JudikaturOGH

Okt40/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 1990

Kopf

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertetenden Vorsitzenden Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Hon.Prof.DDr.Dittrich, Dkfm.Dr.Grünwald, Mag.Kinscher, Dr.Lettner, Dr.Placek und Dr.Bauer in der Rechtssache der Antragstellerin B*** W***, Wien

4., Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Dr.Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. "F***" Handelsgesellschaft Aktiengesellschaft, 2. F.M.Zumtobel Gesellschaft mbH Co., 3. F.M.Zumtobel Geschäftsführungsgesellschaft mbH.,

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrte zunächst, der Erst-, der Zweit- und der Drittantragsgegnerin sowie dem Viertantragsgegner gemäß § 6 NVG zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr (vor allem im "D***-Großmarkt Wels") Waren im Sinne des § 3 a Abs 1 NVG, insbesondere Weizenmehl und Feinkristallzucker im "Kombinationsangebot", zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, und beantragte ferner unter Berufung auf § 7 Abs 10 NVG, ihr die Befugnis zuzusprechen, die rechtskräftige Entscheidung binnen sechs Monaten auf Kosten der genannten Antragsgegner in je einer Sonntagsausgabe der periodischen Druckschriften "Oberösterreichische Nachrichten", "Welser Zeitung", "Kurier" (Gesamtausgabe für Österreich) und "Neue Kronen Zeitung" (Ausgabe für Oberösterreich) sowie in einer Wochenendausgabe der periodischen Druckschrift "Die Presse" in näher beschriebener Weise veröffentlichen zu lassen.

Die erwähnten Antragsgegner sprachen sich gegen diese Anträge aus.

Im Zuge des Verfahrens dehnte die Antragstellerin ihre Sachanträge auf die Fünftantragsgegnerin und den Sechstantragsgegner aus.

Das Erstgericht wies die Antragsausdehnung zurück, untersagte der Erst-, der Zweit- und der Drittantragsgegnerin sowie dem Viertantragsgegner, im geschäftlichen Verkehr (vor allem im "D***-Großmarkt Wels") Weizenmehl und Feinkristallzucker im Kombinationsangebot zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten und wies das Mehrbegehren, die Untersagung auf alle Waren, Verkaufsanbote bzw Warenverkäufe zu erstrecken, ab.

Rechtliche Beurteilung

Die einerseits von der Antragstellerin und andererseits von der Erst- und der Drittantragsgegnerin sowie dem Viertantragsgegner erhobenen Rekurse sind nicht zulässig.

A/ Zum Rekurs der Antragstellerin:

Infolge zwischenweiliger Aufhebung des § 3 a NVG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.6.1990, G 56/89-16, kundgemacht in BGBl 590 a/1990 vom 19.9.1990, ist das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin weggefallen: Das begehrte Unterlassungsgebot müßte ins Leere gehen, weil die Antragsgegner § 3 a NVG nach dessen Aufhebung künftig nicht mehr zuwiderhandeln könnten und eine Exekutionsführung unzulässig wäre. Auch die Wiederholungsgefahr ist weggefallen; dieser Umstand kann im Verfahren außer Streitsachen gemäß § 10 AußStrG berücksichtigt werden. Wohl ist das vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetz Art 140 Abs 7 B-VG zufolge mangels gegenteiligen Ausspruches auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlaßfalles - weiterhin anzuwenden, doch ist, wie gesagt, im vorliegenden Fall eine Sanktion gegen ein allfälliges früheres Zuwiderhandeln nicht mehr möglich.

Die Antragstellerin ermangelt deshalb des für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Rechtsschutzinteresses sowohl an der vollständigen Antragstattgebung als auch an der Ausdehnung ihres Begehrens auf die Fünftantragsgegnerin und den Sechstantragsgegner, weshalb ihr Rekurs als unzulässig zurückzuweisen ist.

B/ Zum Rekurs der Erst- und der Drittantragsgegnerin

sowie des Viertantragsgegners:

Vorauszuschicken ist, daß das Ersgericht die bekämpfte Entscheidung am 11.5.1990 Rechtsanwalt Dr.Viktor A.Straberger zustellte, der seit 8.4.1988 für die Erst-, die Zweit- und Drittantragsgegnerin sowie den Viertantragsgegner unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO) eingeschritten war. Am 30.5.1990 gaben die Erst- und die Drittantragsgegnerin sowie der Viertantragsgegner (persönlich oder durch ihren Vorstand bzw Geschäftsführer) einen gegen den erstinstanzlichen Beschluß gerichteten Rekurs zur Post. Erst am 18.6.1990 teilte Rechtsanwalt Dr.Viktor A.Straberger dem Erstgericht die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit.

Der Rekurs ist an sich verspätet. Auf die "streitigen" Außerstreitverfahren wie das Verfahren gemäß § 6 NVG sind - wie das Kartellobergericht bereits mit Beschluß vom 4.9.1990, Okt 39/90, in einem anderen zwischen den (noch beteiligten) Parteien dieses Verfahrens anhängigen Verfahren ausgesprochen hat - wegen der Strukturähnlichkeit mit dem Zivilprozeß die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (weitgehend) analog anzuwenden; bedient sich eine Partei eines Rechtsanwaltes, so gilt jenes insbesondere für den Nachweis der Bevollmächtigung und die Wirkung der Vollmachtskündigung. Zustellungen sind an den Bevollmächtigten zu bewirken. Da der Widerruf der Vollmacht erst mit dessen Mitteilung durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt (am 18.6.1990) wirksam wurde, war die Rekursfrist bei Erhebung des Rekurses längst abgelaufen. § 11 Abs 2 AußStrG ist nicht anzuwenden, weil sich die Entscheidung nicht ohne Nachteil der Antragstellerin abändern ließe. Die Rechtsmittelwerber haben gegen die Versäumung der Rekursfrist allerdings Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt; über diesen Antrag hat das Erstgericht nicht entschieden. Da aber auch der Rekurs der genannten Antragsgegner - wie noch darzulegen sein wird - unzulässig ist, ist weder eine vorherige Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zu veranlassen noch bedarf es der Einleitung des Verbesserungsverfahrens, weil der Rekurs vom Viertantragsgegner (auch als organschaftlicher Vertreter der beiden anderen Rechtsmittelwerberinnen) augenscheinlich nicht eigenhändig unterzeichnet ist, sondern nur mit einem Faksimile versehen ist:

Wie schon bei Erledigung des Rekurses der Antragstellerin dargelegt, kann dem Unterlassungsgebot nach Aufhebung des § 3 a NVG durch den Verfassungsgerichthof nicht mehr zuwidergehandelt werden, sodaß eine Exekution aufgrund des (stattgebenden Teiles) des angeführten Beschlusses nicht mehr bewilligt werden dürfte. Zweck von Maßnahmen gemäß § 355 EO ist es nicht etwa, den Verpflichteten zu bestrafen, sondern die Unterlassung künftigen Zuwiderhandelns zu erzwingen (Heller-Berger-Stix 2579 f, 2591 mwN). Kann aufgrund des bekämpften erstinstanzlichen Beschlusses somit ohnehin nicht mehr Exekution geführt werden, sind die Antragsgegner durch den Beschluß auch nicht mehr beschwert. Gegen eine dennoch - zu

Unrecht - bewilligte Exekution könnten sie sich mit rechtlichen Mitteln erfolgreich zur Wehr setzen.

Am Mangel der Beschwer ändert auch der Umstand nichts, daß der Vorsitzende des Kartellgerichtes einer Partei auf deren Antrag gemäß § 7 Abs 10 NVG die Befugnis zusprechen kann, die rechtskräftige Entscheidung über eine Verhaltensweise gemäß den §§ 1, 2 und 3 a NVG binnen einer bestimmten Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen:

Aufgrund der durch das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geänderten Rechtslage dürfte einem Antrag nach § 7 Abs 10 NVG nicht mehr stattgegeben werden. Diese Bestimmung ist § 25 UWG und § 85 UrhG nachgebildet, sodaß Lehre und Rechtsprechung hiezu auch bei der Beurteilung eines Veröffentlichungsbegehrens im Sinne des § 7 Abs 10 NVG herangezogen werden können (Okt 17/90; Heil in GesRZ 1977, 89). Demnach ist ein solches Begehren nur dann als berechtigt anzusehen, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der Aufklärung des Publikums dartun kann (SZ 51/76 ua). Ein solches Interesse ist aber zu verneinen, wenn das früher verbotene Verhalten nunmehr erlaubt ist und überdies durch das verfassungsgerichtliche Erkenntnis klargestellt wurde, daß das gesetzliche Verbot verfassungswidrig war. Der Antrag auf Ermächtigung zur Veröffentlichung eines auf § 3 a NVG gestützten Unterlassungsgebotes müßte daher mangels schutzwürdigen Interesses der Antragstellerin abgewiesen werden, sodaß der Antragsgegnerin die Beschwer auch unter diesem Gesichtspunkt abzusprechen ist.

Demnach ist auch der Rekurs der genannten Antragsgegner als unzulässig zurückzuweisen.

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