JudikaturOGH

15Os149/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Februar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Februar 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz O***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. August 1990, AZ 1 c Bl 83/90, und vom 19.November 1990, AZ 1 c Bl 136/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. August 1990, AZ 1 c Bl 83/90, und vom 19.November 1990, AZ 1 c Bl 136/90 (ON 28 und 34 des Aktes AZ 4 U 41/90 des Bezirksgerichtes Voitsberg), verletzen das Gesetz in den Bestimmungen des § 393 Abs. 3 StPO und des § 1 Abs. 1 RAT. Diese Beschlüsse sowie der Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 13.September 1990, GZ 4 U 41/90-29, werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, über die Beschwerde gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 18.Juni 1990, GZ 4 U 41/90-25, neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 20.März 1990, GZ 4 U 41/90-16, wurde Franz O***** von der wider ihn von Alfred W***** wegen des Vergehens der leichten Körperverletzung nach "§ 83 StGB" erhobenen Subsidiaranklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gemäß §§ 390 Abs. 1, 393 Abs. 3 StPO wurden dem Subsidiarankläger Alfred W***** "die Kosten des Strafverfahrens und die Kosten des nicht schuldig gesprochenen Beschuldigten Franz O***** (Vertretungskosten)" auferlegt. Mit Beschluß vom 18. Juni 1990, GZ 4 U 41/90-25, bestimmte das Bezirksgericht Voitsberg die vom Subsidiarankläger dem (freigesprochenen) Beschuldigten zu ersetzenden Kosten der Verteidigung mit 6.868,52 S, während es das Mehrbegehren in der Höhe von 15.352,38 S mit der Begründung abwies, im Subsidiaranklageverfahren seien nur die Bestimmungen des RAT für Privatanklagen zur Kostenbestimmung heranzuziehen. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluß vom 22.August 1990, AZ 1 c Bl 83/90 (ON 28 im Akt AZ 4 U 41/90 des Bezirksgerichtes Voitsberg), in hier nicht bedeutendem Umfang Folge, vertrat aber

im übrigen - wie schon das Bezirksgericht Voitsberg im vorangeführten Beschluß - die Ansicht, die Autonomen Honorarrichtlinien seien im Bemessungsverfahren gemäß § 395 Abs. 1 bis 3 StPO nicht anzuwenden. Aus Gründen der Rechtslogik wäre es nämlich verfehlt, dem Subsidiarankläger eine andere prozessuale Stellung einzuräumen als dem Privatankläger. Als Folge davon bestimmte das Bezirksgericht Voitsberg mit Beschluß vom 13.September 1990, GZ 4 U 41/90-29, auch die Kosten der teilweise erfolgreichen Beschwerde des Franz O***** nach Tp 4 des RAT mit 682,20 S.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Franz O***** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. November 1990, AZ 1 c Bl 136/90 (ON 34 des vorzitierten Aktes), als "unbegründet zurückgewiesen", wobei das Beschwerdegericht in Kenntnis der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30.August 1989, AZ 14 Os 100/89, an seiner Rechtsauffassung mit der Begründung festhielt, dieser Entscheidung sei zu entnehmen, daß die Autonomen Honorarrichtlinien keine Bindung der Gerichte normieren, sondern lediglich Ermessensrichtlinien für das die Kostenbestimmung nach § 395 StPO vornehmende Gericht darstellen.

Die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 22.August 1990 und vom 19.November 1990 stehen - wie der Generalprokurator gemäß § 33 StPO zutreffend geltend macht - mit den Bestimmungen des § 393 Abs. 3 StPO und des § 1 RAT nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof zuletzt im Urteil vom 30.August 1989, 14 Os 100/89 (AnwBl. 1990, 398) mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, regelt der Rechtsanwaltstarif lediglich die Verteidigungskosten für das Privatanklageverfahren. Die vom Privatbeteiligten nach Maßgabe des § 48 StPO übernommene öffentliche Anklage wird nicht zur Privatanklage (§ 2 Abs. 3 StPO). Daß aber durch den Rechtsanwaltstarif auch die Entlohnung des Verteidigers in jenen offiziosen Strafsachen geregelt wäre, in welchen der Privatbeteiligte statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage erhebt und durchführt (§ 48 StPO), ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (siehe dazu die in der vorerwähnten Entscheidung angeführte Judikatur). Daher sind im Verfahren auf Grund einer Subsidiaranklage die Autonomen Honorarrichtlinien auch dann heranzuziehen, wenn ihre Ansätze über jene der Tp 4 RAT hinausgehen, wobei jedoch die Autonomen Honorarrichtlinien nur die Bedeutung einer gutächtlichen Äußerung über die Bewertung rechtsanwaltlicher Leistungen im Durchschnittsfall haben und es somit im Ermessen des die Kostenbestimmung nach § 395 StPO vornehmenden Gerichtes steht, die Ansätze dieser Richtlinien als auf den Einzelfall allenfalls nicht anwendbar zu erachten. Daß die Ansätze der Tp 4 RAT eine Beschränkung der vom Gericht zu bestimmenden Entlohnung des Verteidigers im Rahmen der AHR darstellen, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen.

Da das Landesgericht für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht daher im vorliegenden Fall bei Überprüfung des vom Bezirksgericht geübten Ermessens von der unzutreffenden Rechtsansicht ausging, höchstens die nach der Tp 4 RAT zustehenden Beträge als Verteidigerkosten für die Verrichtung der Hauptverhandlung zusprechen zu dürfen, war die in der auf unrichtiger Rechtsauffassung beruhenden Ermessensentscheidung gelegene Gesetzesverletzung festzustellen.

Nach der ebenfalls in der zitierten Vorentscheidung wiedergegebenen Judikatur ist § 292 letzter Satz StPO sinngemäß auch auf gesetzwidrige Entscheidungen in der Kostenfrage anzuwenden. Mit der Feststellung der Gesetzesverletzung war demnach die Aufhebung der aus dem Spruch ersichtlichen Beschlüsse des Beschwerdegerichtes zu verbinden. Eine Entscheidung in der Sache selbst konnte jedoch nicht erfolgen, weil im Verfahren gemäß §§ 33, 292 StPO das vom Erstgericht geübte Ermessen nicht überprüft werden kann (vgl. EvBl. 1976/210).

Diese Überprüfung wird durch das (nunmehr gemäß § 293 Abs. 2 StPO an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes gebundene) Beschwerdegericht vorzunehmen sein. Als Folge der Aufhebung der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. August 1990, AZ 1 c Bl 83/90, ist dem darauf basierenden Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 13.September 1990 die Grundlage entzogen; dieser Beschluß war daher ebenfalls aufzuheben.

Rückverweise