beschwerdegerichtes zuwider - noch nicht, daß in diesem Fall die Nichteinrechnung auch noch nachträglich ausgesprochen und/oder vollzogen werden dürfte.

Die Vorschriften über die Nichteinrechnung einer - sonst grundsätzlich in die Strafzeit einzurechnenden - Zeit des Ausganges zielen, gleichviel, ob mit einer solchen Maßnahme eine Disziplinierung des Strafgefangenen verbunden wird oder nicht, darauf ab, die infolge eines ungerechtfertigten Ausganges verkürzte Strafzeit, also jenen urteilsmäßig bestimmten (§ 1 Z 5 StVG) zeitlichen Rahmen wiederherzustellen, während dessen eine erzieherische Einwirkung auf den Strafgefangenen zur Erreichung der Strafzwecke (§ 20 StVG) erforderlich ist. Die Beantwortung der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt diese Nichteinrechnung angeordnet und/oder vollzogen werden darf, hat sich demnach daran zu orientieren, ob der eben beschriebene Zweck der Nichteinrechnung sinnvollerweise überhaupt noch erreicht werden kann. Spätester Zeitpunkt für die Anordnung der Nichteinrechnung kann darnach nur der Zeitpunkt der Entlassung (§ 148 StVG) sein, weil eine auf Grund einer späteren Anordnung notwendige Wiederinhaftnahme des bereits (ordnungsgemäß) Entlassenen für einen Zeitraum von wenigen Tagen den Strafzwecken ersichtlich zuwiderliefe (vgl. auch die ungünstige Beurteilung von "Ratenvollzügen" im JAB zum StRÄG 1987 359 BlgNR 17.GP, 53 im Zusammenhang mit § 494 a StPO).

Dies gilt wegen der Identität der gesetzlichen Grundlage übrigens auch für die Nichteinrechnung der außerhalb der Strafhaft verbrachten Zeit in bezug auf eine Unterbrechnung der Freiheitsstrafe (§ 99 StVG).

Zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile eines Strafgefangenen bietet die aus § 17 Abs. 5 StVG abzuleitende Möglichkeit, einer offenbar aussichtslosen Beschwerde gegen die Nichteinrechnung einer Zeit in die Strafzeit die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, eine ausreichende Handhabe, wovon jedoch vom Vollzugsgericht (das diese Aussichtslosigkeit in seiner Entscheidung zu beurteilen gehabt hätte) im vorliegenden Fall nicht Gebrauch gemacht wurde, obwohl der Anstaltsleiter dies mit Rücksicht auf das nahe Strafende beantragt hatte (ON 31, S 257 verso).

Da somit der Beschluß des Vollzugsgerichtes über die Nichteinrechnung der Zeit des Ausganges in die Strafzeit nach dem Zeitpunkt der Entlassung des Strafgefangenen ohnedies nicht mehr vollzogen werden konnte, war der Beschwerde des Oswald Mathias Ö***** der Boden entzogen und sie hätte daher vom Beschwerdegericht mangels Beschwer zurückgewiesen werden müssen. Durch deren meritorische Erledigung und der in der Begründung dieser Entscheidung ausdrücklich als zulässig erklärten Möglichkeit des nachträglichen Vollzuges des aus der Nichteinrechnung resultierenden Strafrestes von drei Tagen (ein solcher Vollzug hat nach der Aktenlage bisher nicht stattgefunden) wurde das Gesetz zum Nachteil des Oswald Mathias Ö***** in der Bestimmung des § 147 Abs. 2 (iVm § 99 Abs. 4) StVG verletzt.

Der deshalb vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und der Entscheidung zugleich die zur Vermeidung einer Benachteiligung des Oswald Mathias Ö***** erforderliche konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO).

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