JudikaturOGH

8Ob552/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Oktober 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei RAIFFEISENKASSE L***** reg. Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Hans Estermann und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagten Parteien 1.) Friedrich V***** und 2.) Margarethe R*****, beide vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, und deren Nebenintervenienten

1.) Johann V***** und 2.) Franziska M*****, beide vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen

S 922.996,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. November 1989, GZ 1 R 149/89-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20. Dezember 1988, GZ 4 Cg 52/86-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den Nebenintervenienten die mit S 20.326,68 (einschließlich S 3.387,78 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johann V*****, der Bruder des Erstbeklagten und erste Nebenintervenient, betrieb ein Transportunternehmen. Er war auch Eigentümer von Liegenschaften im Ausmaß von knapp 9000 m2 in F*****. Er stand mit der klagenden RAIFFEISENBANK seit 1981 in Geschäftsverbindung und diese gewährte ihm am 7. 4. 1981 ***** einen Betriebsmittelkredit über S 50.000 mit fünfjähriger Laufzeit gegen bücherliche Sicherstellung durch eine Höchstbetragshypothek über S 70.000. Am 19. 4. 1983 gewährte sie ihm *****einen weiteren Betriebsmittelkredit über S 100.000, der mit einem Höchstbetragspfandrecht von S 130.000 besichert war, und *****einen Abstattungskredit über 1 Million S, rückzahlbar in 180 Monatsraten a S 12.000, der mit einem Höchstbetragspfandrecht über 1,3 Million S, und durch Bürgen besichert wurde. Mit Pfandbestellungsurkunde vom 17. 8. 1983 verpfändete Johann V***** zur Besicherung der Kreditforderungen der klagenden Bank seine Liegenschaft EZ ***** KG F***** bis zum Höchstbetrag von insgesamt S 1,500.000; dieses Pfandrecht wurde am 15. 12. 1983 grundbücherlich einverleibt.

Mittlerweile betrieb jedoch eine andere Bank zur Hereinbringung ihrer Forderungen gegen Johann V***** im Ausmaß von rund S 2,2 Millionen die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft. Zur Verhinderung der Zwangsversteigerung durch Umschuldung wandte sich Johann V***** an die klagende Bank, deren Geschäftsleiter Josef G***** für Johann V***** folgende Lösung fand: Da für einen Kredit in Höhe des umzuschuldenden Betrages von S 2,200.000 die Zustimmung des Aufsichtsrates der klagenden Bank erforderlich gewesen wäre und die Zeit drängte, sollten Johann V***** und sein Bruder, der Erstbeklagte, jeweils selbständig Kredite aufnehmen, die durch Bürgschaften zu sichern seien. Für den Johann V***** gewährten Kredit von S 1,450.000 wurde das auf ihn lautende Kreditkonto ***** (folgend: Kredit 151) eröffnet und es verpflichteten sich die Lebensgefährtin des Kreditnehmers, die zweite Nebenintervenientin, ohne Beschränkung sowie die Beklagten jeweils bis zu einem Betrag von S 500.000 als Bürgen und Zahler gemäß § 1357 ABGB (Beilagen ./C und ./D). Für den dem Erstbeklagten gewährten Kredit von S 1,100.000 wurde das auf ihn lautende Kreditkonto ***** (folgend kurz: Kredit 169) eröffnet und es verpflichtete sich die Zweitbeklagte ohne Beschränkung als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB (Beilage ./B). In einem dem Abschluß der Kredit- und der Bürgschaftsverträge (je vom 26. Juli 1983) vorangegangenen Gespräch mit den Nebenintervenienten und den Beklagten erklärte der Geschäftsleiter der klagenden Bank, Josef G*****, eine rasche Abwicklung sei nur möglich, wenn auch der Erstbeklagte einen Teil des Kredites (des eigentlichen Kreditnehmers Johann V*****) aufnehme; dieser Kredit sei von vorneherein nur als Überbrückungskredit ("zur kurzfristigen Übernahme bzw. Abdeckung der Schulden Johann V***** bei der anderen Bank") gedacht, der nicht von den Beklagten zurückzuzahlen sei, sondern aus dem Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaften Johann V***** abgedeckt werden sollte. Josef G***** sicherte den Beklagten zu, daß ihnen nichts passieren könne, beim Kreditvertrag des Erstbeklagten handle es sich um eine pro-forma-Angelegenheit, weil der Gegenwert in Form von Liegenschaften vorhanden sei und mit dem Eingang des Kauferlöses die Beklagten als erste aus der Haftung entlassen würden. Die schriftlichen Bürgschaftsverträge (Beilagen ./B, ./C, ./D) enthalten in 14 Punkten auf zwei Druckseiten von der klagenden Bank gefaßte Bestimmungen, deren Punkt 3 lautet: "Diese Bürgschaft ist zeitlich nicht begrenzt. Sie erlischt nicht durch vorübergehende Rückzahlung des Kredites bei Fortbestand des Kontokorrentverhältnisses. Sie bleibt auch bei einem etwaigen Wechsel in der Person (Gesellschafter, Firma) oder bei einer Änderung der Rechtsform der Firma des Hauptschuldners vollinhaltlich bestehen ...".

Da Johann V***** den Verkauf seiner Liegenschaft nicht vorantrieb und die beiden Kredite deshalb nicht in der ursprünglich vorgesehenen kurzen Laufzeit abgedeckt werden konnten, wurde deren Laufzeit mit Zustimmung der Beklagten mehrmals, zuletzt der Kredit 151 bis 31. 8. 1984 und der Kredit 169 bis 31. 10. 1984, verlängert. Bei einer Besprechung am 4. 2. 1984, an der Josef G***** für die klagende Bank und die beiden Nebenintervenienten, nicht hingegen die Beklagten, teilnahmen, wurde erörtert, daß die Erlöse aus den Grundverkäufen Johann V***** zunächst mit dem Konto des Erstbeklagten 169 verrechnet werden sollten, und vereinbart, daß nach Abdeckung des Kontos 169 zunächst ein anderes Kreditkonto Johann V***** (*****mit einem derzeit aushaftenden Schuldsaldo von S 990.000) auf Grund der bücherlichen Sicherstellung abgedeckt werden und erst der Restbetrag zur Abdeckung des - damals mit S 1,352.000 aushaftenden - Kredites 151 verwendet werden sollte. Die dafür bis jeweils S 500.000 haftenden Beklagten sollten nach entsprechender Reduzierung des Saldos (auf dem Konto 151) aus der Haftung entlassen werden; lediglich die zweite Nebenintervenientin sollte für den verbleibenden Restbetrag weiterhin haften. Mit Kaufvertrag vom 14./28. 6. 1984 verkaufte Johann V***** seine Liegenschaft EZ ***** KG F***** um S 2,262.800 an die Ehegatten Karl und Gerlinde A*****, die den Kaufpreis u.a. durch Übernahme der auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 17. 8. 1983 zugunsten der klagenden Bank einverleibten Forderungen von 1,5 Millionen S zu zahlen hatten. Überdies verkaufte Johann V***** auch sein Transportunternehmen (bestehend aus der Konzession, einem im Vorbehaltseigentum der klagenden Bank stehenden Sattelauflieger und einer sogenannten "Deutschland-Genehmigung") um S 1,440.000 an die Ehegatten Karl und Gerlinde A*****. Die Abrechnung der beiden Kaufverträge (über die klagende Bank) erfolgte global ohne Unterscheidung zwischen Liegenschafts- und Unternehmensverkauf. Die Käufer übernahmen insgesamt Verbindlichkeiten Johann V***** gegenüber der klagenden Bank von rund 2,5 Millionen S und traten anstelle des - von der klagenden Bank aus der Haftung entlassenen - Johann V***** in dessen Kreditverträge ein. Die Beklagten wurden diesen Abwicklungs- und Abrechnungsgesprächen nicht beigezogen und erfuhren davon erst, als bereits alles abgewickelt war.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Bank von den Beklagten die Abdeckung des angeblich mit S 1,091.524 samt Nebengebühren offenen Saldos des Kredites 169. Auf den Einwand der Beklagten, sie hätten nach dem Eingang ausreichender Beträge aus dem Verkauf der Liegenschaften und des Unternehmens des ersten Nebenintervenienten aus der Haftung entlassen werden müssen, allenfalls werde aufrechnungsweise ein den Klagebetrag zumindest erreichender Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten bei der Abwicklung der Kaufverträge eingewendet, gestand die klagende Bank zu, daß der Kredit 169 aus den Verkaufserlösen abzudecken gewesen wäre. Sie behauptete jedoch, daß dann ein Betrag in Höhe des eingeschränkten Klagebetrages auf dem Kreditkonto 151 verblieben wäre, für den die Beklagten auf Grund ihrer Bürgschaftsverpflichtung bis zu je S 500.000 hafteten.

Darauf erwiderten die Beklagten, sie hätten vereinbarungsgemäß nach entsprechender Reduzierung des Kredites 151 aus der Bürgenhaftung entlassen werden müssen.

Die den Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten beantragten ebenfalls die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, die klagende Bank stütze ihr Begehren auf eine Bürgenhaftung der Beklagten für eine fiktive Restschuld des von der klagenden Bank aus der Haftung entlassenen ehemaligen Hauptschuldners Johann V***** und nicht auf die für die Schuldübernehmer (Ehegatten A*****) kraft Punkt 3 des Bürgschaftsvertrages weiter bestehende Bürgschaft, so daß die Klage schon wegen der Akzessorietät der Bürgschaft mangels Bestandes einer konkreten Hauptschuld (Johann V***** erfolglos bleibe.

Das Gericht zweiter Instanz verneinte die Bürgenhaftung der Beklagten für den Kredit 151, der von den Käufern ohne Zuziehung (und daher ohne Zustimmung im Sinne des § 1407 Abs. 2 ABGB) der Beklagten übernommen worden sei, weil es nach den konkreten Umständen des Zustandekommens der vorliegenden Bürgschaftsverträge die Klausel in Punkt 3 des Bürgschaftsvertrages, wonach die Bürgschaft auch bei einem Wechsel in der Person des Hauptschuldners bestehen bleibe, als gemäß § 864 a ABGB ungewöhnliche Vertragsbestimmung für ungültig befand, ohne daß es noch der Ermöglichung einer Beweisführung der klagenden Bank im Sinne des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung bedürfte. Mit der Schuldübernahme des Kredites 151 durch die Ehegatten A***** und der Haftungsentlassung Johann V***** sei die Bürgenhaftung der Beklagten erloschen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der klagenden Bank ist nicht berechtigt.

Nach Prüfung der Akten gelangt der erkennende Senat zum Ergebnis, daß die gerügte Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegen (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Es ist nicht erkennbar, weshalb die klagende Bank in der Revision weiterhin auf einem - nach den Feststellungen der Vorinstanzen zufolge vereinbarungswidriger Unterlassung der Glattstellung gar nicht mehr bestehenden - Schuldsaldo in Höhe des Klagebetrages aus dem Kreditkonto 169 in der Sache beharrt, obwohl sie doch selbst zugestanden hat, dieses Konto zu Unrecht (gegen die ausdrückliche Vereinbarung) nicht mit den ausreichend vorhandenen Verkaufserlösen aus dem Liegenschafts- und Unternehmensverkauf des Johann V***** abgedeckt zu haben. Aus einem Schuldsaldo auf diesem Konto kann ihr daher rechtens keine Forderung mehr zustehen.

Im Ergebnis ist den Vorinstanzen in der Ansicht beizupflichten, daß die Beklagten auf Grund ihrer festgestellten (Teil )Bürgschaftsverpflichtungen zugunsten des von Johann V***** aufgenommenen Kredites 151 auch nicht mehr haften. Zufolge der festgestellten Zusagen des Geschäftsleiters der klagenden Bank konnten die Beklagten mit der vorrangigen Entlassung ("als erste") aus der Haftung nach Durchführung des Liegenschafts- und Unternehmensverkaufs durch Johann V***** rechnen, da ihre (Mit )Haftung den Rahmen der gesamten Umschuldungsaktion von der klagenden Bank nur als Formsache bezeichnet wurde und die Verkaufserlöse die Abdeckung der Verbindlichkeiten aus beiden Kreditkonten (Nr. 151 und 169) ermöglicht hätten. Die klagende Bank durfte ohne Verletzung dieser Zusagen nicht die Kaufpreisschuld der Käufer teilweise durch Übernahme der (unter anderem durch die vorliegenden Teilbürgschaften besicherten) Kreditverpflichtungen Johann V***** auf dem Konto 151 abdecken. Eine solche Vorgangsweise wäre ihr nur mit Einwilligung der beklagten Bürgen gestattet gewesen. Hätten die Käufer - unter gleichzeitiger Aufnahme eines entsprechenden eigenen Kredites - diesen Teil der Kaufpreisschuld bezahlt und hätte die klagende Bank im Sinne der Abmachungen mit Johann V***** damit den Kredit 151 glattgestellt, wären die Bürgen entsprechend der Zusage des Geschäftsleiters der klagenden Bank - wie übrigens der Hauptschuldner selbst - in ihrer Haftung entlastet gewesen.

Das Klagebegehren erweist sich daher schon deshalb als unberechtigt, sodaß es nicht notwendig ist, Punkt 3 der Bürgschaftsverträge gemäß § 864 a ABGB einer Geltungskontrolle zu unterziehen.

Aus den dargelegten Gründen ist das Urteil der zweiten Instanz zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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