7Ob525/91 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien
1. Alois K***** und 2. Margarethe K*****, beide vertreten durch Dr. Roger Haarmann und Dr. Bärbel Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, wider die beklagte Partei Maria R*****, vertreten durch Dr. Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Anerkennung eines Grenzverlaufes (Streitwert S 30.000 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 4. Dezember 1990, GZ R 801/90-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liezen vom 3. September 1990, GZ 2 C 13/89g-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.985,34 (darin S 664,22 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. 647/9 KG A*****, das mit Teilungsplan des Dipl.Ing.Dieter R*****, Ingenieurkonsulent für Vermesssungswesen, vom 30. Dezember 1986 durch Abtrennung vom Grundstück Nr. 647/1 neu gebildet wurde. An diese Parzelle grenzen im Süden die im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücke Nr. 713, 724/1, 729 und 732 an.
Die Kläger stellen das Begehren, die Beklagte sei schuldig, den Grenzverlauf zwischen der Parzelle 647/9 (bisher 647/1) einerseits und den Parzellen 713, 724/1, 729 und 732 je der KG A***** andererseits laut Teilungsplan von Dipl.Ing.Dieter R*****, GZ 2824/86, anzuerkennen. Die zum Zwecke eines Verkaufes und einer Abschreibung nach dem Liegenschaftsteilungsgesetz erforderliche Teilung des Grundstückes 647/1 und Neubildung des Grundstückes 647/9 werde vom Planverfasser zum Anlaß genommen, eine Mappenberichtigung gemäß § 52 Z 5 VermG zu erwirken. Die Südgrenze sei 1955, 1956 oder 1957 zwischen den Klägern und dem Rechtsvorgänger der Beklagten einvernehmlich unter Setzung des Steins Nr. 5040 zwischen den Eckpunkten 4042 und 5039 begradigt worden. Der öffentliche Weg habe vor der Begradigung an die Südgrenze herangereicht.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie habe den vor Jahren einvernehmlich festgelegten Grenzverlauf, wie er auch von Dipl.Ing. R***** richtig festgehalten werde, stets anerkannt und anerkenne ihn auch weiterhin. Dieser Grenzverlauf sei entgegen den ursprünglichen Mappenplänen einvernehmlich zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile fixiert und stets gehandhabt worden. Nicht anerkannt werde allerdings, daß die öffentliche, im Eigentum der Gemeinde A***** stehende Wegparzelle 2073 bis zum Grundstück 647/9, zwischen den Punkten 5040 und 5041, wie im Teilungsplan angegeben, reiche. Durch den seinerzeit vorgenommenen Tausch sei die Grundgrenze in diesem Bereich gegenüber dem ursprünglichen Grenzverlauf nach Norden vorgerückt, so daß hier ein Teil des Grundstückes der Kläger zu den der Beklagten gehörigen Parzellen 713 und 724/1 gekommen sei. Entgegen dem Teilungsplan des Dipl.Ing.R***** reiche deshalb der Weg 2073, der schon seit mehr als 40 Jahren nicht benützt worden sei und in der Natur nicht mehr existiere, nicht bis zur Grundgrenze der Streitteile, sondern ende innerhalb der Parzellen 713 und 724/1. Die Beklagte könne den Teilungsplan aus diesem Grund nicht anerkennen. Solange die Kläger auf die Nutzung des Weges 2073 nicht verzichteten, sei der Tausch der Grundstücksteile nicht rechtswirksam zustandegekommen; die Kläger wären durch die Grundstücksteile, die sie seinerzeit dazuerhalten hätten, ungerechtfertigt bereichert, weil eine alleinige Verfügungsmacht der Beklagten über den Weg nicht gegeben sei. Es gebe zahlreiche Fälle, bei denen Wege mitten in Grundstücksflächen enden. Eine Übergabe der Tauschfläche in öffentliches Gut verstoße gegen Art. 5 Staatsgrundgesetz.
Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:
An das Grundstück Nr. 647/9 schließt im Süden außer Grundstücken der Beklagten auch noch die vom Südosten zwischen den Grundstücken 713 und 724/1 heranführende Wegparzelle Nr. 2073 mit ihrem nördlichen Ende der Breite nach an, wie dies im Teilungsplan GZ. 2824/86 vom 30. Dezember 1986 dargestellt ist. Der Grenzverlauf zwischen den Grundstücken der Kläger und der Beklagten war bis zum Jahr 1956 unregelmäßig, etwa im Zick-Zack verlaufend, und durch einen Zaun gekennzeichnet. Um eine geradlinige Grenze zu erhalten, fand zwischen den Klägern und dem Rechtsvorgänger der Beklagten, ihrem inzwischen verstorbenen Vater N. Z*****, eine Grenzbegradigung statt, bei der diese Grenze, die nunmehrige Südgrenze des Grundstücks der Kläger, einvernehmlich vermarkt wurde. Dabei wurden die Grenzsteine 5039, 5040 und 5042 gesetzt, sodaß die Grenze nunmehr in einer Geraden, zwischen den genannten Punkten verlief.
Im Zuge der Begradigung wurden keine Geldzahlungen zwischen den Parteien geleistet. Da die Begradigung nur die Beseitigung des unregelmäßigen Grenzverlaufes bezweckte, fanden keine Vereinbarungen bezüglich des Weges 2073 statt, weil dieser Weg für die Begradigung unerheblich war.
Der Weg 2073 ist in der Natur kaum noch ersichtlich und auch an seinem Beginn nur mehr andeutungsweise erkennbar. Er war ursprünglich, vor der Begradigung im Jahr 1956, laut Grundbuch und Katastermappe immer mit der Südgrenze des Grundstückes 647/1 verbunden. Die alte Südgrenze, wie sie vor der Begradigung bestanden hat, ist in der Natur nicht mehr ersichtlich. Die neuvermarkte Grenze weicht jedoch von der Grenzdarstellung der Katastermappe geringfügig ab.
Bereits bei einer Vermessung im Jahre 1983 wurden die Grenzen der damaligen Parzelle 647/1 "in dem Bereich festgesetzt". Die Grenze wurde an Hand der Grenzsteine 5039, 5040 und 5042 vermessen; anläßlich der Vermessung wurde die Metallmarke 5041 in die bestehende Gerade eingefluchtet. Diese Grenze wurde von der Beklagten auch damals anerkannt; sie verweigerte jedoch schon damals ihre Unterschrift mit derselben Begründung wie im gegenständlichen Rechtsstreit.
Im Jahr 1986 wurde Dipl.Ing.Dieter R***** mit der Erstellung eines neuen Teilungsplanes beauftragt, weil die Kläger beabsichtigten, einen Teil der Parzelle 647/1 an die Ehegatten Christa und Christian K***** zu übertragen. Die Vermessung erfolgte am 23. Oktober 1986; daran anschließend wurde der Teilungsplan mit der Geschäftszahl 2824/86 errichtet. Voraussetzung für die Durchführung des Teilungsplans und die Abtrennung der durch Teilung neu gebildeten Parzelle 647/9 war das Anerkenntnis des Grenzverlaufes durch die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke. Dieses Anerkenntnis wurde von der Beklagten unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach unrichtige Darstellung des öffentlichen Grundstücks 2073 im vorliegenden Teilungsplan verweigert.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die einvernehmlich festgelegte, stets anerkannte Naturgrenze sei - entsprechend den Gepflogenheiten in der Praxis - als "unverändert gebliebener Grenzverlauf" iS des § 52 Z 5 VermG anzusehen und im Fall mangelnder Übereinstimmung mit der Mappengrenze in Form der Mappenberichtigung in die Katastral- und Grundbuchsmappe zu übertragen. Zu einer derartigen Mappenberichtigung sei nach § 43 Abs. 5 VermG die Zustimmung auch der Beklagten geboten, weil sonst der Planverfasser eine "Übereinstimmung zwischen den beteiligten Eigentümern" nicht beurkunden könnte. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Zustimmung zur Mappenberichtigung, und zwar auch nicht hinsichtlich des strittigen Grenzteils, zu verweigern.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000 übersteige und daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Zutreffend sei das Erstgericht zum Ergebnis gekommen, es habe 1956 zwischen dem Erstkläger und dem Vater der Beklagten ("Herrn Z*****") eine Grenzbegradigung stattgefunden, die die Beseitigung des unregelmäßigen Grenzverlaufes bezweckt habe. Der damit verbundene Austausch von Grundflächen habe allein dem Ziel gedient, eine begradigte Grenze zu gewinnen; es habe nicht die Absicht einer der Parteien bestanden, Grundstücksteile zu veräußern und andere dafür zu erwerben. § 52 Z 5 VermG normiere, daß die Katastralmappe - mit der die Grundbuchsmappe in angemessenen Zeiträumen in Übereinstimmung zu bringen sei (§ 45 Abs 2 VermG) - von Amts wegen (Zuständigkeit der Vermessungsbehörden) zu berichtigen sei, wenn sich ergebe, daß die in dieser enthaltene Darstellung des Grenzverlaufes eines Grundstückes mit dem seit der letzten Vermessung unverändert gebliebenen Grenzverlauf dieses Grundstückes in der Natur nicht übereinstimme. Schon aus diesem Grund sei die begehrte Feststellung zu treffen (auf die nähere Begründung des Berufungsgerichtes kann verwiesen werden). Aus der im Urteilsspruch umschriebenen Erklärung könne ein Anerkenntnis der Beklagten zu der im Teilungsplan bezeichneten Ausbreitung des öffentlichen Weges nicht abgeleitet werden, weil diese von ihr nicht mitumfaßt sei. Die Beklagte gehe durch die mit Urteilsspruch ersetzte Erklärung nicht ihres Rechtes verlustig, Eigentum an der strittigen Fläche, sei es aus dem Rechtsgrund der Ersitzung, sei es aus einem anderen Rechtsgrund, geltend zu machen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zu den Ausführungen der Beklagten unter diesen Revisionsgründen, die in im wesentlichen gleicher Weise in der Berufung gegen das Ersturteil erstattet wurden (dort unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellung), in zutreffender Weise Stellung genommen.
Die Frage einer - entschädigungslosen - Enteignung der Beklagten, weil nach den im Teilungsplan des Dipl.Ing.Dieter R***** eingezeichneten Grenzen des öffentlichen Gutes (des Weges Grundstück 2073) dieses um etwa 6 m2 vergrößert würde, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht, so daß auf die Frage, ob die Bestimmung des § 52 Z 5 VermG gegen Art. 5 Staatsgrundgesetz ("Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt") und somit gegen die Verfassung verstößt, nicht einzugehen ist.
Bei ihren Ausführungen unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung übergeht die Beklagte nicht nur, daß die Grenzpunkte 5040 und 5041 nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen anläßlich der 1956 vorgenommenen Grenzbegradigung von den Streitteilen bzw. deren Rechtsvorgängern einvernehmlich gesetzt wurden, sondern auch, daß sie die im Einvernehmen begradigte Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile, die durch eben diese Grenzzeichen vermarkt wurde, mehrfach ausdrücklich anerkannt hat. Gemeint ist offensichtlich, daß nach dem Rechtsstandpunkt der Beklagten die genannten Grenzpunkte nicht auch die Nordgrenze des öffentlichen Weges bezeichnen dürften.
Ob der vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang (S 7 jener Entscheidung) dargelegten Praxis bezüglich § 52 Z 5 VermG bzw. § 27 Abs 1 LiegTeilG beigetreten wird, muß hier nicht erörtert werden. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß der vorliegende Teilungsplan aus Anlaß der Teilung eines Grundstückes der Kläger hergestellt wurde und den in der Natur mit der Katastralmappe nicht übereinstimmenden Verlauf der südlichen Grenze des Grundstücks der Kläger zu Grundstücken der Beklagten darstellen soll, nicht aber die Ausdehnung des Wegegrundstückes. Nach dem Wortlaut des vor der Bestimmung des § 52 Z 5 VermG in Geltung gestandenen, durch eben diese Bestimmung ersetzten § 27 LiegTeilG hat das Gericht wenn anläßlich einer Grundteilung sich aus dem Teilungsplan und dessen Beilagen ergibt, daß die Parteien über die unverändert gebliebenen Grenzen des Trennstückes in der Natur einig sind, diese aber in der Grundbuchsmappe unrichtig dargestellt sind, die Berichtigung der Grundbuchsmappe anzuordnen; das Einverständnis der Parteien ist von dem Verfasser des Planes zu beurkunden. Wesentlich ist also, daß die Beklagte ihr Einverständnis zum Verlauf der Südgrenze des Grundstücks der Kläger erklärt, wie es ja auch geschehen ist. Ein Anerkenntnis der Beklagten hinsichtlich der Nordgrenze des Wegegrundstücks aber bringt der Urteilsspruch nicht zum Ausdruck.
Das Eigentum der Beklagten an dem strittigen Grundstücksteil ist vom gegenständlichen Rechtsstreit nicht betroffen; die Entscheidung des Rechtsstreites hat, wie bereits von den Vorinstanzen hervorgehoben wurde, darauf keine Auswirkungen. Es ist vielmehr Sache der Beklagten, ihr Eigentumsrecht an diesem Teilstück und die Berichtigung der Nordgrenze des im Eigentum der Gemeinde A***** stehenden Wegegrundstücks im Hinblick auf die mit den Klägern durchgeführte Grenzbegradigung (und des damit notwendig verbundenen Austausches von Grundstücksteilen) in einem eigenen Verfahren geltend zu machen. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen dem Klagebegehren stattgegeben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.