11Os127/91 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Januar 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elisabeth H***** wegen des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach dem § 162 Abs. 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Kostenbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Juni 1991, GZ 5 c Vr 14.726/86-128, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Grohmann zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt wird; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elisabeth H***** der Vergehen des Gebrauches falscher Urkunden (richtig: der Urkundenfälschung) nach dem § 223 Abs. 2 StGB (Punkt A./I./1./) sowie der Vollstreckungsvereitelung nach dem § 162 Abs. 1 und 2 StGB (A./I./2./) schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, in Wien
1) in der Zeit von Februar bis November 1986 falsche Urkunden, nämlich 19 gefälschte Schecks der Ljiljana G*****, vorsätzlich im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht zu haben, indem sie diese Schecks bei der Filiale der C***** einlöste, und 2) von Jänner bis Oktober 1986 als Schuldnerin einen Bestandteil ihres Vermögens verheimlicht sowie es zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers, der Firma M*****, durch Zwangsvollstreckung bzw. in einem anhängigen Vollstreckungsverfahren vereitelt und geschmälert zu haben, indem sie sich als Angestellte der Firma Ljiljana G***** von ihrem Lohn von 10.000 S monatlich 6.700 S (insgesamt sohin 67.000 S) "schwarz" auszahlen ließ, wobei sie durch die Tat einen 25.000 S übersteigenden Schaden herbeiführte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5 a, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
In der Tatsachenrüge bekämpft Elisabeth H***** die Urteilsannahme, sie habe Kenntnis davon gehabt, daß sie Scheckfalsifikate zur Einlösung einreichte, mit dem bloßen Hinweis auf ihre Verantwortung, Schecks nur teilweise unmittelbar von Ljiljana G***** erhalten und zum Teil blanko unterschrieben in der Kasse vorgefunden zu haben (AS 425 f/II). Damit bringt sie jedoch den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, zumal sie auf die Argumentation des Erstgerichtes, welches ihre Version unter Bezugnahme auf die Aussagen der Zeuginnen G***** (AS 435 f/II) und D***** (AS 429 f/II) als unglaubwürdig abgelehnt hat (US 9 unten), in keiner Weise eingeht. Wenn sie überdies bestreitet, als "inoffizielle Firmenchefin" aufgetreten zu sein, wendet sie sich nicht gegen eine Urteilsannahme, sondern gegen eine rein hypothetische Erwägung des Erstgerichtes über das der Verwendung der Falsifikate zugrundeliegende Motiv (US 10 unten). Selbst wenn aber in der Urteilsbegründung dieses Motiv nicht nur als "entfernte Möglichkeit" bezeichnet, sondern als erwiesen angenommen worden wäre, könnte die betreffende Feststellung nicht zum Gegenstand einer Tatsachen- oder Mängelrüge gemacht werden, weil sie keine entscheidende - d.h. für die Unterstellung unter einen bestimmten Tatbestand oder für die Annahme eines strafsatzändernden Umstandes maßgebende - Tatsache betrifft. Auch im übrigen ergeben sich gegen die Richtigkeit der von den Tatrichtern dem Ausspruch über die Schuld im gegebenen Zusammenhang zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen keine erheblichen Bedenken.
Der Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO, derzufolge durch die Urteilstat A./I./2./ der Tatbestand des § 162 StGB in Ansehung der zur Verwirklichung erforderlichen Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung "durch Zwangsvollstreckung" nicht erfüllt worden sei, weil weder feststehe, daß die Firma M***** Gehaltsexekution gegen die Angeklagte geführt habe, noch daß die Arbeitgeberin der Angeklagten zu einer Drittschuldnererklärung verhalten worden sei, ist zu entgegnen, daß § 162 StGB die Anhängigkeit eines Exekutionsverfahrens zur Zeit der Vereitelungshandlung nicht voraussetzt. Vielmehr genügt es, daß sich die exekutive Eintreibung einer bestimmten Forderung bereits faßbar abzeichnet (zuletzt JBl. 1991, 53). Vorliegend ergibt sich zudem aus dem Zusammenhang von Urteilsspruch und -begründung (US 3 oben, 7 Mitte, 12 letzter Absatz, 13 oben und ganz unten), insbesondere aus der Bezugnahme auf die insoweit geständige Verantwortung der Angeklagten (AS 252/II, 503/II), daß die Angeklagte von der Firma M***** wegen einer Forderung von mehr als 900.000 S bereits in Exekution gezogen worden war und die Urteilstat A./I./2./ (absichtlich) beging, um der ihr deswegen drohenden Lohnpfändung zu entgehen (siehe auch Zeugenaussage Dr. G***** AS 502/II unten). Die zu diesem Zweck von ihr eingehaltene Vorgangsweise wurde vom Erstgericht zu Recht als Verheimlichung eines Bestandteiles ihres Vermögens beurteilt; wurde doch ein monatlich 6.700 S betragender Teil ihrer Gehaltsforderung infolge Nichtaufnahme in die Lohnverrechnung der Kenntnis ihrer Gläubiger entzogen.
Soweit die Angeklagte ferner (auch unter § 281 Abs. 1 Z 10 StPO) Feststellungen über den (für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung maßgebenden) Zeitpunkt des tatsächlichen Schadenseintritts und über die (für das Schadensausmaß bedeutsame) Höhe des pfändbaren Teiles ihres Arbeitseinkommens vermißt, ist sie einerseits auf die Urteilsfeststellung (US 13) zu verweisen, wonach aus der Höhe des verheimlichten Einkommensteiles angesichts der Möglichkeit einer Pfändung bis auf das Existenzminimum hervorgeht, daß der durch die Tat entstandene Schaden jedenfalls 25.000 S übersteigt; andererseits ist ihr entgegenzuhalten, daß die Höhe des nach dem § 5 LPfG der Exekution entzogenen Teiles eines Arbeitseinkommens vor allem von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, die keiner Feststellung in der Urteilsbegründung bedürfen. Eine rechtsirrige Lösung dieser Fragen liegt der Bewertung des Schadens durch das Erstgericht nicht zugrunde: Nach der zur Tatzeit geltenden Regelung des § 5 Abs. 1 und 3 LPfG idF der Wiederverlautbarung BGBl. 1985/450 wäre der Gläubigerin bei Kenntnis der Höhe des Arbeitseinkommens der Angeklagten die Pfändung von Beträgen möglich gewesen, die insgesamt fast das Doppelte der Wertgrenze des § 162 Abs. 2 StGB erreichten. Daß das Unterbleiben dieses Zugriffs tatsächlich eine Schmälerung von Befriedigungsrechten in diesem Umfang herbeiführte, bedarf angesichts der Höhe der fortbestehenden Verschuldung der vermögens- (und nunmehr auch einkommens-) losen Angeklagten (US 4, 7) keiner weitwendigen Erörterung.
Feststellungen über den Zeitpunkt des Schadenseintritts aber waren deswegen entbehrlich, weil im Fall des Verheimlichens von Lohnbestandteilen durch "Schwarz"-Bezüge die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung - sofern sich die exekutive Eintreibung der betreffenden Forderung, wie erwähnt, zumindest bereits faßbar abzeichnet - schon mit der darin gelegenen scheinbaren Vermögensverringerung eintritt.
Da sohin weder an der Unterstellung der Tat (auch) unter den zweiten Absatz des § 162 StGB noch an ihrer Beurteilung als - infolge des bereits stattgefundenen Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges - vollendetes Delikt rechtliche Bedenken bestehen, erweist sich auch die Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO als nicht stichhaltig.
Das auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützte - Verjährung der Urteilstat A./I./2./ geltendmachende - Beschwerdevorbringen beruht auf einer Unterstellung der Tat ausschließlich unter dem § 162 Abs. 1 StGB; ihm ist daher bereits mit dem Hinweis auf die obigen Ausführungen zur rechtlich zutreffenden Annahme der Qualifikation nach dem § 162 Abs. 2 StGB die Grundlage entzogen. Das gerichtliche Strafverfahren gegen die Angeklagte wegen der im Jahr 1986 begangenen Tat wurde nämlich am 14.November 1990, sohin noch innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 57 Abs. 3 StGB) für mit mehr als ein-, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlungen, anhängig (AS 512/II); seither ist der Fortlauf dieser Frist gehemmt (§ 258 Abs. 3 Z 2 StGB).
Die zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführte, im übrigen sachlich nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über Elisabeth H***** nach dem § 162 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten.
Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägige Vorstrafe, den Mißbrauch des Vertrauensverhältnisses, die Tatbegehung während eines längeren Zeitraumes sowie das Zusammentreffen zweier Vergehen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das Teilgeständnis als mildernd.
Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte die Herabsetzung oder zumindest teilbedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe, allenfalls auch die Anwendung des § 37 StGB an.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Was zunächst die Strafhöhe anlangt, so erschien dem Obersten Gerichtshof vor allem im Hinblick auf das mehrjährige Zurückliegen der Tathandlungen und das seitherige Wohlverhalten der Angeklagten eine maßvolle Reduktion der Freiheitsstrafe auf das tatschuldadäquate Ausmaß von sieben Monaten geboten.
In diesem Umfang war daher der Berufung der Angeklagten Folge zu geben.
Der weiters begehrten Gewährung einer zumindest teilbedingten Strafnachsicht standen hingegen im Hinblick auf die gravierende Vorstrafenbelastung spezialpräventive Erwägungen entgegen. Auch die Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 StGB) war schon wegen des sechs Monate übersteigenden Strafausmaßes nicht in Betracht zu ziehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Soweit die Angeklagte in ihrer Kostenbeschwerde, insbesonders im Hinblick auf die mit der angefochtenen Entscheidung ergangenen Teilfreisprüche, die unterbliebene Anwendung des § 389 Abs. 2 StPO releviert, übersieht sie, daß sich das Schöffengericht im Urteil zu Recht auf den allgemeinen Ausspruch über die Kostenersatzpflicht gemäß dem § 389 Abs. 1 StPO beschränkt hat. Welche Kosten den Ersatzpflichtigen im einzelnen treffen bzw. welche vom Ersatz auszuscheiden sind, wird vom Erstgericht in einem gesonderten, dem Rechtsmittel der Beschwerde unterworfenen Beschluß festzustellen sein (vgl. ua RZ 1982/8 S 15, 35).